Anne Will diskutierte in der Nacht auf Donnerstag mit vier Gästen über das Thema "Streitfall Homo-Ehe - Bekommen wir bald irische Verhältnisse?"
Im ARD-Talk zur Ehe für alle wollte von der Union nur ein rechter Hardliner antreten. Die Debatte war dementsprechend polarisierend – und teilweise albern.
Von Dennis Klein
Eigentlich wollte Anne Will ja mit wichtigen Leuten aus der Führung der Merkel-Partei über die Ehe für alle sprechen. Gleich zu Anfang attestierte die Talkerin in ihrer Sendung, die wegen des Fußballländerspiels Deutschlands gegen die USA erst um Mitternacht begann, dass die Unionsführung auf "kollektiven Tauchgang" gegangen sei.
Daher lud sie den CSU-Polterer Thomas Goppel ein, der vor der Sendung gleichgeschlechtlichen Paaren bereits mindere Qualität attestiert hatte (queer.de berichtete). Zum bayerischen Scharfmacher gesellte sich AfD-Sprecherin Frauke Petry, die selbst vielen in der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland zu rechts ist. Politisch auf der anderen Seiten saßen SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi und der suspendierte schwule Priester Norbert Reicherts, der sich im Kölner LGBT-Zentrum "Rubicon" engagiert.
Thomas Goppel (CSU)
In der Debatte waren sich Goppel und Petry sehr nah: Beide warnten einhellig davor, dass es irgendwie schlecht fürs Kindeswohl sei, wenn Schwule und Lesben sich das Ja-Wort geben können. Priester Reicherts fragte dann, warum alle Studien das Gegenteil behaupteten und Jugendämter gerade schwulen Paaren Pflegekinder vermittelten – eine Antwort erhielt er nicht.
Petry brachte in diesem Zusammenhang das AfD-Lieblingsthema "Gender Mainstreaming" in die Runde ("Es gibt zwei biologische Geschlechter und nicht 60 wie bei Facebook") – dabei behauptete sie allen Ernstes, dass das rot-grüne Nordrhein-Westfalen Masturbation mit Zwei- und Dreijährigen propagiere.
Goppel greift schwulen Priester persönlich an
Die beiden Rechtsaußenpolitiker nahmen auch den schwulen Priester persönlich ins Visier, der sich aber tapfer schlug. Immer wenn Reicherts aus seinem Leben erzählte, zog Petry Grimassen – oder warf ihm beispielsweise vor, "Plattitüden" zu verbreiten. Goppel ließ sich sogar zur Aussage hinreißen: "Sie kommen nicht zurecht mit Ihrer eigenen Lebensweise". Reicherts stellte daraufhin fest, nicht er habe ein Problem, sondern Goppel.
Immerhin: Petry und Goppel konnten nicht unwidersprochen ihre homosexuellenfeindlichen Aussagen verteilen, was zum Teil an den anderen beiden Gästen lag, aber auch an der verbesserten Gesprächsführung von Anne Will. Hier könnte der Waldschlösschen-Appell gewirkt haben, der Redaktionen auffordert, nicht unwidersprochen homophobe Aussagen stehen zu lassen (queer.de berichtete).
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi
Die lesbische Moderatorin brachte ihre Gäste vom rechten Rand auch durch so manche Frage in die Bredouille. So wollte sie wissen, warum nicht gebärfähige oder alte Frauen heiraten dürften, wenn es bei der Ehe nur ums Kinderkriegen geht. Damit bewegte sie Petry zur Antwort: "Es ist ja nicht gesagt, dass eine Ehe Kinder hervorbringen muss" – dieselbe Petry übrigens, die im vergangenen Jahr noch von allen deutschen Paaren die Zeugung von je drei Kinder "zum Überleben des eigenen Volkes" verlangt hatte. Auch Goppels Antwort "Nein, nein, nein" auf die Frage, ob es bei der Ehe nicht auch um Liebe gehe, war aufschlussreich.
Später wurde die Vorlage von Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer aufgenommen, die unlängst davor gewarnt hatte, dass die gleichgeschlechtliche Ehe zu Inzest und Polygamie führen werde. Fahimi schlingerte bei dieser Frage ein wenig und erklärte schließlich, das Ziel ihrer Politik sei es, dass erwachsene Menschen "aus freiem Willen und ohne Schaden Dritter" so leben können sollten wie sie wollen. Die Äußerungen der saarländischen Landeschefin, die nichts mit der Ehe-Öffnung für Schwule und Lesben zu tun hätten, seien aber "empörend". Immerhin habe sich in allen anderen Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen, in dieser Frage nichts verändert.

Die Runde debattierte auch darüber, ob eine Grundgesetzänderung zur Öffnung der Ehe notwendig sei – eine Debatte, die zuletzt von der Union befeuert wurde. Goppel ist sich hier sicher – und führt ein Argument an, das bei Juristen Stirnrunzeln auslösen dürfte: Artikel 1, in dem die "Würde des Menschen" geschützt wird, stünde der Ehe für alle im Weg, weil dieser Artikel "Unterschiedlichkeit" der Menschen festlege und so die Heterosexuellen, die "normal verheiratet" seien, schütze. Auch Petry fiel wenig Erhellendes zum Thema ein: "Es ist nicht jeder Mensch gleich", sagte sie schlicht und verwies auf Frauenparkplätze.
Fahimi erklärte zwar, dass eine Grundgesetzänderung nicht notwendig sei, da auch Schwule und Lesben Ehe und Familie haben könnten. "Von mir aus können wir auch das Grundgesetz ändern, wenn es notwendig ist", fügte sie dann an. "Gesetze sind nicht in Stein gemeißelt. Wir haben doch andere Gesetze auch geändert."
Eine eher ernüchternde Sendung bei der AfD/CSU rhetorische Vollprofis in den Ring geschickt haben.
Deutschland ist in dieser Frage doch schon viel weiter man nach dieser Sendung glauben könnte.