Die Bildungsplangegner spielen in Götz Wienolds Roman keine Rolle, dennoch gibt es Parallelen: Sein schwuler Protagonist Markus wird zum Sündenbock verstörter Heteros (Bild: Demo für alle/ flickr / by-sa 2.0)
In Götz Wienolds Buch "Manona – Roman einer Homophobie" wird der Homosexuelle von heute zum Spielball konservativer Spießbürger.
Von Markus Kowalski
In einem Zug, auf der Strecke von Stuttgart nach Köln, passiert es plötzlich. Markus, der stille Universitätsmitarbeiter, wird von einer Frau im Großraumwagen angepöbelt. Rita ist im siebten Monat sichtbar schwanger, stürmt herein: "Da bist du ja!" Sie gibt vor, dass Markus der Vater ist, der sich einfach so aus dem Staub gemacht hat. Die entrüsteten Mitreisenden geben der Frau spontan recht: Wie kann dieser Mann da nur so unmenschlich sein?
Mit dieser albtraumhaften Begebenheit beginnt der Roman "Manona" von Götz Wienold. Die Situation ist für Markus verwirrend und befremdlich zugleich: Rita drängt sich in sein Leben, diese unbekannte Frau. Hilfslos beteuert er, dass er nicht der Vater ist. Nicht sein kann. Denn er ist schwul.
Zwei Frauen drängen sich das Leben des schwulen Mannes
Götz Wienold, Jahrgang 1939, ist Schriftsteller, Linguist und Semiotiker. Er lebt seit 1992 in Tokio (Bild: privat)
Rita verfolgt ihn, findet seine Wohnung, erzählt den Nachbarn von dem Kind. Dabei ist es für Markus ganz klar, dass Rita bloß einen Mann sucht, dem sie das Kind unterschieben kann, nachdem sie vom tatsächlichen Vater verlassen wurde. Doch ausgerechnet den schwulen Markus, der mit Frauen weder im Bett noch im Alltag etwas anfangen kann? Irgendwann wissen dann alle Bekannten, Nachbarn und Verwandten vom bevorstehenden Kind. Der soziale Druck steigt, er gibt nach, sie heiraten.
Nach der Scheidung und 17 Jahren Alleinsein wird Markus von einer zweiten Frau bedrängt: Manona. Sie ist die – mit sprechendem Namen – manische Ehefrau von Ewald, Markus' Kollegen aus der Universität. Auch sie zieht Markus in ihr Leben, zwängt ihn in eine heteronormative Männerrolle und mehr noch, verwickelt ihn in einen Mord.
Götz Wienold zeichnet in seinem Roman ein erdrückendes Bild des Homosexuellen, hier in Deutschland, jetzt in der Gegenwart: Er wird benutzt, er wird passend gemacht für die gesellschaftlichen Konventionen. Die katholisch-konservative Rita darf kein uneheliches Kind bekommen, muss unbedingt heiraten, um die Erwartungen ihrer Eltern an ein moralisch richtiges Leben zu erfüllen. Auch Manona braucht einen Mann, um sich ihm unterordnen zu können und darin einen Sinn zu finden.
Ein Roman über die Angst vor Homosexuellen
Seinen Roman "Manona – Roman einer Homophobie" schrieb Götz Wienold bereits in den Jahren 2006 und 2007. Er ist jedoch erst jetzt im Wiener Passagen Verlag erschienen
Wie absurd, dass in der Geschichte gerade Markus als Schwuler dafür herhalten muss. Denn er fordert die Unterordnung der Frau überhaupt nicht ein, ihm ist eigentlich alles egal. Schließlich kann er mit Frauen sowieso nichts anfangen. Er kann auch mit der Welt der Heteros nichts anfangen: "Ich mochte nicht gern Junggeselle heißen, der Klang aus einer Welt, die es für mich nicht gab, der Welt der Familien und Ehepaare, der Häuslichkeiten und alter Moral, die ich lange und für immer weggeworfen hatte."
Überschrieben als "Roman einer Homophobie" vermittelt die Geschichte tatsächlich eine Angst vor Homosexuellen: Sie zerstören die Konventionen, sie passen nicht in die spießbürgerlich-elitäre Gesellschaft. Stattdessen wird Markus für das eigene Empfinden immer zur Rechtfertigung genötigt, muss sich erklären und wird doch nicht akzeptiert. Bis er selbst daran zweifelt, was er erlebt hat und was er ist. Schlussendlich wird der Homosexuelle zum alleinigen Schuldigen für die Sinnkrisen der Anderen.
Die unrealistische Einstiegsgeschichte entwickelt sich zu einem Gestrüpp an Verwicklungen, Verwirrungen. Mit dem raffiniert erzählten Roman hat Götz Wienold eine unbehagliche Metapher konstruiert: Die Beschreibung einer scheinbar modernen Gesellschaft mit verkrampften Mitmenschen, die immer noch an traditionellen Konventionen festhalten und daran scheitern. Der Homosexuelle hat darin keinen Platz.
Infos zum Buch
Götz Wienold: Manona. Roman einer Homophobie. 214 Seiten. Softcover. Passagen Verlag. Wien 2015. 23,90 €. ISBN 978-3-7092-0166-4.