Ein Bild von der heutigen "Demo für alle", fotografiert von einem Vertreter der französischen Bewegung gegen die Ehe für alle, die erneut nach Stuttgart reiste
Die Initiative Familienschutz mobilisiert immer mehr Menschen mit ihren Protesten, die sich zunehmend auch gegen die Ehe-Öffnung richten. Auch in Rom und Wien gab es am Wochenende homophobe Proteste.
Rund 4.000 Menschen haben nach einer Schätzung der Polizei am Sonntag in der Stuttgarter Innenstadt gegen Schulaufklärung über Homo- und Transsexualität in Baden-Württemberg, gegen einen Aktionsplan zum Abbau von Diskriminierung von LGBT in dem Bundesland sowie allgemein gegen die Ehe für alle demonstriert.
Die "Demo für alle" aus dem Haus der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch sprach von 4.600 Teilnehmern, Gegner der Protestbewegung von maximal 2.000 – es wäre so oder so die bislang erfolgreichste von inzwischen ganzen sechs Demos in Stuttgart.
Organisiert wird der Protest offiziell von Hedwig von Beverfoerde von der Initiative Familienschutz. Laut SWR sagte sie auf der Demo: "Wir sind heute hergekommen, weil es immer schlimmer wird. Mittlerweile demonstrieren wir auch für den Erhalt der Ehe als Ehe zwischen Mann und Frau."
AfD und CDU Hand in Hand
Aus Darmstadt waren Vertreter des CSD gegen die "Demo für alle" angereist (Bild: CSD Darmstadt bei Twitter)
Neben erzkonservativen "Familien"-Verbänden aus dem Netzwerk des Ehepaars von Storchs und AfD-Anhängern mit Plakaten, auf denen das Parteilogo überklebt war, war auch die Union erneut präsent. Während CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf vorab in einem Interview Verständnis für die Demonstranten geäußert hatte, sprachen bei der Demo mehrere Vertreter von kommunalen CDU-Arbeitskreisen; die CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Bareiß und Thomas Dörflinger schickten Grußworte. Die CSU-Basisbewegung "Konservativer Aufbruch" hatte vorab mit zu dem Protest aufgerufen.
Auch der katholische Weihbischof der Diözese Rottenburg/Stuttgart, Thomas Maria Renz, hatte ein Grußwort zu dem Protest verfasst. Er war erneut auf dem Hetzportal "Politically Incorrect" beworben worden, das rechte Blatt "Junge Freiheit" warb vor Ort mit einem eigenen Wagen mit der Aufschrift "Gender mich nicht" für Probeabos.
Worum es im umstrittenen Bildungsplan wirklich geht, wird dabei immer mehr aus den Augen verloren. Auf einem Schild stand: "Gegen Folter (Elektroschocktherapie) an unseren Kindern im Stundenplan." Letztlich hat die homophobe Bewegung mit der Debatte um eine Ehe-Öffnung für schwule und lesbische Paare ohnehin ein neues Thema gefunden, unter dem Schlagwort "Ehe bleibt Ehe" (queer.de berichtete). So war auf einem großen Transparent zu lesen: "Für unsere Kinder nur das Beste: Mama & Papa". Gegen die Ehe für alle wurden Unterschriften gesammelt, eine entsprechende Online-Petition der Initiative an Angela Merkel hat inzwischen über 32.000 Unterschriften gefunden.
Wie bei früheren "Demos für alle" waren Vertreter der französischen Vorbildbewegung "Manif pour tous" vor Ort. Deren Massenproteste, an denen teilweise Hunderttausende teilnahmen, konnten zwar nicht die Ehe-Öffnung verhindern, verschärften aber das homophobe Klima und verstärkten die Zusammenarbeit im rechteren Sektor der Gesellschaft.
Elf Platzverweise, acht Anzeigen
Nach Polizeiangaben hatten sich in der Innenstadt rund 250 Gegendemonstranten eingefunden, die meisten kamen aus dem linken Spektrum und folgten einem Aufruf des Antifaschistischen Aktionsbündnisses. Der CSD und weitere örtliche Homo-Organisationen haben nach einer Kundgebung zur ersten Antibildungsplan-Demo im letzten Jahr auf weitere Gegenproteste gegen die Bewegung verzichtet.
Die Gegendemonstranten hatten am Sonntag mehrfach versucht, die "Demo für alle" zu blockieren, die mit mehreren Hundertschaften vertretene Polizei sprach elf Platzverweise aus. "Zwei Personen werden wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, vier Personen wegen Körperverletzung und zwei Person wegen Beleidung angezeigt", berichtet die Pressesetelle. "Acht Personen müssen mit Anzeigen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz rechnen."
Stuttgart wird mit der heutigen Demo nicht zur Ruhe kommen: Die Veranstalter versprachen eine weitere "Demo für alle" für den 11. Oktober.
Demos auch in Rom und Wien
Auch in Wien gab es am Wochenende einen homophoben Protest
Bereits am Samstag war es in anderen europäischen Städten zu homophoben Protesten gekommen. In Rom waren aus dem ganzen Land Zehntausende zu einem von katholischen Gruppen organisierten "Family Day" angereist, um gegen ein Adoptionsrecht und eine eingetragene Partnerschaft für Homo-Paare zu demonstrieren. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Schützen wir unsere Kinder".
In Wien hatte eine "Plattform Familie" zu einem "Marsch für die Familie" geladen, zeitgleich zur Regenbogenparade des Wiener CSD. Rund 100 Menschen aus dem klerikalen wie konservativen und rechten Sektor zogen mit Plakaten wie "Familie = Vater, Mutter, Kinder" oder "Abtreibung ist Mord" durch die Innenstadt. Die Polizei setzte Pfefferspray und Gewalt gegen Gegendemonstranten ein. An der Regenbogenparade selbst nahmen rund 100.000 Menschen teil. (nb)
Youtube | Videoeindrücke vom Protest in Rom