Für ihren Youtube-Kanal liefen zwei Jugendliche kürzlich händchenhaltend durch Moskau. Grinsen und dumme Kommentare waren noch die mildesten Reaktionen.
41 Prozent der Bevölkerung wünschen sich eine strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen. Das gewachsene homophobe Klima zeigt auch ein neues Video.
80 Prozent der russischen Bevölkerung lehnt eine rechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren als Ehe ab, 86 Prozent der Männer und 75 Prozent der Frauen. Das ist das Ergebnis einer neuen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts WZIOM.
Vor zehn Jahren waren nur 59 Prozent der Bevölkerung gegen die Homo-Ehe eingetellt. Laut einer weiteren Frage befürworten 41 Prozent eine strafrechtliche Verfolgung Homosexueller, während 32 Prozent glauben, der Staat solle diese weder bestrafen noch in irendeiner Form positiv berücksichtigen. Lediglich drei Prozent sind dafür, dass Schwule und Lesben auch Kinder aufziehen können.
Ein weiteres Ergebnis: 20 Prozent Prozent der Bevölkerung halten Schwule und Lesben für Kranke, die isoliert gehörten. An der im April und Juli durchgeführten Umfrage hatten 1.600 Menschen aus 46 Regionen teilgenommen, die Fehlertoleranz soll bei 3,5 Prozent liegen.
Aggression nach Staats-Homophobie
Nikolai Swanidse vom Menschenrechtsrat sagte, die Zahlen seien mit denen zu Fremdenfeindlichkeit vergleichbar: Ein Anstieg von Aggression und der Ablehnung Anderer aufgrund bestimmter Merkmale sei ein Zeichen totalitärer Systeme. Alexei Firsow, der Direktor des Meinungsforschungsinstituts, bemerkte, Russland stelle sich gegen einen weltweiten Trend zu mehr Offenheit gegenüber LGBT. Selbst in China zeigten sich Fortschritte. Homophobie könnte einen Faktor darin spielen, eine nationale Identität im Vergleich zu anderen Ländern zu etablieren.
Der LGBT-Aktivist Nikolai Aleksejew kommentierte, die Zahlen könnten auch zeigen, was die Befragten denken, was sie sagen sollten – WZIOM ist ein staatliches Institut, das 1987 zu Zeiten der Sowjetunion gegründet wurde. Allerdins hatten auch Umfragen des unabhängigen Lewada-Instituts eine ähnliche Ablehnung von LGBT ergeben, samt einer allmählichen Verschlechterung.
Aleksejew sagte weiter, die Umfrage zeige dennoch klar, welche Wirkung die homophobe Politik des Landes und jahrelange antihomosexuelle Propaganda in den staatlichen Medien hätten.
Neues Video zeigt Auswirkungen der Hetze
Diese homophobe Wirkung zeigt auch ein Video, das sich aktuell in Russland und weltweit auf Youtube verbreitet: Angesichts der Ehe-Öffnung in den USA wollten Jugendliche vom Kanal "ChebuRussia TV" wissen, was passiert, wenn sie händchenhaltend durch die Straßen von Moskau gingen. In den mit versteckter Kamera aufgenommenen Szenen wurden sie mehrfach angepöbelt und beleidigt sowie zweimal körperlich angegriffen.
Dimitri Tschunosow, russischer LGBT-Aktivist, der im letzten Januar nach Deutschland geflohen war (queer.de berichtete), kommentierte auf Facebook, noch vor zwei Jahren sei es für ein schwules Paar möglich gewesen, ohne Probleme händchenhaltend durch Moskau zu gehen.
Dass Schwule und Lesben Freiwild für Aggression und Gewalt sind, könnte auch am anfangs zögerlichen Vorgehen der Behörden gegen Neonazis liegen, die Schwule bei Demütigungen durch sie filmten und Videos davon ins Netz gestellt haben. Nachdem viele Anführer im Gefängnis sitzen, größtenteils aufgrund anderer Vergegen, war es zuletzt aber ruhiger geworden um diese "Occupy Paedophilia"-Bewegung.
Youtube | Das Video, inzwischen fast 1 Mio. mal angesehen (engl. Untertitel lassen sich einschalten)
Die Regierung hat das russische Volk in den letzten Jahren aufgestachelt, gegen die Menschenrechte von Minderheiten vorzugehen, oft sogar mit Gewalt. Feindlichkeit wird aufgebaut.
Es ist ein Menschenrechtsskandal, was dort abgeht.
Russland verabschiedet sich von der Demokratie.