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Debatte um Ehe für alle
Strafanzeige und Aufrufe zur Entschuldigung gegen Kramp-Karrenbauer

Mit ihrem Interview mit der "Saarbrücker Zeitung" ist Annegret Kramp-Karrenbauer vielen zu weit gegangen
- 03. Juni 2015 4 Min.
Der Generalsekretär der Saar-CDU verteidigt hingegen die Äußerung der Ministerpräsidentin, die Öffnung der Ehe führe zu Forderungen nach einer Ehe unter Verwandten oder mehreren Personen.
Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer ist mit ablehenden Äußerungen zu einer Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare in Kritik geraten. Der "Saarbrücker Zeitung" hatte sie am Dienstag gesagt, wenn man die Ehe-Definition auf gleichgeschlechtliche Paare ausweite, seien "andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen" (queer.de berichtete).
Zur weiteren Betonung des Gedankens hatte das Mitglied des Präsidiums der Bundes-CDU noch angefügt: "Wollen wir das wirklich?" Der Spruch hatte für einige Empörung in sozialen Netzwerken und Medien gefordert, inzwischen haben die ersten Politiker eine Entschuldigung gefordert.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs kritisierte, die Aussagen zeugten "nicht nur von mangelndem Eherechtsverständnis, sondern beleidigen das Selbstverständnis lesbischer und schwuler Paare aufs Übelste." Wer angesichts der gebotenen Öffnung der Ehe "vor Inzucht und Vielehe" warne, begebe "sich in zutiefst homophobe und menschenfeindliche Fahrwasser" und verlasse den politisch statthaften Diskurs, so Kahrs. "Ich fordere Frau Kramp-Karrenbauer auf, ihre Aussagen zurückzunehmen und sich bei den Bürgern und Bürgerinnen des Landes zu entschuldigen." Auch SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi kritisierte die Aussagen als "Schlag ins Gesicht Hunderttausender gleichgeschlechtlicher Partnerschaften".
Aufrufe zur Sachlichkeit
Eine Entschuldigung Kramp-Karrenbauers forderte auch FDP-Generalsekretärin Nicola Beer: "Die Äußerungen von Frau Kramp-Karrenbauer sind eine Unverschämtheit, sie beleidigt Homosexuelle zutiefst. Ich fordere sie auf, sich für ihre Entgleisung zu entschuldigen." FDP-Vize Katja Suding unterstellte der Ministerpräsidentin "ein gefährliches Spiel mit bösen Ressentiments und Vorurteilen" sowie ein "rückwärtsgewandtes und altertümliches" Weltbild.
"Die Äußerungen aus den Reihen der Union belegen eines völlig deutlich: Die Union ist argumentativ in puncto Gleichstellung am Nullpunkt angelangt", meinte der queerpolitischen Sprecher der Linken, Harald Petzold. "Mit obskuren Statements und schrillen Tönen wird versucht, ein Horrorszenario an die Wand zu malen. Wahrscheinlich wird bald ein Unionspolitiker noch von der Sintflut reden."
Der Grünenpolitiker Volker Beck hatte die Äußerung aus dem Saarland am Morgen auch mit Humor kommentiert: "Wenn man keine Argumente hat, beschwört man absurde Folgen. Von Verwandtenaffären habe ich bislang nur in der CSU gehört und dass Legehennen vom flächendeckenden Mindestlohn profitieren, wäre mir auch neu. Deshalb sollten wir bitte wieder sachlich werden, bevor es verletzend wird."
Kritik kam auch aus der Union. Der LSU-Saar-Vorsitzende Christian Düppre meinte, die CDU dürfe "Menschen nicht verletzen": "Durch die Argumentation von Annegret Kramp-Karrenbauer fühlen sich Schwule und Lesben in die Nähe von Inzest und Polygamie gerückt. Wir denken nicht, dass die CDU-Landesvorsitzende dies ausdrücken wollte, ihre Aussagen lösen aber genau dies aus. Sie sollte sie deshalb dringend zurücknehmen!" Auch dürfe eine innerparteiliche Debatte, die gerade erst begonnen habe, nicht durch "Machtworte" beendet werden.
Auch Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) hatte Kramp-Karrenbauer aufgefordert, sachlich zu bleiben: "Sie vergleicht die Ehe unter Gleichgeschlechtlichen mit Inzest und Polygamie. Das ist diskriminierend und schürt Vorurteile. Die ohnehin sehr emotional geführte Debatte um die Homo-Ehe muss endlich sachlich geführt werden." Die Äußerungen verletzten Homosexuelle und heizten die Stimmung weiter auf.
Strafanzeige und Verteidigung
Die Berliner Rechtsanwältin Sissy Kraus hat inzwischen gar eine Strafanzeige gegen Kramp-Karrenbauer wegen Volksverhetzung und Beleidigung gestellt. Die Gleichsetzung von einer gleichgeschlechtlichen Ehe mit Inzucht und Vielehe sei "menschenverachtend" und "in ihrem Gehalt gleichzusetzen mit den ähnlich verachtenden Äußerungen 1933-1945", so die Vorständin des Berliner CSD, die in Kürze eine Lebenspartnerschaft eingehen will, in der Anzeige.
Der Generalsekretär der CDU Saar, Roland Theis, verteidigte hingegen die Ministerpräsidentin: "Es ist eine bösartige Missinterpretation, Annegret Kramp-Karrenbauer vorzuwerfen, sie setze gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit Polygamie oder Inzest gleich". Es habe sich nicht um einen Vergleich gehandelt, sondern um einen "Verweis auf die Rechtsfolgen einer Ehe für alle".
Es sei "schon erstaunlich, wie gerade diejenigen, die ansonsten am lautesten für sich Respekt und Toleranz einfordern, in dieser Debatte die Äußerungen von Annegret Kramp-Karrenbauer uminterpretieren und dadurch herabwürdigen", so Theis weiter. Dabei werde die Debatte "nirgends so vielschichtig und respektvoll geführt wird wie in der Volkspartei CDU": "Insbesondere die Frage, ob Kinder unter einem anderen Leitbild als dem der Familie mit Vater und Mutter erzogen werden sollten, treibt viele Menschen um. Diese Zweifel müssen ernstgenommen und dürfen nicht verunglimpft werden."
In dem Interview hatte Kramp-Karrenbauer eine Meldung der "Saarbrücker Zeitung" zurechtgerückt, wonach es in der CDU-Landtagsfraktion eine Mehrheit für die Öffnung der Ehe gebe. In der neuen Pressemitteilung heißt es: "Für die CDU Saar ist die Ehe nach wie vor eine Verbindung von Frau und Mann." Eine "Aufgabe des klassischen Ehebegriffs" könne "im Extremfall schwierige Abgrenzungsfälle mit sich bringen". Darauf habe Kramp-Karrenbauer hingewiesen.
Die Äußerung aus dem Saarland ist nicht die einzige umstrittene: Im Landtag Niedersachsens warnte am Mittwoch eine CDU-Abgeordnete vor einer Schulhof-Ehe (queer.de berichtete), am Dienstag Abend empörte sich Erika Steinbach über "militante Homoaktivisten" (queer.de berichtete). (nb)
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Wen wollen die verarschen? Der 1. April ist längst vorbei. Allein dass darüber noch debattiert werden muss, weist auf mangelnden Respekt hin.