Die Experten-Runde im Schwulen Museum* (v.l.n.r.): Jörg Andreas (Mitbegründer Cazzo Film), Goodyn Green (Fotografin und Künstlerin), KAy Garnellen (Performance-Künstler und Queer-Aktivist), Christian Slaughter (Wurstfilm), Manuela Kay ("Airport", Herausgeberin von "Siegessäule" und "L-Mag") (Bild: Schwules Museum*)
Zum Ausklang der Ausstellung "Porn That Way" wurde im Schwulen Museum* über den beklagenswerten Zustand einer einst blühenden Branche diskutiert.
Von Sabrina Gettinger
Obwohl sich in den Medien hartnäckig das Gerücht vom großen Geld im Pornobusiness hält, sieht die Realität anders aus, zumindest in Deutschland. Erschwerte Absatzmöglichkeiten, mangelndes Interesse an Nischenpornos im Lesben-, Schwulen- und Trans*-Bereich und Eigenproduktionen auf Youporn & Co. machen eine kommerzielle Pornoindustrie beinahe unmöglich.
Auch die Darstellerinnen und Darsteller "wachsen nicht auf Bäumen", weiß Fotografin und Künstlerin Goodyn Green, die ihre lesbischen Pornodarstellerinnen mittlerweile aus dem Freundeskreis rekrutieren muss, am vergangenen Montag im Schwulen Museum* Berlin zu berichten. "Wenn man jedoch immer wieder die gleichen Gesichter sieht, finde ich das ermüdend", kommentiert Manuela Kay, Regisseurin des lesbischen Klassikers "Airport" und Kuratorin beim Pornfilmfestival Berlin. Sie kennt die Erfahrung allerdings auch, dass man im Lesben-Porno auf Freundinnen zurückgreifen muss, weil es keine Darstellerinnen gibt.
Die Expertenrunde zum Abschluss der Ausstellung "Porn That Way", zusätzlich bestehend aus Christian Slaughter von Wurstfilm, Jörg Andreas von Cazzo sowie Performance-Künstler und Queer-Aktivist KAy Garnellen, scheint sich in einem Punkt einig zu sein: Das große Geld lässt sich mit deutschem Porno nicht (mehr) machen. "Wir hatten Visionen, die wir umsetzen wollten. Keiner von uns hat angefangen, Pornos zu drehen, um reich zu werden", so Manuela Kay.
Schwuler Porno-Boom nach dem Fall der Mauer
Ficken auf der S-Bahnbrücke: Szene aus der Cazzo-Produktion "Berlin Bonking Bastards" (Bild: Cazzo)
Diese Visionen realisierte man vor allem nach 1989, als Berlin zu einem kleinen Epizentrum des Schwulen-Pornos avancierte. Cazzo-Mitbegründer Jörg Andreas macht das "Nachwendegefühl" für diese neue Berliner Pornoszene verantwortlich. Inspiriert von der Club-und Technoszene, trieb viele die Neugier auf sexuelle Selbstentfaltung in das Berliner Pornobusiness.
In weitaus kleinerem Ausmaß wurden zu dieser Zeit auch zunehmend Lesben- und Trans*Pornos produziert. Allerdings ohne die Unterstützung von Labels oder großen Produktionsfirmen. Hier ging es nicht um Geld, sondern um die Erfahrung und den sexuell-künstlerischen Ausdruck.
Für Manuela Kay war in den 1980er Jahren jedoch nicht Berlin, sondern San Francisco das Mekka der Queer-Bewegung. Beinahe bestürzt war sie daher, als ihr Film "Airport" wiedererwartend großen Anklang in den USA fand, weil er so "sexy deutsch" aussah. Kay, die eigentlich versuchte, amerikanischen Vorbildern nachzueifern, anstatt etwas "eigenes Berlinerisches" zu kreieren, wird nun gerade wegen diesem, ihr beinahe verpönten, "Berlin Look" im Ausland gefeiert. "In den USA war Deutsch ein Fetisch", so Kay. Das bestätigt auch Jörg Andreas mit Bezug auf die Cazzo-Filme.
Im Ausland kam der deutsche Porno damals also gut an, schwule Pornofirmen wie Cazzo oder Wurstfilm konnten sich bis 2006 mit DVD-Verkäufen erfolgreich über Wasser halten. Danach ging es mit der Industrie schleichend bergab, "wenn man überhaupt von einer Industrie sprechen kann", so Slaughter.
Im Gegensatz zu der amerikanischen Szene hat sich Porno in Deutschland nie zu einer besonders großen und gewinnbringenden Industrie entwickeln können, da gesetzliche Vorschriften den Vertrieb und die Werbemöglichkeiten einschränkten. Vor allem das Jugendschutzgesetz macht es in Deutschland unmöglich, Pornos zu bewerben. In Punkto Marketing haben die Amis uns einiges voraus und der deutsche Porno scheint mittlerweile am Ende. Sowohl Wurstfilm als auch Cazzo haben die Produktion eingestellt.
Der "Exotenfaktor" des Lesben- und Trans*-Pornos
Manuela Kays Film "Airport" galt 1994 als "Deutschlands erster Lesbenporno"
Der viel kleinere Lesben- und Trans*Bereich ist noch viel weniger ein Geschäft, sondern eher eine Chance, "unterschiedliche Körper und Sexualitäten zu zeigen", so KAy Garnellen. Hier finden sich demnach viele Künstler, die Pornofilme ausschließlich für Festivals produzieren. Manuela Kay erklärt, dass der "Exotenfaktor", den Lesben- und Trans*-Pornos für sich einnehmen, der Grund ist, warum vor allem diese auf Festivals gezeigt werden, wohingegen Schwulen-Pornos oft schon als "zu normal" gelten.
Schwulen-Pornos – besonders die der Kategorie "Romantic Porn" à la CockyBoys – finden zurzeit allerdings reißenden Absatz bei heterosexuellen Frauen, die sogar bereit sind, Geld auszugeben, auch für die teuren DVDs. In Zeiten von freizugänglichen Online-Pornos ist das eher ungewöhnlich.
Der künstlerische Anspruch von Manuela Kay ist es jedoch nicht, "heterosexuelle Hausfrauen glücklich zu machen". Auch wenn sie selbst sagt, dass Lesben ebenfalls gern Schwulen-Porno schauen: "Das ist wie Tierfilme, man staunt, was die da so treiben. Und amüsiert sich".
Sind die bevorzugten Porno-Konsumierenden der Zukunft also eher Festivalgänger, die besonderen Wert auf künstlerische Ästhetik legen, und sexuelle Lust "wie in den Siebzigern" in sozialer Runde erleben wollen? Auf alle Fälle ist die kommerzielle Pornoindustrie in Berlin am Ende, meinten die Fachleute im Gespräch mit Kurator Dr. Kevin Clarke.
Doch Chancen entstehen durch neue Trends, Laienproduktionen oder Veranstaltungen, wie zum Beispiel dem Berliner Pornfilmfestival, das alljährlich im Oktober stattfindet. "Mit dem Pornfestival verkörpern wir das, was sich die meisten Leute heutzutage unter Berlin vorstellen. Wir sind quasi der Inbegriff von 'Arm aber sexy'."
Neue Möglichkeiten ergeben sich auch aus einer feministischen und Frauenperspektive. "Frauen vor der Kamera wechseln nun hinter die Kamera und übernehmen die Kontrolle. Das Einzige was bergab geht, sind die Kohle-Sachen", sagt Kay. Porno wird jetzt also wieder als Hobby, Mission und Kunst begriffen und kehrt zurück in seinen sozialen Kontext.
Und im schwulen Bereich haben in Berlin die großen US-Firmen das Ruder übernommen, die hier filmen, weil Locations und Hotels so schön billig sind und deutsche Männer angeblich so versaut.
Infos zur Ausstellung
Porn That Way. Nur noch bis 17. Mai 2015 im Schwulen Museum*, Lützowstraße 73, Berlin-Tiergarten. Öffnungszeiten: So, Mo, Mi, Do, Fr 14-18 Uhr, Sa 14-19 Uhr, Di geschlossen. Eintritt erst ab 18 Jahren.
Getreu dem Sprichwort "Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite des Zaunes" versuchen viele Deutsche, sich amerikanischer als die Amerikaner zu geben. Und für die schwulen Amerikaner war und ist alles Deutsche interessant.
Die Deutsche sollten zu ihrem Deutschsein stehen, auch in Pornofilmen.