Joachim Gauck veröffentlichte das Interview auf der Webseite seines Amtes (Bild: Dirk Vorderstraße, by 2.0)
In der "Irish Times" sagte der Bundespräsident, eine Gleichstellung homosexueller Paare nähme anderen nichts weg. Damit sendet er ein klares Signal an die Bundeskanzlerin.
Bundespräsident Joachim Gauck hat sich in einem Interview mit der "Irish Times" für eine "stärkere Debatte" über eine Ehe-Öffnung für Schwule und Lesben ausgesprochen.
Zwei Tage vor Beginn seines Staatsbesuchs in Irland lobte Gauck den Umgang des Landes mit der Frage: "Mich hat beeindruckt, wie ernsthaft und wie engagiert sich das irische Volk mit dieser Frage auseinandergesetzt hat." Es sei dabei "meiner Wahrnehmung nach nicht um eine Abstimmung 'gegen', sondern 'für' etwas gegangen", lobte der Bundespräsident.
Dann sprach sich Gauck so klar wie diplomatisch selbst für eine Ehe-Öffnung aus: "Aus persönlicher Erfahrung bin ich selbst für all das, was Menschen befreit und von Entfremdung löst." Daher wünsche er sich "auch für Deutschland noch stärker eine Debatte, in der bei den Menschen nicht das Gefühl überwiegt, dass ihnen mit der Gleichstellung anderer etwas genommen wird oder dies bedrohlich ist für die eigene Art zu leben."
Gauck sagte, es sollte "noch deutlicher werden, dass homosexuellen Menschen, die in einer verbindlichen Partnerschaft leben wollen, damit die Chance für ein gleichwertiges Leben in Liebe und Partnerschaft gegeben wird."
Signal an Merkel
Die "Irish Times" bezeichnete die Aussagen Gaucks in einer Zusammenfassung des Interviews als "deutlichen Hinweis ('clear nod') an die schweigende Kanzlerin Angela Merkel": "Dr. Merkel weigert sich, das Thema aufzugreifen. Der 'Irish Times' sagte sie im letzten Monat, dafür gebe es keine Mehrheit in ihrer regierenden Christlich Demokratischen Union." Der Artikel trägt die Überschrift "Deutscher Präsident hofft, Irland bei der Ehe für alle ('marriage equality') zu folgen".
Die Aussage, er sei "für all das, was Menschen befreit und von Entfremdung löst", hatte Gauck bereits vor wenigen Wochen beim Evangelischen Kirchentag in Stuttgart getätigt (queer.de berichtete), was noch Spielraum für Interpretationen ließ. Im Zusammenhang des Interviews, das Gauck auch auf Deutsch auf der Webseite seines Amtes veröffentlichen ließ, liest sich die Aussage in der Tat als Bekenntnis zur Ehe-Öffnung – wie als diplomatisch verpackte, aber klare Aussage an Angela Merkel.
In seiner Amtszeit hat sich Gauck, der sich möglicherweise auch morgen im ZDF-Sommerinterview zum Thema äußern könnte, bislang mehrfach für LGBT-Rechte eingesetzt, etwa bei einer Rede vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf (queer.de berichtete). Bereits 2013 hatte er die Gleichstellung eingetragener Lebenspartner in Deutschland angemahnt (queer.de berichtete). Und erst vor wenigen Wochen gratulierte er dem Lesben- und Schwulenverband zum 25-jährigen Jubiläum (queer.de berichtete). In seinem Grußwort hieß es, dass Menschenrechte "universell gültig" seien und somit kein Staat ein Recht auf Diskriminierung habe. (nb)
Update 15h: Lob vom LSVD
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) hat es "begrüßt, dass Bundespräsident Joachim Gauck die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare eindrucksvoll als Freiheitsthema benennt". Das sei "eine klare Ermutigung für alle in Deutschland, die sich für gleiche Rechte und ein Ende der Diskriminierung einsetzen."
LSVD-Sprecher Axel Hochrein sagte weiter: "Die ermutigenden Worte des Bundespräsidenten zur Ehe für alle machen erneut deutlich: Die Führung der CDU/CSU isoliert sich mit ihrem Diskriminierungskurs gesellschaftlich immer mehr. Der Bundestag darf nicht länger durch eine homophobe Sperrminorität in Geiselhaft genommen werden." Nun müsse die Abstimmung im Parlament endlich freigegeben werden.
Das Statement ist für einen Bundespräsidenten ungewöhnlich deutlich und ich bin dafür dankbar.