Adam Lambert gehört zu den schwulen US-Sängern, die sich rückhaltlos für die LGBT-Community engagieren. International bekannt wurde er 2009 als Zweitplatzierter in der achten Staffel von "American Idol" (Bild: Warner Music)
Auf seinem neuen Album "The Original High" singt der schwule US-Barde von Einsamkeit, Liebe und Freiheit – doch man nimmt ihm die Texte nicht wirklich ab.
Von Michael Thiele
In unserer westlichen Kultur haben sich im Laufe der Zeit bestimmte, kanonische Gefühle und mit diesen verbundene, klassische Sinnbilder und Metaphern herausgebildet. Liebe etwa ist so ein Gefühl – oder auch Einsamkeit und Freiheit.
Letztere kann etwa veranschaulicht werden, indem man aus einem Schatten heraus tritt und beginnt, man selbst zu sein. Liebe wird, wenn sie als intensiv, ja gar als gefährlich empfunden wird, zum Beispiel dadurch beschrieben, dass man jemandem überallhin folgen würde, selbst wenn es einen das Leben kosten würde. Einsamkeit schließlich überfällt einen oft im Dunkel, in der Nacht.
Zufälligerweise besingt Adam Lambert auf seinem dritten Studioalbum "The Original High" vor allem genau diesen Gefühlskatalog unter Zuhilfenahme genau dieser Musterbilder. Er fühlt Einsamkeit ("Another Lonely Night"), Liebe ("Underground") und Freiheit ("There I Said It"), also klagt er, wie sehr er sich doch die Gesellschaft eines anderen wünsche, oder er postuliert laut, dass er von nun an erwachsen sein werde. Das ist ein Problem.
Ein Album vor allem aus Phrasen und Klischees
Adam Lamberts drittes Studioalbum "The Original High" ist seit 12. Juni erhältlich
Nichts gegen diese Gefühle, die wahrscheinlich jeder kennt und die deshalb nicht umsonst immer wieder besungen, beschrieben oder bebildert werden. Doch Lamberts textliche Gestaltung dieser Empfindungen erfolgt auf so eine klischeehafte und zugleich nichtssagende Weise, dass man ernsthaft zweifelt, ob er überhaupt weiß, wovon er da singt, ob er Liebe, Freiheit oder Einsamkeit je wirklich empfunden hat. Mit anderen Worten: Die Texte auf "The Original High" kommen nur selten über das Phrasenstadium hinaus.
Diese seltenen Momente etwa finden sich in "The Light", wenn der 33-jährige US-Amerikaner über das Gefühl singt, jemand Besonderes, Außergewöhnliches zu sein. Er sei der Mond, der die Sonne reflektiere, er sei das Feuer, während die anderen der Regen seien, der ihn auszulöschen versuche. Derlei Naturlyrik ist sicher nicht nobelpreisverdächtig, aber doch ein erster Schritt weg vom vagen Einerlei. In "Lucy" verfährt er irgendwo dazwischen: Der Song handelt zwar von einem unangepassten Mädchen, besteht aber größtenteils aus Standardversen.
Nicht unproblematischer wird es beim Blick auf die musikalischen Stile, die auf "The Original High" Verwendung finden: für den Opener "Ghost Town" ein bisschen House, bei "Another Lonely Night" Elektropop, Dance-Anleihen im Titeltrack, Deep House in "The Light", Achtziger-Rock in "Lucy", R'n'B in "Rumours". Eine Verwurstung also aller derzeit angesagter, massenkompatibler Stilrichtungen. So wie Lambert jedem Gefühl ein Liedchen widmet, bekommt auch jeder Stil eins zugeteilt, und das in stets leicht verdauliche drei- bis viereinhalb Minuten gepresst.
Wer ist der Mensch Adam Lambert?
Was also bleibt nach dem Hören der elf Songs auf dem ironischerweise auch noch "The Original High" lautenden Album? Es bleibt die Frage, wer dieser originale Adam Lambert überhaupt ist. Natürlich weiß man, dass er 2009 als Zweitplatzierter in der Casting-Show "American Idol" berühmt wurde, dass er offen schwul ist, dass er eine starke Stimme hat, dass er vor allem am Anfang seiner Karriere androgyn und theatralisch auftrat, und dass er auch deshalb und das sogar sehr erfolgreich mit Queen tourt.
Aber wer der Mensch Adam Lambert ist, darüber gibt sein austauschbarer Gebrauchspop keine Auskunft.
Youtube | Adam Lambert live mit der Single "Ghost Town" in der BBC
Adam Lamberts aktueller Song "Ghost Town" ist übrigens keine Coverversion des Madonnasongs!