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Verhandlungstag in Washington
USA: Supreme Court wie erwartet gespalten

Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich LGBT-Aktivisten und Gegner der Ehe-Öffnung versammelt
- 28. April 2015 3 Min.
Das höchste US-Gericht muss entscheiden, ob homosexuellen Paaren ein Recht auf Eheschließung zusteht. Wie erwartet, scheint alles von einem Richter abzuhängen.
Es ist der Prozess, der zum Schlusswort führen könnte im jahrelangen juristischen und politischen Tauziehen um die Ehe-Öffnung im Amerika. Am Dienstag hat der Oberste Gerichtshof der USA zweieinhalb Stunden lang über Verbote der gleichgeschlechtlichen Ehe in vier Bundesstaaten beraten – im Juni könnte ein Grundsatzurteil folgen.
Während 37 Bundesstaaten inzwischen die Ehe geöffnet haben, hatte sich der Supreme Court bislang um eine höchst politische Entscheidung zu dem noch immer umkämpften Thema gedrückt: Er ließ zwar manche Ehe-Öffnung bestehen oder in Kraft treten, indem er zumeist vorgelegte Verfahren aus formellen Gründen einfach nicht annahm. Doch die Frage, ob schwule und lesbische Paare durch die Verfassung ein Anrecht auf Heirat haben, klärten die Höchstrichter bislang nicht selbst.
Ein Signal hatte der Supreme Court freilich vor zwei Jahren gegeben, als er mit fünf zu vier Stimmen das bundesweite "Gesetz zum Schutz der Ehe" (DOMA) wegen Verfassungswidrigkeit außer Kraft setzte (queer.de berichtete). Es hatte Bundesbehörden verboten, gleichgeschlechtliche Ehen aus den Bundesstaaten anzuerkennen. Gleichzeitig erlaubte das Gericht auch Kalifornien die durch ein Bürgerbegehren und Prozesse jahrelang aufgehaltene Ehe-Öffnung, allerdings wieder aus formellen Gründen.
Erste Entscheidung in der Sache

Vier Richter des US-Höchstsgerichts gelten als konservativ, vier als liberal. Bleibt einer übrig, um viele Fälle zu entscheiden.
In den nun vorliegenden Fällen geht es nun erstmals um die in den Bundesstaaten gültigen Verbote der gleichgeschlechtlichen Ehe selbst: Um Regelungen aus Michigan, Ohio, Kentucky und Tennessee, die durch Bürger- oder Parlamentsentscheide zustande gekommen waren.
Ein Bundesgericht hatte diese Verbote im letzten Jahr aufgehoben – wie damals auch andere Bundesgerichte zu anderen Bundesstaaten mit Verweis auf die DOMA-Entscheidung des Supreme Court. Doch das sechste US-Bundesberufungsgericht in Cincinnati hatte die Aufhebung zu den vier Staaten wieder aufgehoben. Dann griff der Supreme Court zu.
Alle Augen auf Kennedy
In der Verhandlung am Dienstag, kurz unterbrochen von einem homophoben Störer, zeigte sich das Gericht gespalten. Die vier "konservativen" Richter fragten etwa, ob man nicht auch Bigamie erlauben müsse oder ob ein verfassungsrechtliches Gebot zur Gleichstellung im Eherecht Auswirkungen auf kirchliche Trauungen hätte – oft gehörte Pseudoargumente, die man längst für widerlegt oder unsachlich hielt.
Vor allem auf Anthony Kennedy richteten sich die Augen der Prozessvertreter, der Richter gilt bei vielen Entscheidungen nach "Parteilinie" als Zünglein an der Waage. Der 78-Jährige schockte erst mit Ausführungen, wonach die Ehe seit Jahrtausenden als Verbindung von Mann und Frau definiert sei. Auch andere Richter fragten, ob ein Gericht das letzte Wort bei einer ohnehin sich schnell wandelnden gesellschaftlichen Frage haben sollte.
Später äußerte Kennedy zugleich Zweifel, ob man homosexuelle Paare von der "noblen und heiligen" Institution der Ehe wirklich ausschließen dürfe. Im DOMA-Verfahren hatte er die Würde der homosexuellen Paare sowie die rechtliche Absicherung ihrer Kinder betont.
Ausschlaggebend war damals aber sein Gedanke, dass der Bund Entscheidungen der Bundesstaaten respektieren müsse. Um eine ähnliche Frage ging es auch in der Verhandlung am Dienstag: Neben der Frage, ob Staaten die Ehe erlauben müssen, haben die Richter auch zu klären, ob sie Ehen aus den anderen Bundesstaaten anerkennen müssen.
In diesem Verhandlungsteil gab es kaum Fragen der Richter. Ob sie davon ausgehen, dass eine Entscheidung zur Ehe-Öffnung weitere Fragen erledigt?
Konflikt in der Gesellschaft geht zunächst weiter

Die wahrscheinliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, zeigte am Dienstag auch Flagge
Nach der Verhandlung zeigten sich die meisten LGBT-Aktivisten vorsichtig zuversichtlich, dass das Gericht ein Grundsatzurteil pro Ehe-Öffnung fällen wird; mit der Entscheidung wird im Juni gerechnet.
Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich während der Verhandlung tausende Befürworter und Gegner der Ehe-Öffnung versammelt. Es scheint unwahrscheinlich, dass der gesellschaftliche Konflikt durch die Richter befriedigt wird. Zuletzt hatte er begonnen, sich auf andere Fragen zu verlegen: Ob christliche Konditoreien homosexuellen Paaren etwa einen Hochzeitskuchen backen müssen. Ob das nur Rückzugsgefechte sind, muss sich noch zeigen.













