CDU-Urgestein Heiner Geißler spricht Klartext: Wer gleichgeschlechtliche Ehen als "naturwidrig" ablehnt, müsse auch heterosexuelle Ehen zwischen 60- und 70-Jährigen in Frage stellen (Bild: Pressefoto)
Während Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler eine freie Abstimmung über die Ehe-Öffnung fordert, setzt sich die Union in Bremen und NRW zumindest für eine Gleichstellung im Adoptionsrecht ein.
Mit Heiner Geißler hat sich ein weiterer bekannter CDU-Politiker dafür ausgesprochen, die Abstimmung im Bundestag über eine Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare freizugeben. Es handele sich um eine Gewissensfrage, in der es keinen Fraktionszwang geben dürfe, sagte der 85-jährige ehemalige CDU-Generalsekretär der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".
"Die Ehe für alle ist ein wichtiges Zeichen", betonte Geißler. Die gleichgeschlechtliche Ehe tauge "natürlich nicht, wenn man sie naturrechtlich definiert als Basis für Mann und Frau, um Nachkommenschaft zu erzeugen", so der ehemalige Familienminister. Es gebe aber zahlreiche verheiratete Hetero-Paare, die gar nicht die Absicht hätten, Kinder zu zeugen. "Aber wenn die Ehe nur dann eine Ehe wäre, wenn Kinder da sein sollen, dann wäre eine Ehe zwischen 60- und 70-Jährigen ja auch naturwidrig", meinte Geißler.
Damit stellte sich Geißler indirekt hinter Europastaatssekretär Michael Roth (SPD), der für einen ähnlichen Zwischenruf am Donnerstag im Bundestag von der Union heftig kritisiert worden war. Als der CDU-Abgeordnete Helmut Brandt am Rednerpult erklärte, dass er gegen eine Öffnung der Ehe sei, weil "die klassische Ehe zwischen Mann und Frau doch dazu führt, wenn auch nicht immer leider, dass man sich fortpflanzt", rief Roth von der Regierungsbank: "Und was ist mit der Bundeskanzlerin?" (queer.de berichtete).
Mitgliederentscheidung über Ehe-Öffnung auch in der Südwest-CDU?
Die Idee eines fraktionsübergreifenden Gruppenantrags und einer freien Abstimmung über die Ehe-Öffnung im Bundestag stammt von der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), Christine Lüders (queer.de berichtete). Als erste Bundestagsabgeordnete der Union hatte sich die CSU-Polikerin Dagmar Wöhrl dieser Forderung in einer öffentlichen Stellungnahme angeschlossen (queer.de berichtete).
Unterdessen forderte der baden-württembergische Landesvorsitzende und Bundesvize der CDU-Sozialausschüsse, Christian Bäumler, einen Mitgliederentscheid in der Südwest-CDU über die Ehe für alle nach dem Vorbild in Berlin. "Viele Mitglieder der CDU an der Basis können mit der ablehnenden Haltung von CDU-Vertretern zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nichts anfangen", sagte der Sozialpolitiker aus Konstanz. "Die CDU muss diese Frage in einem Mitgliederentscheid klären."
CDU in Bremen und NRW für volles Adoptionsrecht
Gegen eine Öffnung der Ehe, aber für eine volle Gleichstellung eingetragener Lebenspartner im Adoptionsrecht sprach sich Bremens CDU-Landeschef Jörg Kastendiek aus: "Als CDU Bremen setzen wir uns dafür ein, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften der Ehe rechtlich gleichgesetzt werden", wird Kastendiek im "Weser-Report" zitiert. Bereits auf ihrem Parteitag im Mai 2013 habe sich die CDU Bremen für eine Aufhebung des Adoptionsverbotes für verpartnerte Schwule und Lesben ausgesprochen, erläuterte Pressesprecherin Rebekka Grupe auf Anfrage von queer.de. "Eine darüber hinaus gehende Ausweitung des Begriffs Ehe halten wir für nicht notwendig."
Der Landesvorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, meinte gegenüber dpa, seine Partei trete dafür ein, "alle Diskriminierungstatbestände" gegenüber eingetragenen Lebenspartnerschaften abzubauen und sie zivilrechtlich der Ehe gleichzustellen. Im neuen Grundsatzprogramm der NRW-CDU sollen eingetragene Lebenspartnerschaften erstmals als Teil der Gesellschaft anerkannt werden. (mize)