Botschafter aus elf Staaten und Regenbogenfamilien führten den Zurich Pride 2015 an
Mal was anderes erleben, dachte sich Micha Schulze und nahm am Samstag am CSD Zürich teil. 2016 wird er wohl wieder dabei sein.
Von Micha Schulze
Zu Gay-Pride-Veranstaltungen fahre ich seit vielen Jahren gerne ins Ausland. Um zu sehen und zu erleben: Was beschäftigt die Community vor Ort? Was macht sie anders, vielleicht sogar besser als wir in Deutschland? Und immer wieder hat mich der Mut von Aktivistinnen und Aktivisten in Ländern bewegt, in denen LGBT-Rechte noch weniger zählen als bei uns, etwa in Minsk, Kathmandu oder Hanoi.
In diesem Jahr habe ich mir mit Zürich eine weniger exotische Pride-Destination ausgesucht: Rund 10.000 Menschen marschierten am Samstag vom Helvetia- zum Werdmühleplatz und feierten anschließend trotz kühlen Wetters und eines Regenschauers auf dem Kasernenareal. Begeistert war ich trotzdem.
Hier meine zehn Gründe, warum sich eine Reise zum Zurich Pride auf jeden Fall lohnt.
Viele Menschen, aber nur wenige Bären quetschten sich am Samstag durch Zürichs Bärengasse
1. Der Empfang. Schon bei der Ankunft am Hauptbahnhof wird der Pride-Tourist von einem Meer aus Regenbogenflaggen begrüßt, und auch am idyllischen Zürichsee weht eine riesengroße Fahne der LGBT-Bewegung. Die Schweizer Metropole mit ihrer lesbischen Stadtpräsidentin Corine Mauch unterstützt den Pride nach allen Kräften. Auch das Fremdenverkehrsamt wirbt weltweit mit dem schwul-lesbischen Event – sogar ein Journalistenkollege aus L.A. wurde eingeflogen.
2. Die Stadt. Zürich ist immer einen Besuch wert. Während man in der Altstadt auf römische Spuren trifft, muss man auf sämtliche Vorzüge einer modernen Metropole nicht verzichten – inklusive einer lebendigen Szene mit kommunikativen Clubs wie dem "Heaven". Auch die Natur liegt vor der Tür. Einziges Manko: Für Zürich muss man leider etwas sparen, vor allem nach Aufhebung des Euro-Mindestkurses zu Beginn des Jahres. Sehen wir es mal positiv: Nun gibt es zumindest keine Probleme beim Umrechnen mehr…
3. Der Kreis. In der Schweiz ist Homosexualität bereits seit 1942 legal – das Land gehört damit weltweit zu den Vorreitern. Bei den spannenden Rundgängen von schwulengeschichte.ch kann man mehr über die LGBT-Geschichte Zürichs erfahren, auch über die geheime Homo-Organisation "Der Kreis", deren Geschichte von Stefan Haupt verfilmt wurde (queer.de berichtete). Das Schönste: Ernst und Röbi, den beiden Protagonisten der Halbdoku, kann man noch heute in der Szene begegnen.

4. Einer für alle. Der bzw. – wie man in der Schweiz sagt – die Zurich Pride ist der CSD der Schweiz. Während in Deutschland Lesben und Schwule selbst in Iserlohn oder Pirna eigene Festivals organisieren, setzen sich die Schweizer lieber ins Auto oder den Zug und fahren in die große Stadt. In diesem Jahr gab es in der gesamten Eidgenossenschaft nur einen weiteren Pride – im Wallis.
5. Neutral, aber nicht ignorant. Die neutrale Schweiz hat auf der weltpolitischen Bühne schon immer eine große Rolle gespielt – das zeigte sich auch auf der Demo am Samstag. Sie wurde gleich von elf ausländischen Botschaftern angeführt, darunter nicht nur US-Vertreterin Suzan G. LeVine, die eine grandiose Eröffnungsrede hielt, sondern auch Diplomaten aus Israel, Bosnien-Herzegowina und Kolumbien. Der deutsche Botschafter Otto Lampe glänzte leider durch Abwesenheit.
Auch eine Premiere: Mein erster CSD mit Pinkel-Flatrate
6. Die gleichen Sorgen. Apropos Deutschland, der Zürich Pride hat mir auch ein wenig Trost gespendet: Wir sind mit Merkels Bauchgefühl und der vorgestrigen CDU nicht allein in Europa. Die Schweizer sind von der Ehe für alle nicht nur ebenso weit entfernt wie wir Deutschen, sie müssen nun sogar ein populistisches Referendum der Christlichdemokratischen Volkspartei "gegen die Heiratsstrafe" abwehren, die in einem Nebensatz die Ehe in der Verfassung als Verbindung von Mann und Frau festschreiben will. Kopf hoch, wir stehen euch beiseite!
7. Vielfalt und Einigkeit. Die Community scheint das politische Geschehen zusammenzuschweißen. Der Zurich Pride präsentiert nicht nur die echte Vielfalt des LGBT-Spektrums, sondern auch Einigkeit. In der Demo marschieren PinkCops und Punks, Christen und Anarchos friedlich vereint. Auch vor und hinter der Bühne und selbst nach dem fünften Prosecco hat kein einziger meiner Gesprächspartner ein böses Wort über andere Aktivisten verloren. So etwas habe ich in Berlin noch nie erlebt…
8. Kinderfreundlich. Viele Kinder waren beim bunten Umzug des Zurich Pride mit ihren Eltern dabei, und das nicht nur im Block der Regenbogenfamilien. Anstatt eines LKWs mit Madonna-Beschallung kam hier eine kleine Elektro-Eisenbahn zum Einsatz, deren Waggons ausschließlich für laufmüde Kids reserviert waren. Was für eine schöne Idee!

9. International. Obwohl der Zurich Pride im europäischen Vergleich zu den kleineren CSDs gehört, ist er doch einer der internationalsten. Und das liegt nur daran, dass die Schweiz mit Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch gleich vier Landessprachen hat. Auch Englisch wurde viel geschnattert auf dem Festivalgelände des Kasernenareals – dank Besuchern aus aller Welt. Das dazu passende CSD-Motto in diesem Jahr lautete "Gleichstellung ohne Grenzen".
10. Kreativität. Last, but not least: Auf keiner anderen CSD-Demo in der ganzen Welt habe ich bislang einen Truck erleben dürfen, der als Einhorn dekoriert wurde. "Queer Power" stand dazu auf einem Transparent – eine sehr poetische Alternative zum plumpen Werbelaster von Credit Suisse…
Offenlegung: Meine Reise wurde unterstützt von Zürich Tourismus, der Fluggesellschaft SWISS und dem 25hours Hotel Zürich West.
Das war der beste Film zum Thema Homosexualität, den ich je gesehen habe!
Ich empfehle auch das Buch dazu:
www.amazon.de/Verborgene-Liebe-Geschichte-R%C3%B6bi-Ernst/dp
/3037630272/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1434879840&sr=8-1
&keywords=der+kreis+ernst+und+r%C3%B6bi+homosexualit%C3%
A4t