Marktplatz und Rathaus im idyllischen Boizenburg: An einem der Fahnenmasten weht jetzt die Regenbogenfahne (Bild: Stadt Boizenburg)
Auch in diesem Jahr klauten Unbekannte die städtische Regenbogenfahne – doch Bürgermeister Harald Jäschke ließ sich nicht einschüchtern, flaggte erneut und appellierte an alle Bürger, ihm zu folgen.
Von Micha Schulze
Das hat es in Deutschland noch nie gegeben: Ein Bürgermeister bittet die Bevölkerung öffentlich darum, ein Zeichen gegen Homophobie zu setzen. "Wir laden alle Boizenburger dazu ein, an ihren Häusern oder in ihren Gärten ebenfalls die Regenbogenfahne zu hissen, um zu zeigen, dass hier in der Mehrheit tolerante Menschen leben", erklärte Bürgermeister Harald Jäschke am Donnerstag in der "Schweriner Volkszeitung" (SVZ).
Ein ungewöhnlicher Aufruf, der einen ernsten Hintergrund hat: Denn bereits im zweiten Jahr in Folge wurde in dem nur 10.000 Einwohner zählenden Städtchen in Mecklenburg-Vorpommern die im Hafen gehisste Regenbogenfahne gestohlen – mit einem eindeutig homophoben Hintergrund. Im vergangenen Jahr ersetzten Unbekannte sie durch eine Deutschlandflagge auf Halbmast (queer.de berichtete), in diesem Jahr wurde gleich der gesamte Fahnenmast aus der Halterung gerissen und ins Hafenbecken geworfen.
Bürgermeister Jäschke: "Wir haben jedenfalls keine Angst"
Boizenburgs Bürgermeister Harald Jäschke (Bild: Stadt Boizenburg)
"Wir haben Anzeige erstattet", sagte Harald Jäschke gegenüber der "Schweriner Volkszeitung". "Mit so einer Aktion verunglimpfen die Täter eine ganze Stadt und eine ganze Region. Das müssen sehr dumme Menschen sein. Schließlich ist die Fahne ja auch ein Symbol für Aufbruch, Hoffnung und Veränderung." Die aktuelle Diskussion um die "Ehe für alle" zeige, dass es viele Ängste in der Bevölkerung gebe. "Wir haben jedenfalls keine Angst", stellte Jäschke klar.
Und so hisste der Bürgermeister am Dienstag zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten Beate Benz eine neue Regenbogenfahne in Boizenburg. Diesmal am zentralen Marktplatz, direkt vor dem Rathaus – unter den Augen der Stadtverwaltung, der Polizei, der SVZ-Lokalredaktion und der Bürger.
Allein für dieses klare Signal hat Harald Jäschke großen Respekt und unseren Homo-Orden verdient – welche andere Kleinstadt in Deutschland engagiert sich schon in diesem Maße und so unbeirrt gegen Homophobie? Sein Appell an die Bevölkerung, ebenfalls Flagge zu zeigen, ist der konsequente Schritt. Die Ausgrenzung und Diskriminierung von Lesben und Schwulen ist kein Kavaliersdelikt!
Wir rechnen auch fest mit einem bunten Boizenburg an diesem Wochenende. Denn das Wort des Stadtvaters hat Gewicht: Im vergangenen Jahr wurde Jäschke, 59 Jahre alt und parteilos, mit fast 80 Prozent der Stimmen in seine dritte Amtszeit gewählt.