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Lebenspartnerschaftsbereinigungsgesetz
Bundeskabinett beschließt Mini-Reform statt Ehe-Öffnung

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht sein Gesetz als einen Schritt in Richtung Gleichbehandlung, für die Opposition ist es dagegen Augenwischerei. (Bild: Wiki Commons / Raimond Spekking / CC-BY-SA-3.0)
- 27. Mai 2015 4 Min.
Während Irland die Ehe öffnet, kann sich die deutsche Bundesregierung nur zu einer Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern in wenigen Teilbereichen wie dem Heimarbeitsgesetz durchringen.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das "Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner" (PDF) auf den Weg gebracht. Es sieht vor, in rund zwei Dutzend Gesetzen neben dem Wort "Ehegatte" auch das Wort "Lebenspartner" einzufügen, etwa in der Zivilprozessordnung. Zudem erhalten nicht verpartnerte Paare nun eine Ehefähigkeitsbescheinigung, wenn sie im Ausland heiraten wollen. Der größte Teil der Reform sind redaktionelle Änderungen, die praktisch keine Auswirkungen auf das reale Leben haben.
"Die Ausdehnung zahlreicher Vorschriften auf die Lebenspartnerschaft ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur umfassenden Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft", begrüßte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nach dpa-Angaben die Entscheidung des Kabinetts. Allerdings müsse die rechtliche Gleichstellung weitergehen, forderte der Saarländer.
Beim Lesben- und Schwulenverband hält sich die Freude über das Gesetz in engen Grenzen. Man zeigte sich sogar verärgert über das "bürokratische Klein-Klein", so LSVD-Sprecher Axel Hochrein. "Wir wollen keine Sonderrechte, sondern Gleichstellung. Wir wollen nicht eine spezielle 'Homo-Ehe', sondern die Öffnung der Ehe", fasste Hochrein die Forderungen des Verbandes zusammen. Jetzt müsse "kontinuierlich Druck" gemacht werden, damit auch in Deutschland "endlich das diskriminierende Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare fällt".
Auch die Opposition kritisierte diese Mini-Gleichstellung scharf, weil sie viel zu kurz gegriffen sei: "Der Koalitionsvertrag sieht immerhin bei der Lebenspartnerschaft vor, alle Ungleichbehandlungen zu beseitigen. Davon gibt es 150 in 54 Gesetzen und [Justizminister Maas] setzt gerade mal 23 um. Viel weniger geht wirklich nicht", sagte der Grünenpolitiker Volker Beck im Vorfeld der Kabinettssitzung.
Im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2013 hatte die Regierung vereinbart: "Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen" (queer.de berichtete). Allerdings ist unklar, warum eingetragene Lebenspartner etwa in der Insolvenzordnung, der Höfeordnung oder im Heimarbeitsgesetz gleichgestellt werden, nicht aber beim Auslandszuschlag oder Sprengstoffgesetz – und auch beim Adoptionsrecht werden Lebenspartnerschaften auf Druck der Union nicht gleich behandelt, sondern müssen weiter den bürokratischen Umweg der Sukzessivadoption gehen.
Antidiskriminierungsstelle: Gesetz "riesige Enttäuschung"

ADS-Chefin Christine Lüders: Auch mit dem Gesetz fühlen sich Schwule und Lesben als Menschen zweiter Klasse
Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kritisierte den Kabinettsbeschluss: "Was die Bundesregierung heute auf den Weg gebracht hat, ist unzureichend – und für viele Menschen in Deutschland eine riesige Enttäuschung", sagte ADS-Leiterin Christine Lüders. "In Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Spanien, Portugal, Schweden oder zuletzt Irland ist die Öffnung der Ehe Realität. Schwule und Lesben dürfen bei uns nicht das Gefühl haben, im europäischen Vergleich Menschen zweiter Klasse zu sein."
Lüders hatte bereits am Wochenende angeregt, dass der Bundestag über die Ehe-Öffnung einfach ohne Fraktionszwang abstimmen sollte (queer.de berichtete). Die Union hat aber mit Verweis auf den Koalitionsvertrag eine freie Abstimmung bereits abgelehnt.
Für viele Abgeordnete in der Union ist mit dem Lebenspartnerschaftsbereinigungsgesetz der Koalitionsvertrag in der Frage der Gleichstellung eingetragener Lebenspartner ohnehin bereits erfüllt worden: "Weitere Schritte sind – jedenfalls für diese Legislaturperiode – nicht geplant. Wir haben einen Koalitionsvertrag", erklärte CDU-Vize Thomas Strobl im SWR. Eine Ehe-Öffnung wäre dann frühestens in der neuen Legislaturperiode nach 2017 möglich.
Umdenken in Teilen der Union

Dagmar Wöhrl (CSU) fordert die volle Gleichstellung
Es gibt allerdings auch ein Umdenken in Teilen der Union. So hatte der CDU-Abgeordnete Kai Wegner, der Großstadtbeauftragte der Unionsfraktion, bereits vor zwei Wochen die Öffnung der Ehe gefordert (queer.de berichtete). Der schwule CSU-Politiker Bernd Fabritius regte im "Münchner Merkur" einen Kompromiss an, indem ein Gesetz nur die Zivilehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnet und das "Sakrament der kirchlichen Ehe" nicht anrühren würde.
Auch die frühere Wirtschaftstaatssekretärin Dagmar Wöhrl (CSU) griff in ihrem Blog unter der Überschrift "Mein 'Ja' zur Ehe für alle" diese Idee auf: "Während wir auf staatlicher Seite endlich eine Gleichstellung erreichen sollten, bleibt es den Kirchen natürlich überlassen, wie sie mit diesem Thema künftig umgehen". Wie Fabritius spricht sich die Nürnberger Bundestagsabgeordnete für eine Parlamentsabstimmung ohne Fraktionszwang aus, allerdings lässt sie in dem Eintrag offen, ob sie die Ehe-Öffnung anstrebt oder ein formal gleichberechtigtes Institut mit anderem Namen.
Ein ähnliches Mini-"Bereinigungsgesetz" wurde bereits 2012 in der schwarz-gelben Koalition von der damaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erarbeitet (queer.de berichtete). Es hat allerdings nie das Kabinett oder gar den Bundestag erreicht. (dk)

Das rot-rot-grüne Kabinett beschloss nach einem Bericht der Thüringer Landeszeitung, eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes zu erarbeiten.
Ziel sei eine völlige Gleichstellung von homosexuellen Paaren bei der Eheschließung. "Wir brauchen keine halben Lösungen, sondern eine klare Regelung im Grundgesetz", sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow demnach.
Die Gesellschaft sei längst weiter als die Politik, und die Ehe müsse für alle geöffnet werden."
www.zeit.de/politik/deutschland/2015-05/gleichgeschlechtlich
e-ehe-gleichstellung-homosexualitaet