Michael J. soll nach dem Willen des Gerichts 30 Jahre im Gefängnis bleiben
Ein 23-jähriger HIV-Positiver muss in den USA 30 Jahre hinter Gitter, weil er seinen Sexpartnern nichts von seiner Infektion erzählt hatte – Aids-Aktivisten fordern nun Gesetzesänderungen.
Ein Bezirksrichter in Saint Charles (US-Bundesstaat Missouri) hat am Montag Michael J. zu einer Haftstrafe von 30 Jahren verurteilt, weil er mit fünf Männern ungeschützten Sex gehabt hatte, ohne ihnen von seiner HIV-Infektion berichtet zu haben. Einer dieser Männer wurde später auch positiv getestet.
Die Geschworenen hatten im Mai sogar auf 60 Jahre Haft entschieden (queer.de berichtete). Der Richter erklärte jedoch, dass der Verurteilte, der bis zum Verfahren an der privaten Lindenwood University studiert hatte, einen Teil seiner Strafe nicht nacheinander, sondern gleichzeitig verbüßen kann. Er kann nun frühestens im Jahr 2040 beantragen, auf Bewährung freizukommen.
Laut der Staatsanwaltschaft hatte der Verurteilte seinen Sex-Partnern, die er über Dating-Apps kennnengelernt hatte, nicht nur seinen HIV-Status verheimlicht, sondern erklärt, dass er gesund sei. Während des Prozesses gab der 23-Jährige zu, positiv getestet worden zu sein; er habe aber nicht viel über das Virus und die Übetragungswege gewusst.
Aids-Aktivisten: Bestrafung "ergibt keinen Sinn"
Aids-Aktivisten kritisierten die Haftstrafe scharf: "Das Urteil reflektiert die anhaltende Ignoranz über HIV", sagte Catherine Hannssens vom "Center for HIV and Law Policy". LaTrischa Miles von der "Missouri AIDS Task Force" erklärte, die augenblickliche Gesetzeslage in Missouri sei nicht sinnvoll: "Der Staat fordert seine Bürger auf, sich auf HIV testen zu lassen. Dann lässt der Staat die Menschen strafrechtlich verfolgen, deren Testergebnis positiv ist und die nicht beweisen können, dass sie ihren Sexpartnern davon erzählt haben. Das ergibt keinen Sinn."
Missouri verbietet – wie auch über die Hälfte der US-Bundesstaaten – HIV-Positiven Sex zu haben, ohne den Partner über den HIV-Status aufzuklären. Nach dem Gesetz könnten sogar Positive belangt werden, deren Viruslast nicht nachgewiesen werden kann und die ein Kondom benutzt haben. Die Mindesthaftstrafe bei einer Übertragung beträgt zehn Jahre und liegt damit gleich hoch wie bei vollendetem Totschlag. Bei fahrlässiger Tötung – etwa wenn ein betrunkener Autofahrer ein Kind tödlich verletzt – verlangt das Gesetz dagegen nur sieben Jahre Haft.
Experten gehen davon aus, dass eine derartige Strafverfolgung von Positiven nichts bringt: "HIV-Strafgesetze haben keinen Effekt auf die Verbreitung von HIV", erklärte etwa Dr. Jeffrey Birnbaum, ein Experte für HIV unter Jugendlichen. "Einen HIV-Positiven für Sex zu bestrafen, führt nach unserer jahrzehntelangen Erfahrung nur dazu, dass viele einfach nicht mehr zum Arzt gehen und sich nicht mehr testen lassen."
Verfolgung auch in Deutschland
Auch in Deutschland können HIV-Positive für ungeschützten Sex bestraft werden, allerdings ist das Strafmaß nicht ganz so drakonisch. So wurde eine HIV-positive Sexarbeiterin vergangenes Jahr zu vier Jahren Haft verurteilt (queer.de berichtete). Die Deutsche Aids-Hilfe kritisiert die Kriminalisierung der (potenziellen) HIV-Übertragung als kontraproduktiv. HIV-Prävention dürfte nicht einseitig positiven Menschen aufgebürdet werden.
Der Nationale Aids-Beirat der Bundesregierung kritisierte bereits 2013, dass Strafverfahren bei HIV-Übertragungen nach einvernehmlichem Sex "keinen Beitrag zur HIV-Prävention" leisten würden (queer.de berichtete). (dk)
"Die Dreißigjährige wurde von einem Gericht in Tampa, Florida zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie sich mit zwei Siebzehnjährigen und einem Schüler eingelassen hatte, dessen Alter nicht öffentlich bekannt wurde. Das geschah zwar einvernehmlich (und kam nur durch die Mutter eines der Schüler zur Anzeige), gilt in weiten Teilen der USA aber trotzdem als "statutory rape", weil dort Gesetze festlegen, dass Personen vor ihrem 18. Lebensjahr ohne Ausnahme sexuell zustimmungsunfähig sind."
www.heise.de/tp/artikel/45/45431/1.html