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- 02. Februar 2005 3 Min.
In den USA sammeln Homo-Organisationen nach wie vor für die Opfer der Flutwelle. In Deutschland: Schweigen.
Von Micha Schulze
Der 5. Februar ist im Kalender vieler Schwuler und Lesben in San Francisco rot angestrichen. Die Benefizparty "Queer Cares – Turning The Tide” ab 20 Uhr im Club "Terra", organisiert von Homogruppen und der bekanntesten Event-Veranstalterin der Szene, ist überall in der Stadt plakatiert. Der Eintritt von zehn Dollar kommt zu hundert Prozent dem schwul-lesbischen Rainbow World Fund zugute, der bereits über 195.000 US-Dollar für die Opfer der Flutkatastrophe gesammelt hat. Als Praktikant Jim Skiba in der "Bar on Castro” Plakate für die Benefizparty aufhängen will, zücken viele Gäste automatisch die Geldbörse.
Solidarität und Spendenfieber in den USA, Schweigen dagegen in Deutschland. Beim Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist man über die Nachfrage überrascht. Warum der LSVD keine Hilfsaktion für die Tsunami-Opfer gestartet hat, begründet Pressesprecher Alexander Zinn mit dem "fehlenden Homobezug". Auch habe man "für so etwas keine Kapazitäten". Immerhin, ergänzt LSVD-Geschäftsführer Klaus Jetz, sei auf die Verbandshomepage doch ein Spendenbanner gesetzt worden. Damit sind die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) die einzige große deutsche Homo-Organisation, die ihre Mitglieder und Freunde zur direkten Hilfe aufgerufen hat.
Keine Kapazitäten? In den USA müssen sich die Schwulen- und Lesbenverbände mit weitaus stärkeren Gegnern herumschlagen als der LSVD in Deutschland. Fehlender "Homobezug"? Über eine solche Frage ist Jeff Cotter, der Gründer des Rainbow World Fund (RWF), richtig empört: "Unsere Aktion macht für alle sichtbar, dass Schwule und Lesben keine egoistischen Ghettobewohner sind, sondern sozial für alle Bedürftigen engagiert." Die sexuelle Identität der Opfer spiele keine Rolle. Wer freilich danach sucht, findet selbstverständlich auch schwule und lesbische Betroffene der Flutkatastrophe. Allein die nationale Homo-Organisation von Sri Lanka "Companions on a Journey" hat 36 tote Mitglieder zu beklagen, so deren Geschäftsführer Sherman de Rose.
In San Francisco war es anfangs nicht unumstritten, ob man aus der Tsunami-Katastrophe schwulen- und lesbenpolitisches Kapital schlagen dürfe, "Warum sollen wir unsere Identität verschweigen? Alle anderen sagen doch auch, wie viel sie gespendet haben", ließ sich Eventmanagerin Audrey Joseph überzeugen, die nun die Benefizparty mitorganisiert. Ihr Wunsch: "Der Pink Dollar soll in der ganzen Welt für menschenfreundliche Solidarität stehen."
"Wenn wir Schwule und Lesben gleiche Rechte erreichen wollen, brauchen wir die Unterstützung der Öffentlichkeit", argumentiert RWF-Gründer Jeff Cotter. "Dafür müssen wir den Menschen zeigen, dass wir mehr als Sex, Drogen und Konsum im Kopf haben." Der Sozialarbeiter Cotter hat den Rainbow World Fund bereits im Jahr gegründet. Seitdem wurden zahlreiche Projekte in aller Welt gegen Hunger, für sauberes Trinkwasser, für die Opfer von Landminen und in der Aids-Arbeit unterstützt. Die Flutkatastrophe brachte der Stiftung erstmals eine größere Aufmerksamkeit auch außerhalb der Szene. Von den nationalen Hilfsorganisationen in den USA werde der RWF nun als Partner anerkannt, sagt Cotter stolz.
Natürlich haben auch Tausende Schwule und Lesben in Deutschland Gelder auf die Hilfskonten überwiesen, in einigen Szenekneipen wurden Spendendosen aufgestellt, sehr rührig waren auch die "Thailandfreunde" auf dem schwulen Datingportal gayromeo. Doch zu einer konzertierten Aktion der Community reichte es nicht. Das große Signal, hätten Deutschlands Schwule und Lesben einige Hunderttausend Euro für Menschen bereitgestellt, die schlichtweg ums Überleben kämpfen, in deren Alltag eine homosexuelle Identität keine Rolle spielt, dieses Signal blieb aus.
2. Februar 2005
Links zum Thema:
» Webseite des Rainbow World Fund
» Webseite der Benefizparty










Wer im Glashaus sitzt sollte besser ....