Ein Hetero als letzte Homo-Hoffnung der SPD: Michael Müller trat am 11. Dezember 2014 als Regierender Bürgermeister von Berlin die Nachfolge von Klaus Wowereit an (Bild: Senatskanzlei Berlin)
Während die Berliner CDU auf Enthaltung pocht, will sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller nicht festlegen, wie er im Bundesrat zur Ehe-Öffnung abstimmen wird.
Von Micha Schulze
Eine halbe Stunde lang debattierte Berlins rot-schwarzer Senat am Dienstag über die Ehe für alle – ruhig und ohne großen Streit, aber auch ohne Ergebnis oder Beschluss.
Die SPD-Mehrheit ist für die Gleichstellung lesbisch-schwuler Paare und will deshalb im Bundesrat dafür stimmen. Die CDU-Minderheit hat dagegen noch keine Meinung und fordert deshalb eine Enthaltung Berlins in der Länderkammer. So wie es eigentlich üblich und im Koaltionsvertrag vereinbart ist, wenn sich die Regierungspartner nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen können.
Man müsse erst das Ergebnis der Mitgliederbefragung zur Ehe-Öffnung abwarten, argumentierten die CDU-Senatoren in der Sitzung. Dieses basisdemokratische Meinungsbild innerhalb der Partei hatte Landeschef Frank Henkel letzte Woche überraschend angekündigt – als erster CDU-Landesverband überhaupt (queer.de berichtete). Mit einem Ergebnis wird jedoch erst Mitte Juli gerechnet.
Müller lässt die Union zappeln
Doch die SPD und Senatschef Michael Müller wollen so lange nicht warten und lassen die Union zappeln. Der Regierende Bürgermeister habe eine klare Position und bis zum Freitag sei Zeit, das Abstimmungsverhalten Berlins im Bundesrat zu klären, ließ Senatssprecherin Daniela Augenstein nach der Senatssitzung verlautbaren.
Wenig Kompromissbereitschaft signalisierte auch der Geschäftsführende SPD-Landesvorstand. Eine Enthaltung in der Länderkammer wäre "peinlich für die Metropole Berlin". Das findet auch die Opposition aus Grünen, Linken und Piraten, die im Abgeordnetenhaus seit Tagen für die Gleichstellung trommelt – am Donnerstag wird im Plenum über die Ehe für alle debattiert. Müller solle diesen "unwürdigen Eiertanz" beenden und von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen, forderte Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop.
Für den Regierenden Bürgermeister und die Berliner SPD gibt's nun kein Zurück mehr. Wenn Michael Müller jetzt doch noch Rücksicht auf seinen unentschlossenen Juniorpartner nimmt und sich im Bundesrat enthält, verspielt er die letzte Glaubwürdigkeit der SPD zum Thema "100% Gleichstellung – nur mit uns". Zumal in der Hauptstadt eh alles darauf hindeutet, dass die Mehrheit der Berliner CDU-Mitglieder gar keine Bauchschmerzen mit der Ehe-Öffnung hat.
Eine Provokation ohne Folgen
Müller weiß: In Europas queerer Hauptstadt, so kurz vor dem schwul-lesbischen Stadtfest und dem geeinten CSD, nach der äußerst unglücklichen Performance der Bundes-SPD, nach dem irischen Referendum und nur ein gutes Jahr vor den nächsten Wahlen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die CDU vorzuführen. Mit dem schönen Nebeneffekt, der SPD gleichzeitig ein wenig Stolz zurückzugeben.
Eine Provokation, die im Übrigen folgenlos bleiben dürfte: Die Union wäre äußerst schlecht beraten, die Koalition wegen dieses "Klamauks" (O-Ton CDU-Generalsekretär Kai Wegner in einem "taz"-Interview) aufzukündigen. Und auch die politische Aufregung dürfte deutlich geringer ausfallen als 2002 bei Brandenburgs Ja zum Zuwanderungsgesetz gegen den erklärten Willen des schwarzen Koalitionspartners – schließlich kommt es am Freitag im Bundesrat auf die Stimme Berlins nicht an.
Für den noch immer blassen Müller bietet sich zudem die große Chance, sich von seinem übergroßen Vorgänger Klaus Wowereit zu emanzipieren und den Regierenden Partymeister politisch in den Schatten zu stellen – vor zwei Jahren, bei der letzten Abstimmung im Bundesrat über die Ehe-Öffnung, hatte sich selbst Wowi feige enthalten (queer.de berichtete).