Die Kurzfassung der Kolumne, die das halbe Netz empörte
In einem Interview mit der SZ meint Barbara Eggert, ihr Text sei nicht homophob. Derweil ist für Samstag ein Protest vor dem Verlag in Bielefeld geplant.
Von Norbert Blech
Fünf Tage nach der Veröffentlichung einer homophoben Kolumne im Anzeigenblatt "OWL am Sonntag" kommt die Angelegenheit weiter nicht zur Ruhe. Am Freitag sagte die Autorin, die Kinder von einer Homo-"Hochzeit" fernhalten wollte, der "Süddeutschen Zeitung" in einem Interview, sie könne "nichts Homophobes an meinem Text finden".
Die 64-Jährige war wie die Unternehmensgruppe Westfalen-Blatt, zu der die Sonntagszeitung gehört, nach Bekanntwerden der Kolumne in einen Shitstorm geraten, der nach einer ersten uneinsichtigen Erklärung des Verlags noch schlimmer wurde. Am Mittwoch teilte schließlich die Redaktion mit, auf weitere Kolumnen von Eggert zu verzichten.
"Mir geht es nicht gut", sagte Eggert dazu der SZ. Und zeigte sich weiter uneinsichtig: "Ich kann die Aufregung und die Reaktionen auf die Kolumne nicht nachvollziehen. Ich bin der Meinung, dass der Text weder mit Homosexualität noch mit Homophobie etwas zu tun hat."
Keine Kinder "korrigieren"
Die diplomierte Soziologin war in dem kurzen Ratschlag auf einen Vater eingegangen, der seine sechs- und achtjährigen Töchter nicht zur "Hochzeit" seines Bruders schicken wollte. Zum einen habe er diese nicht aufgeklärt, zum anderen sei er der Meinung, dass eine Ehe Mann und Frau vorbehalten sein sollte.
Unter der Überschrift "Töchter schützen" hatte Eggert ihm geantwortet, dass es nicht sein müsse, "sechs- und achtjährige Kinder einzuladen". Diese könnten "durcheinandergebracht" und "verwirrt" werden: "Ihre Töchter werden sich noch früh genug mit dem Thema Sexualität befassen".
Die Ansicht, dass die Hochzeit zweier Männer etwas mit Sexualität zu tun habe, wiederholte Eggert in der SZ: "Es ging in dieser Situation darum, die Kinder vor der Auseinandersetzung mit Sexualität zu schützen, nicht etwa vor homosexuellen Männern. Der Vater hat versäumt, die Kinder entsprechend aufzuklären."
Weiter sagte sie: "Der Text richtet sich nicht mit einem einzigen Satz gegen Homosexuelle. Es geht um die Frage, ob zwei konservativ erzogene Kinder, sechs und acht Jahre alt, die ein traditionelles Familienbild im Kopf haben, korrigiert werden sollen. Wenn ein Vater dazu gezwungen wird, kann das doch nicht gut sein!"
Die Überschrift habe nicht von ihr gestammt, verteidigte sie sich noch, ansonsten seien zwei Textstellen gestrichen worden. Vom Ende ihrer Kolumne habe sie erst aus Medien erfahren. Eggert beklagte ein "Diktat von Facebook und Twitter" durch eine "pöbelnde Gruppe" – was sich in dem Fall allgemein auf Online-Kommentatoren zu beziehen schien, nicht auf Schwule. Zugleich beklagte sie aber auch, dass jemand wie Andreas Gabalier "ausgepfiffen und beschimpft" werde für die Aussage, dass er als Mann eine Frau liebe.
Ging der Shitstorm zu weit?
Inzwischen hat auch eine Gegenbewegung gegen den Shitstorm gegen Eggert begonnen, angeführt natürlich von rechten Hassseiten wie "Freie Welt" und "Politically Incorrect", die ein Ende der traditionellen Familie und ein Ende der Meinungs- und Pressefreiheit beklagen.
Aber auch einige Mainstreammedien kritisieren inzwischen einen aus ihrer Sicht überzogenen Shitstorm, den sie teilweise mit angefeuert haben. Sie übersehen dabei vielleicht, dass sich die Kolumne in ihrer Kürze und Dummheit bemerkenswert gut für eine im Netz oft hysterische Empörungswelle eignete. Manche Dinge schaukeln sich extrem auf; andere, wichigere leider nicht immer. Vehemenz und Auswüchse des Shitstorms ändern aber nicht seine Grundlage.
Die Kritik übersieht auch, wie die erste Stellungnahme der Redaktion die Sache verschlimmerte; eine durchdachte, vor allem glaubhafte Entschuldigung hätte die Kritik befriedigen können. Überraschenderweise griff am Donnerstag auch das "Bildblog" in die Debatte moderierend ein und erwähnte vermeintlich verteidigende Stellen des Textes: Der in der Langfassung der Kolumne enthaltene Satz "Andere Kinder mögen vielleicht liberaler aufgewachsen sein, Ihre Töchter sind anders erzogen" stelle die Sache "ein Stück weit differenzierter" dar.
So ganz klar ist nicht, inwieweit das die Sache besser machen soll: Ob die Frau eigene Homophobie verbreitet oder der Homophobie anderer Recht gibt, macht keinen großen Unterschied. Es ist ein schlechter und auch homophober Rat, eine Hochzeit zweier Männer als etwas Sexuelles einzuschätzen. Und in beiden Fassungen der Kolumne steht dieser Satz: "Bei allem Respekt, es muss nicht sein, sechs- und achtjährige Kinder einzuladen." Der Satz richtet sich nicht an den Vater, sondern an das schwule Paar. Er stellt ihre Hochzeit als Überforderung von Kindern dar und ist schlicht eine Unverschämtheit. Eggert hat diesen Text als Expertin verfasst, nicht als Privatperson; zumindest heftigen Widerspruch wird sie aushalten müssen.
Aktion in Bielefeld
Derweil hat der Bielefelder CSD dazu aufgerufen, einem Protestaufruf der Grünen für Samstag ab 11 Uhr vor dem Verlagsgebäude in Bielefeld zu folgen. Erstellt werden sollen dort "Fotos von gleichgeschlechtlichen Paaren, die symbolisch heiraten."
Weiter heißt es in dem Aufruf: "Es gibt keinen Platz für Homophobie und die Tolerierung und Verstärkung homophober Positionen- wie sie vom Westfalen-Blatt betrieben wurde- ist inakzeptabel." Protestaufrufe von Parteien sind allerdings nicht das beste Mittel, um bei Journalisten auf Verständnis zu treffen.
Der Verlag hat sich zwei mal entschuldigt und die Frau quasi raus geschmissen.
Wozu jetzt noch ne Demo vor dem Verlag?
Man kann auch alles etwas übertreiben. Das fällt dann wieder auf uns selber zurück.