Das am Freitag geführte Interview mit dem Youtube-Star LeFloid wurde am Montag veröffentlicht
Dem Youtube-Star LeFloid sagte die Kanzlerin, für sie sei die Ehe eine Verbindung von Mann und Frau. Ihr einziges Argument: "Mache dann eben an einer Stelle einen Unterschied".
Von Norbert Blech
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am Montag erstmals seit Beginn der Debatte über die Ehe für alle in einem Interview zum Thema geäußert. In einem Gespräch mit dem Youtube-Star LeFloid sagte sie, sie sei "erstmal jemand, der sehr stark dafür ist, dass wir alle Diskriminierung abbauen".
"Wir haben ja viel geschafft – wenn ich denke, vor 25 Jahren, da haben sich viele nicht mal getraut zu sagen, wenn sie schwul oder lesbisch sind. Da sind wir gottseidank darüber hinweg", so Merkel gegenüber dem Vlogger. Inzwischen gebe es die Eingetragene Lebenspartnerschaft. Aber: "Für mich persönlich ist Ehe das Zusammenleben von Mann und Frau, das ist meine Vorstellung."
Dann betonte sie erneut, sie sei für Lebenspartnerschaften und gegen eine Diskriminierung im Steuerrecht (die rechtlich auf Druck von Karlsruhe behoben wurde, weil eine entsprechende Gleichstellung von Merkel nicht erwünscht war). "Und wo immer wir noch Diskriminierung finden, werden wir die auch weiter abbauen." Das noch fehlende gemeinschaftliche Adoptionsrecht für Homo-Paare wurde in dem Interview nicht thematisiert.
Zur Ehe für alle sagte Merkel weiter, man müsse akzeptieren, "dass es dazu verschiedene Meinungen gibt. Ich sage meine. Und für mich ist die Ehe das Zusammenleben von Mann und Frau. Und ich möchte keine Diskriminierung – und eine mögliche Gleichstellung – aber mache dann eben an einer Stelle einen Unterschied. Darüber gibt es halt in der Gesellschaft unterschiedliche Meinungen." Auch in ihrer Partei und der Regierung gebe es unterschiedliche Meinungen. "Das muss man 'ne Weile dann einfach auch aushalten."
Ihre Haltung zu Homo-Paaren fasste die Kanzlerin schließlich so zusammen: "Keine Diskriminierung. Ehe als Verbindung von Mann und Frau." Später im Interview sagte sie allgemein, sie bestehe "nicht nur aus Bauchgefühl, sondern auch aus Kopfgefühl" (die nachträglichen Einblendungen dazu mit Fragen aus dem Internet bezogen sich auf die Gleichstellung homosexueller Paare, das Gespräch allerdings nicht direkt).
Youtube | Das Interview in voller Länge. Ab 4:15 geht es um die Ehe für alle
Jahrelanges Dagegen-Sein
Wie hier in der ARD-Wahlarena 2013 durch einen Gast wurde Merkel selten öffentlich zu LGBT-Rechten befragt
Merkel hatte dem Psychologiestudenten aus Berlin, bürgerlich Florian Mundt, überraschend eine Zusage für das Interview gegeben, sein Youtube-Kanal hat über 2,6 Millionen Abonnenten. Besonders kritisch war er die Kanzlerin nicht angegangen.
Es ist möglich, dass Merkel in den nächsten Tagen erneut zum Thema Ehe-Öffnung Stellung nehmen muss: Am Freitag ist sie in der Bundespressekonferenz zu Gast, wo schon ihr Sprecher Steffen Seibert mehrfach zum Thema gegrillt wurde (queer.de berichtete). Am Sonntag folgt dann das Sommer-Interview in der ARD.
In dieser Sendung hatte sich Merkel 2012 sogar noch gegen ein Ehegattensplitting für Homo-Paare ausgesprochen (queer.de berichtete): Es sei ihr Wunsch und ihre Überzeugung, "dass es gut ist, wenn Ehe und Familie [im Vergleich zur Lebenspartnerschaft] doch noch etwas deutlich bessergestellt werden", hatte sie damals gesagt. Ob die Gleichstellung homosexueller Paare "in einer steuerlichen völligen Gleichstellung mit der Ehe enden muss, da bin ich selber zweifelnd."
Millionen TV-Zuschauer wurden ein Jahr später Zeuge, wie Merkel in der ARD-"Wahlarena" das gemeinschaftliche Adoptionsrecht für Homo-Paare ablehnte: Da sei sie "nicht die allereinzigste", die sich bei dem Thema "schwer tut". (queer.de berichtete). Abseits von TV-Auftritten vor Massenpublikum zieht sich die persönliche Ablehnung von LGBT-Rechten ohnehin durch Merkels Biographie.
2009 sagte sie, man müsse andere Lebensgemeinschaften als die Ehe respektieren, aber: "Respekt ist nicht Gleichstellung" (queer.de berichtete). 2004 ging ihr sogar noch eine Gleichstellung bei der Erbschaftssteuer zu weit: "Ich halte es bei aller Toleranz für falsch, das Erbrecht bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften so auszugestalten wie das bei Ehepaaren" (queer.de berichtete). Auch beklagte sie 2006 ein "absurdes Antidiskriminierungsgesetz" (queer.de berichtete).
Gauck für Ehe-Öffnung
Diplomatischer Wink mit dem Zaunpfahl: Gauck nutzte am Wochenende einen anstehenden Besuch in Irland, um mit der dortigen Ehe-Öffnung im Rücken für die Gleichstellung zu werben
Das neue Interview mit dem Youtube-Vlogger war am Freitag aufgenommen worden und damit einen Tag vor einer Art diplomatischer Intervention des Bundespräsidenten. Joachim Gauck, der am Montag einen Staatsbesuch in Irland begonnen hat, hatte der Samstagsausgabe der "Irish Times" ein Interview gegeben und sich darin für eine Debatte über eine Ehe-Öffnung stark gemacht (queer.de berichtete).
Er wünsche sich "auch für Deutschland noch stärker eine Debatte, in der bei den Menschen nicht das Gefühl überwiegt, dass ihnen mit der Gleichstellung anderer etwas genommen wird oder dies bedrohlich ist für die eigene Art zu leben", sagte Gauck in dem Interview, dass er auch auf der Webseite seines Amtes veröffentlichte. "Aus persönlicher Erfahrung bin ich selbst für all das, was Menschen befreit und von Entfremdung löst."
Der Grünenpolitiker Volker Beck sprach danach von einem "wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Debatte". Auch SPD-Familienministerin Manuela Schwesig "freute" sich über die Gauck-Worte: "Es ist sehr gut, dass der Bundespräsident mit seiner starken Stimme in dieser wichtigen Debatte das Wort ergreift." Die Große Koalition solle eine "offene Debatte" über die Ehe-Öffnung führen.