Dieser "gute Rat am Sonntag" ging nach hinten los
In einer neuen Stellungnahme verzichtet der Verlag auf Relativierungen – und beendet die Zusammenarbeit mit der Frau, die Kinder von einer Homo-Hochzeit fernhalten wollte.
Von Norbert Blech
Nach zwei Tagen Dauer-Shitstorm hat die Redaktion des Westfalen-Blatts in Bielefeld am Mittwoch nun doch eingesehen, dass sie eventuell etwas falsch gemacht haben könnte. Am Wochenende waren in Sonntags-Anzeigenblättern des Verlags zwei Varianten einer Kolumne erschienen, in der eine Diplom-Psychologin einem Mann riet, seine sechs- und achtjährigen Kinder nicht auf die "Hochzeit" seines schwulen Bruders mitzunehmen (queer.de berichtete).
"Der Artikel der freien Autorin Barbara Eggert in der Sonntagszeitung 'OWL am Sonntag' vom 17. Mai hätte so in keinem Fall erscheinen dürfen", schrieb nun Redaktionsleiter Ulrich Windolph. Er sei mit der Redaktionsleitung nicht abgestimmt gewesen und die Verlagsgruppe distanziere sich von seinem Inhalt.
Die Redaktion trage "die volle Verantwortung für diese sehr gravierende journalistische Fehlleistung", für die man um Entschuldigung bitte. "Frau Eggert wird fortan nicht mehr für uns schreiben, wir werden ihre Kolumne beenden."
"Verwirrte" Kinder
Am Vortag hatte Windolph sich in einer ersten Stellungnahme noch gewunden und die Beratungs-Kolumne verteidigt (queer.de berichtete). In ihr hatte ein Familienvater von der drohenden Verpartnerung seines Bruders berichtet und geschrieben, dass er die Ehe als Verbindung von Mann und Frau ansehe und nicht wolle, dass sich seine Töchter mit dem Thema sexuelle Orientierung befassten.
Unter dem Titel "Unsere Töchter schützen" hatte Eggert zunächst den Bruder kritisiert ("Es muss nicht sein, sechs- und achtjährige Kinder einzuladen"), um dann die Sorgen des Vaters weiterzuspinnen: Der Vater solle seinem Bruder sagen, dass er nicht möchte, dass die Kinder "durcheinandergebracht" und "verwirrt" würden: "Ihre Töchter werden sich noch früh genug mit dem Thema Sexualität befassen."
"Legitime" besorgte Eltern
Nachdem queer.de am Montag über die Kolumne berichtet hatte, wuchs die Empörung in sozialen Netzwerken, am Dienstag stiegen viele Mainstream-Medien in die Kritik ein.
In seiner ersten Stellungnahme hatte Windolph zwar um Verzeihung gebeten, falls sich jemand verletzt gefühlt habe. Dann hatte er aber um Verständnis für die Kolumnisten gebeten, die gezielt auf die Sorgen des Vaters eingegangen sei (queer.de berichtete). Diese seien "legitim"; nicht auf sie einzugehen, würde mir intolerant erscheinen", schrieb Windolph. Damit hatte er freilich die Kritik an dem Artikel nicht beendet, sondern sich selbst zum Ziel weiterer Kritik gemacht.
Mit der neuerlichen Entschuldigung ist die Sache noch nicht ausgestanden: Mehrere Privatpersonen und der Cologne Pride haben wegen der Kolumne Beschwerde beim Presserat eingereicht. Der Bielefelder CSD hatte einen anderen Weg eingeschlagen und die Redaktion zum CSD am 20. Juni eingeladen. Dort könnte sie sich ein Bild von der alltäglichen Diskriminierung von LGBT machen, die sich noch immer für "ihr Dasein und ihre Liebe rechtfertigen" müssten, so der CSD. "Kein Wunder, wenn ein meinungsbildendes Medium menschenverachtende Zeilen druckt."