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CSD-Teilnehmer mussten am Sonntag vor Wasserwerfern und Tränengas wegrennen

  • 1. Juli 2015, 14:38h 17 3 Min.

LGBT-Aktivisten wehren sich gegen das CSD-Verbot und den Einsatz von Tränengas in Istanbul – Kritik kommt auch von deutschen Politikern. Die Linksfraktion fordert, die Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung zu beenden.

Das brutale Vorgehen der Polizei gegen den 13. CSD in Istanbul am vergangenen Wochenende hat international scharfe Kritik ausgelöst. Beamte waren mit Tränengas und Gummigeschossen auf die CSD-Teilnehmer losgegangen – ein Novum in der Geschichte des Istanbuler Pride (queer.de berichtete).

Als Grund für das Verbot der Veranstaltung hatte Gouverneur Vasip Sahin von der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP zunächst den Ramadan angegeben – allerdings war der CSD bereits wiederholt und problemlos während des islamischen Fastenmonats veranstaltet worden. Später behauptete Sahin, der CSD sei wegen Sicherheitsbedenken verboten worden. So habe es "Geheimdienstinformationen" gegeben, dass der CSD die Sicherheitslage gefährde. Als Quelle für diese Informationen nannte der Gouverneur Quellen aus "sozialen Medien und anderen Medien", die vom Geheimdienst erfasst worden seien.

Politiker der AKP haben das Vorgehen der Regionalregierung verteidigt. Die Partei von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, die seit 2002 alleine die Geschicke des Landes leitet, befindet sich allerdings gerade in einem Umbruch, nachdem sie bei der Parlamentswahl vor einem Monat erstmals die absolute Mehrheit der Sitze verfehlt hatte. Erdoğan gilt als erbitterter Gegner von LGBT-Rechten und hat in der Vergangenheit unter anderem erklärt, Homosexualität widerspreche dem Islam (queer.de berichtete).



Die CSD-Organisatoren wollen am Donnerstag eine Pressekonferenz abhalten und dabei Strafanzeigen gegen den Gouverneur, den Innenminister und den örtlichen Polizeichef vorstellen. Sie zitierten dabei die türkische Verfassung, die Versammlungs- und Redefreiheit garantiere, und werden von enigen Parteien, Gewerkschaften, weiteren Organisationen und Intellektuellen unterstützt.

Die LGBT-Organisation International Gay and Lesbian Human Rights Commission erklärte, dass das CSD-Verbot offenbar Teil einer Kampagne der Regierung ist, die zum Ziel hat, Oppositionskräfte mundtot zu machen. So hätten fünf neu gewählte Abgeordnete der oppositionellen Parteien CHP und HDP am CSD teilnehmen wollen. Diese beiden Parteien setzen sich für Minderheiten-Rechte im Parlament ein.

Deutscher Menscherechtsbeauftragter bedauert Gewalt

Kritik an dem Vorgehen der Polizei übte unter anderem der deutsche Menschenrechtsbeauftragte Christoph Strässer: "Ich bedaure das gewaltsame Auflösen der 'Pride March'-Parade in Istanbul durch die türkischen Sicherheitskräfte", erklärte der SPD-Politiker am Mittwoch. Auch weil der CSD bereits seit 13 Jahren stattfinde, nehme die Offenheit in der türkischen Bevölkerung zu. "Deshalb appelliere ich an die türkischen Behörden, sich zukünftig gemeinsam mit den Organisatoren dafür einzusetzen, dass friedliche Veranstaltungen für die Rechte von LGBTI stattfinden können", sagte Strässer diplomatisch.



Die größte Oppositionspartei im Bundestag verurteilte die Niederschlagung dagegen mit scharfen Worten und machte direkt die Regierungspartei AKP für die Gewalt verantwortlich: "Hier zeigt sich, dass die AKP nach dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit in der türkischen Nationalversammlung offenbar noch stärker auf Hetze und Gewalt gegen Minderheiten und Andersdenkende setzt", heißt es in einer Pressemitteilung der Linksfraktion vom Dienstag. Kritik äußerten auch mehrere EU-Abgeordnete in einer gemeinsamen Erklärung, darunter Terry Reintke von den deutschen Grünen, die beim Pride vor Ort war.

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LGBT-Aktivisten beklagen Verletzte

Laut Regierungsangaben soll niemand bei der Polizeiaktion gegen den CSD verletzt worden sein. Allerdings meldet die LGBT-Gruppe Kaos GL, dass "viele Menschen" behandelt werden mussten. Ein Mann sei mit einem Gummigeschoss am Auge getroffen worden. Es ist derzeit noch nicht sicher, ob er auf diesem Auge je wieder wird sehen können.



Kaos GL hat inzwischen eine ausführliche Chronik der Geschehnisse vom Sonntag erstellt. Neben den mehrstündigen Übergriffen durch die Polizei zeigt sie auch den großen Einsatz mehrerer Oppositionspolitiker. Der CHP-Abgeordnete Mahmut Tanal, der sogar auf einen Wasserwerfer geklettert war, sagte der Organisation, das Verhalten der Polizisten sei ungesetzlich gewesen.

In mehreren Städten in der Türkei und international hatte es nach den gewalttätigen Übergriffen gegen CSD-Besucher kleinere Solidaritätskundgebungen gegeben, darunter auch am Montag zwei in Berlin. (dk)

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#1 CarstenFfm
  • 01.07.2015, 17:34h
  • Perfide die Beründung mit dem Fastenmonat Ramadan.

    Erdogan scheint zu vergessen, dass die Türkei ein säkularer Staat ist, in dem weltliches Recht gilt und nicht die Sharia.


    Aber er meint ja, über dem Recht zu stehen.
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#2 Harry1972
  • 01.07.2015, 17:49hBad Oeynhausen
  • Auf jeden Fall kann das für Erdogan und seine Parteikumpels auch böse nach hinten losgehen.
    Ich hoffe mal, daß sich jetzt noch mehr Menschen solidarisieren und auf de Strasse gehen, die zuvor nichts mit der queeren Community zu tun hatten.
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#3 seb1983
  • 01.07.2015, 20:20h
  • Antwort auf #1 von CarstenFfm
  • Erdogan ist sehr bewusst dass die Türkei ein säkularer Staat ist. Um das zu ändern dienen ja solche Aktionen und der Bau hunderter neuer Moscheen und die Ausweitung von Islamschulen.
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