Demo für die Ehe-Öffnung am 12. Juni vor dem Bundestag: Kaum sind Aktivisten und Kameras weg, tritt die Länderkammer auf die Bremse (Bild: LSVD)
Im Innen- und Familienausschuss der Länderkammer wurde am Donnerstag ein konkreter Gesetzentwurf zur Ehe-Öffnung beraten – dabei mauerte auch die SPD.
Von Micha Schulze
Wir erinnern uns: Auf Druck der CDU hatte sich Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor gut zwei Wochen im Bundesrat, entgegen seinen politischen Überzeugungen, bei der Abstimmung eines Entschließungsantrags zur Ehe für alle enthalten – und sich damit den Unmut von Teilen der Community zugezogen (queer.de berichtete). Sein schwarzer Koalitionspartner hatte andernfalls sogar mit Koalitionsbruch gedroht (queer.de berichtete).
Dass die Hauptstadt-Union dagegen selbst auf eine gemeinsame Linie mit der SPD pfeift, zeigte sich am Donnerstag im Innenausschuss des Bundesrats. Dort berieten die Innenminister den konkreten Gesetzentwurf der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Thüringen (PDF), der die Öffnung der Ehe über eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches forderte – Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen schlossen sich dem Antrag an. Doch Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) stimmte zusammen mit dem CSU-regierten Bayern und dem rot-schwarzen Mecklenburg-Vorpommern mit "Nein", anstatt sich wie Müller am 12. Juni im Plenum zu enthalten. Das entsprechende Sitzungsprotokoll liegt queer.de vor.
Der Familienausschuss sieht noch "Beratungsbedarf"
Auf Initiative von Sandra Scheeres (SPD), Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft, wird der Bundesrat am 12. Juli nicht über den Gesetzentwurf zur Ehe-Öffnung abstimmen (Bild: SPD Berlin)
Zwar geben Minister und Senatoren in den Ausschüssen des Bundesrats ihre Stimme in der Regel ohne Abstimmung mit dem Koalitionspartner ab. Dennoch dürfte Henkel die politische Sprengkraft seiner Nein-Stimme nach dem Berliner Koalitionstheater bewusst sein. Nichtzuletzt führt der CDU-Landesvorsitzende die von ihm selbst initiierte bevorstehende Befragung der Parteimitglieder zur Ehe-Öffnung ad absurdum (queer.de berichtete).
Mit der rot-rot-grünen Mehrheit empfahl der Innenausschuss dennoch mit 9:3:4 Stimmen, den Gesetzentwurf zur "Ehe für alle" in den Bundesrat einzubringen – die vier Enthaltungen kamen aus dem schwarz-grünen Hessen sowie den schwarz-roten Landesregierungen von Sachsen, Sachsen-Anhalt und des Saarlands.
Eine noch größere Überraschung gab es bei der parallelen Beratung des Gesetzentwurfs im Familienausschuss der Länderkammer. Auf Antrag der Berliner Senatorin Sandra Scheeres (SPD) stimmte der Ausschuss am Donnerstag mit 13:3:0 Stimmen für eine Vertagung, weil noch "Beratungsbedarf" bestehe. Nur die drei rot-grünen Länder Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz stimmten gegen die Verzögerungstaktik. Schließlich hatte der Bundesrat bereits vor zwei Jahren einen fast identischen Gesetzentwurf beschlossen, der jedoch wegen Ablaufs der 17. Wahlperiode des Bundestags obsolet wurde.
Im Ergebnis kann nun der Gesetzentwurf bei der nächsten Bundesratssitzung am 10. Juli – der letzten vor der Sommerpause – nicht beraten und beschlossen werden. Einziger Profiteur der Verzögerung ist die schwarz-rote Bundesregierung, die das unangenehme Ehe-Thema vermutlich aus der CSD-Saison heraushalten möchte. Dazu passt: Auf der Tagesordnung wird hingegen ihr eigenes halbherziges "Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartnerschaften" (PDF) stehen (queer.de berichtete).
Jeder normale Mensch würde sagen: "Wenn die CDU sich nicht an die Koalitionsvereinbarungen hält, brauchen wir das auch nicht." Aber die SPD folgt weiterhin brav der Union.
Das ist ein weiteres Zeichen für die komplette Selbstaufgabe der SPD, die nur noch Anhängsel der Union ist.