Schwul, masochistisch, katholisch, philosophisch: In den 1990er-Jahren moderierte Hermes Phettberg 19 Folgen der "Nette Leit Show", die im ORF und auf 3sat ausgestrahlt wurde (Bild: W-Film)
Die Doku "Der Papst ist kein Jeansboy" zeigt einen durch drei Schlaganfälle geschwächten, aber noch immer genialen Hermes Phettberg.
Von Peter Fuchs
Politische Denker sagen, der Österreicher sei wie ein Punschkrapfen. Äußerlich zuckrig rosa, innen braun und mit Alkohol durchtränkt. Künstlerische Geister sehen eher in Hermes Phettberg den Inbegriff des Österreichers: schwer katholisch und leidenschaftlich masochistisch.
Im Dokumentarfilm "Der Papst ist kein Jeansboy" erzählt Phettberg von einem Traum, der mehr oder weniger zwischen diesen Themen pendelt. Nach einer Fischbulette mit zu viel Omega-3-Fettsäuren träumte er mit einer Erektion von Papst Johannes Paul II., der sich mit Joseph Ratzinger, damals Chef der Glaubenskongregation, bei einem Meeting auf "kirchenlateinisch" unterhält. Das ist schon mal schwer katholisch, aber leidenschaftlich masochistisch? Klar, wenn man bei diesen Mitwirkenden einen Steifen bekommt.
Ah, der Phettberg lebt auch noch"
Neben dem künstlerischen Aktivismus bei der "Libertinen Sadamasochismusinitiative Wien" und ähnlichen Projekten (Stichwort Verfügungspermanenz) erreichte Phettberg als Moderator des ungewöhnlichen Talks "Nette Leit Show" mit der kultigen Begrüßungsfrage "Frucade oder Eierlikör?" den höchsten Bekanntheitsgrad. Heute fragen viele, ob er denn noch lebe.
Ja, das tut er. Nach drei Schlaganfällen sichtlich schwerer, stark abgemagert, der leere Bauchsack hängt über seinen Gürtel, die Schritte klein und schlurfend. Aber er lebt und schreibt unermüdlich die Gestiones, in denen er seine Gedanken über Speisepläne, Traumsequenzen, Banales und Philosophisches zu Bergen der verspielten Wortkunst auftürmt. Noch immer macht es Spaß, diese Berge als Leser zu erklimmen.
Er schreibt als "Grundreinigung" seiner selbst und dass alle denken: "Ah, der Phettberg lebt auch noch". Allein das Sprechen fällt schwerer, wie der Film zeigt. Er sucht und ringt nach Worten. Die Wiederholung als charakteristisches Stilmittel ist geblieben ("Wahrlich, wahrlich").
Strukturiert durch schwule Kontaktanzeigen in Wiener "Logen"
Regisseur Sobo Swobodnik liefert einen Film in elegantem Schwarzweiß, zeigt Phettberg in seiner Wohnung (am Notenständer ausgedruckte Pornofotos aus dem Internet), beim Besuch von ehemaligen Groupies und heutigen Freundinnen oder beim Einkaufen. Swobodnik strukturiert die einzelnen Kapitel mit Kontaktanzeigen aus Wiener Klappen (dort vornehm Logen genannt), die so von Phettberg stammen könnten: "Schwanzlutscher gesucht, Näheres mündlich".
Als Voice-over spricht Josef Hader einprägsam die Texte Phettbergs. Passt, dass Swobodnik dafür 2012 den Max-Ophüls-Preis für den besten Dokumentarfilm bekam, schön, dass der Film jetzt auch in den deutschen Kinos zu sehen ist.
Swobodnik gelingt dabei der ehrliche Blick, ohne die Freakshow. Er macht den Mensch Phettberg sichtbar, der sich selbst nach den Schlaganfällen noch beharrlich einem konventionellen Leben verweigert. Auch verdeutlicht er Phettbergs Konsequenz, aus der Einsamkeit seiner Obsessionen zu uns zu rufen. Oder zu seinen geliebten Jeansboys, mit wunderschönen Augen und den aufgerissenen Hosen, noch feucht vom Sperma. Mal traurig, mal herzerfrischend. Mit ein wenig gutem Willen lässt sich dabei locker der Phettberg in einem selbst erkennen.
Der Film begleitet Phettberg auch beim Routinebesuch der Hausärztin. Der Blutdruck passt. Da erzählt Phettberg von der standrechtlichen Exekution des rumänischen Diktators Ceauşescu. Ihm wurde davor auch der Blutdruck gemessen. "Blutdruck sagt also gar nichts", so Phettberg at his best: Witzig, makaber und wieder ziemlich österreichisch.
Youtube | Offizieller Trailer zum Film
Infos zum Film
Der Papst ist kein Jeansboy. Dokumentarfilm. D/A 2011. Regie: Sobo Swobodnik. Mit Hermes Phettberg. Sprecher: Josef Hader. Laufzeit: 77 Minuten. Deutscher Kinostart: 2. Juli 2015