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"Freude am Glauben", Tag 1
Bischof Huonder zur Homo-Ehe: Bibel sieht Todesstrafe vor
- 1. August 2015, 10:53h 9 Min.

Vitus Huonder am Freitag in Fulda. Katholische Web- und TV-Sender übertrugen den Kongress live in die ganze Welt. (Bild: Screenshot bonifatius.tv)
Bei einem katholischen Kongress in Fulda lieferten sich Hedwig von Beverfoerde und zwei Bischöfe ein Wettrennen um die homophobste Hetze.
Von Norbert Blech
"Ehe und Familie – gottgewollter Auftrag und Weg zum Glück" – so lautet in diesem Jahr das Motto des dreitägigen Kongresses des Forums Deutscher Katholiken in Fulda, der schon in den letzten Jahren durch homophobe Äußerungen und Initiativen aufgefallen war (queer.de berichtete). Für 2015 war anhand von Motto und Rednerliste zu befürchten, dass der Kampf gegen LGBT-Rechte und eine Vernetzung der entsprechenden Akteure an erster Stelle stehen würden (queer.de berichtete). Es sollte dann bereits am ersten Tag noch viel schlimmer kommen als erwartet.
So schien sich Bischof Vitus Huonder aus dem schweizerischen Chur Gedanken gemacht zu haben, wie man homophobe Hetze so verpacken kann, dass sie einerseits deutlich und andererseits nicht angreifbar sein könnte, zumindest juristisch. Die naheliegende Lösung: Ein Referat entlang von Bibelstellen.
Zwei davon fand er bei Levitikus. Eine oft gehörte, aber zumindest in Deutschland kaum noch offiziell zitierte aus dem Alten Testament (Lev 18,22): "Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel." Als der Bischof im März in seiner Heimat das Wort "Gräuel" in einer Predigt in diesem Zusammenhang nutzte, hatte ihm das einige öffentliche Empörung über diese Abwertung eingebracht (queer.de berichtete).
Davon ließ er sich offensichtlich nicht beeindrucken und schob am Freitag in Fulda noch die Langfassung des Zitats hinterher (Lev 20,13): "Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben." (Update: s.a. Ende des Artikels mit Link zu einem Video-Mitschnitt der Rede, Huonder nutzte eine leicht anders formulierte, aber inhaltlich gleiche Version dieser Stelle)
Die Bibel lege hier die "göttliche Ordnung" dar, so Huonder in seiner Auslegung der zwei Bibelstellen. Direkt im Anschluss meinte er zur "gleichgeschlechtlichen Praxis", die "zitierten Stellen" würden "genügen, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben". Dafür erhielt er großen Applaus der bis zu 1.000 Teilnehmer des Kongresses.
Es gebe "keine Vielfalt beim Modell von Ehe und Familie", führte Huonder weiter aus, eine Homo-Ehe sei ein "Angriff auf die Schöpfung". Homosexualität sei ein Fall für "Seelsorge nach göttlicher Ordnung" und "pastorale Liebe" – wenn "Menschen mit homophiler Neigung" eine "Hilfe" suchten, diese zu ändern oder nicht auszuleben.
"Gefahr der Unzucht"
Später stellte der Bischof noch Überlegungen zur "Gefahr der Unzucht" als "Abfall von Gott" an, um mit dem Satz zu enden, dass die Kirche die "Wahrheit der christlichen Ehe verkünden" müsse. Mit dieser angeblichen Wahrheit hatte er – anhand von Zitaten aus Genesis und Exodus etwa zur finanziellen Schadensregulierung bei einer vorehelichen Entjungferung – sein Referat begonnen: Der kirchliche Segen der Ehe sei ausdrücklich auf die Fruchtbarkeit als einzigen Wert bezogen, auf einen "sittlich geordneten Vollzug des Geschlechtsaktes".
Sex sei "keine Spaßveranstaltung" und keine "Privatsache", meinte der Bischof, sondern gehöre zur Glaubensverkündung. Da das nicht mehr selbstverständlich gewesen sei, habe sich (in der Bibel) eine "Notwendigkeit zur Gesetzgebung" ergeben. Mit dieser müsse die Kirche auch heute Einfluss nehmen.
Algermissen gegen "Gender-Strategen"
Den Auftakt zum Kongress hatte am Nachmittag der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen mit einer Messe im Dom gemacht, mit einer Predigt, die sich gegen eine vermeintliche Gender-Ideologie richtete: "Laut dieser Ideologie kann der Mensch je nach eigenem Belieben definieren, ob er nun Mann oder Frau ist, und er kann auch in der Folge dessen seine sexuelle Ausrichtung frei wählen." Er habe früher gedacht, ein "solch absurder Ansatz" würde sich bald selbst "überholen, demaskieren und entlarven".
Aber die "Gender-Strategen" ließen nicht locker, so der Bischof, "das christlich-jüdische Werte- und Menschenbild wird dadurch auf dramatische Weise bedroht". Aufgrund der "Gefährdung der sakramentalen Ehe und der christlichen Familie" müsse der Kongress Stellung beziehen und die Positionen der Kirche "in positiver Weise" verdeutlichen. Das Papier zur Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren des Zentralkomitees der deutschen Katholiken nannte der Bischof "destruktiv" für "die kirchliche Lehre über Ehe und Familie". Diese seien in der "Schöpfungsordnung Gottes angelegt". Würde die Ehe aufgelöst, wäre das die "Auflösung einer gesamten Gesellschaft".
Die "Schattenseiten", die "deutlichen Fiebersymptome einer kranken Gesellschaft" seien nicht zu übersehen, so Algermissen: "Verwahrloste Elternhäuser, überforderte Mütter und Väter, Kinderarmut". Ihm mache Sorge, dass die "Form des Zusammenlebens der Eltern zunehmend vergleichgültigt und dem liberalen Zeitgeist der Gesellschaft geopfert wurde". Für die Kirche sei Ehe und Familie eine "unauslösliche Einheit": "Die rein funktional verstandene Definition, wonach Familie überall wäre, wo Kinder sind, ist eine schlimme, fatale Umbeugung des Familienbegriffes."
Algermissen ließ es sich nicht nehmen, auch im Kongresszentrum Esperanto ein Begrüßungswort zu halten. Die Tagung biete eine "notwendige Einmischung" in "eine hochproblematische gesellschaftliche Entwicklung und kirchliche Konfusion". Viele erwarteten, dass die kirchliche Lehre sich "ihrem Lebensstil und dem Zeitgeist" anpasse. Das sei ein "erschreckender Relativismus": Mit Mehrheitsvoten wollten Gruppen "Schöpfungstheologie, Ehe und Sakramentenlehre abwickeln und sich dabei noch auf den Glaubenssinn des Gottesvolk berufen".
Das sei tollkühn, so der Bischof: Man wolle gutheißen, "was Gott selbst in der Offenbarung nicht gut geheißen hat, nicht gut nennt". Diese "Anpassung" sei gefährlich und absurd und es wäre eine "notwendige Orientierung und ein Segen", wenn diese "fundamentale Wahrheit von Fulda aus in die Öffentlichkeit gelangen würde".
Die Homo-Ehe als Atombombe und Tsunami
Die gleichgeschlechtliche Ehe könnte eine "zerstörerische Wirkung wie eine Atombombe" haben, meinten denn auch Renate und Norbert Martin in einem Vortrag über die Ehe als "Spielball gesellschaftlicher Kräfte". Dabei sei diese "vorstaatlich und zeitlos", eine "unveränderliche Grundnorm" und "Grundbestand des Naturrechts".
Nun gebe es aber die Gender-Ideologie, die wie ein "Tsunami über die Erde" fege und eine "Häresie", eine "Tyrannei der Künstlichkeit" und eine "egoistische Verkümmerung" darstelle, kritisierten die Mitglieder des Päpstlichen Rates für die Familie. Eine "Erziehungsdiktatur" wolle durch "ideologische Indoktrination" eine "Sprachverwirrung" über das Wesen der Ehe bei Kindern erzeugen und diese letztlich abschaffen; eine "überlebenswillige Gesellschaft" brauche diese aber.
"Demo für alle" will Ehe-Öffnung noch verhindern
Zum Abschluss des Abends rief Hedwig von Beverfoerde zum Handeln auf: "Wir befinden uns in einem Kampf", so die Koordinatorin der "Demo für alle". "Gut organisierte Gruppen" kämpften gegen Ehe und Familie in einer "Schlacht um die Meinungshoheit".
In einem langen Vortrag über die "Homo- und Genderbewegung" meinte von Beverfoerde, zu der es vor der Tür einen kleineren, privat organisierten Gegenprotest gab, es würden "ständig neue Geschlechter erfunden", wobei es "in Wirklichkeit um Spielarten der Homosexualität" gehe: "Die sogenannte sexuelle Orientierung wird zur sexuellen Identität hochstilisiert." Dann vermischte sie das noch wie üblich mit Horrorszenarien einer angeblicher Sexualaufklärung, die eine "Indoktrinierung" darstellten. Das Handbuch "Sexualpädagogik der Vielfalt" lese sich wie ein Porno; "Enthemmung ist der Trend", die "Förderung promiskuitiven Verhaltens" sei das Ziel und Sexsucht werde zur neuen Volkskrankheit.
Dabei könne man von dem "weltweit finanzstarken Unterstützernetzwerk" der "Homo- und Genderbewegung" (der Begriff fiel häufig!) viel lernen, von dessen Protestformen. Sehr ausführlich beschrieb von Beverfoerde die zunehmende Einflussnahme ihrer Bewegung auf die Politik, durch die Übernahme politischer Ämter ebenso wie durch Petitionen und Schreiben an Politiker (wie auch an Medien; Beverfoerde betonte die Wichtigkeit negativer wie zustimmender Leserbriefe an Zeitungen und TV-Sender, hier scheint die Community noch individuell aufholen zu können).
Ihre Demos seien erfolgreich, wei sie gerade "politisch gemäßigte Bürger, Normalbürger" versammelten, meinte von Beverfoerde. Man distanziere sich von extremistischen, rassistischen und antisemitischen Gedenkangut, so die Organisatorin einer auf PI und in der "Jungen Freiheit" beworbenen Demo. Und man sei offen für "Menschen mit homophilen Neigungen", die selbst die Ehe ablehnten und sich von "Lobbygruppen" in ihrem Namen nicht vertreten fühlten – die Passage lässt schlimmes über die Rednerliste der nächsten Demo erahnen.
Als von Beverfoerde die Forderungen ihrer Bewegung betonte, bekam sie für jeden Satz Applaus aus dem Publikum. Etwa bei ihrem Nein zur "Priviligierung von LGBTTIQ-Interessen", wie ihn der Aktionsplan in Baden-Württemberg darstelle, oder bei einem Nein zu Ehe und Adoptionsrecht für Homo-Paare.
"Leider" habe es in Irland dieses Referendum zur Ehe-Öffnung gegeben, der der "Homo- und Genderlobby" einen "Auftrieb" gegeben habe und die nun einen "Durchmarsch im Bundesrat" plane, bedauerte von Beverfoerde. "Das dürfen wir nicht zulassen. Wenn man Ehe umdefiniert und entgrenzt, schafft man sie ab". Auch drohe eine Poly- oder Tier-Ehe.
Die "Demo für alle" habe ihren Ursprung in einer Rede von Gabriele Kuby vor zwei Jahren beim gleichen Kongress, wo sie die französiche Bewegung "Manif pour tous" lobte. Hierzulande habe man beim Bildungsplan eine "Kampagnenfähigkeit" gespürt, so von Beverfoerde in einer bemerkenswert offenen Rede über die eigene Strategie, aber die "Themenpalette" weite sich aus, "weil alles zusammengehört. Wir müssen das ganze Paket bekämpfen."
Nun sei "die Zivilehe zu verteidigen". Es sei entscheidend, als Bewegung zu wachsen, die fast 100.000 Online-Unterschriften für die Ehe-Öffnung zu übertreffen, auf die nächste "Demo für alle" am 11. Oktober zu gehen, für diese zu werben, offline wie online. "Man kann die Ehe für alle noch verhindern."
Nimmt man die Worte von Huonder ernst, ahnt man, dass dann der Kampf der Erz-Katholiken erst so richtig beginnen würde.
Der Kongress wird am Samstag und Sonntag fortgesetzt, einen Vorabbericht zum ganzen Wochenende gab es hier.
Update 16h: Reaktion von Pink Cross
Die schweizerische LGBT-Organisation Pink Cross hat sich über "diesen erneuten Frontalangriff" Huonders "schockiert und verärgert" gezeigt. "Ein Kirchenvertreter lebt in keinem rechtsfreien Raum. Wer so argumentiert und indirekt sagt, Homosexuelle sollen getötet werden, ist kein Kirchenmann – sondern ein Hetzer und Straftäter", so Bastian Baumann, Geschäftsleiter von Pink Cross.
Die Organisation prüfe, "in welcher Form Hassreden wie die von Bischof Huonder strafrechtlich verfolgt werden können", und fordert "eine öffentliche Entschuldigung für die erneute Entgleisung des Bischofs von Chur". Die Kirchengemeinde sei aufgerufen, "Aufrufe zu Hass und Tod auch innerhalb der Kirchgemeinde nicht zu dulden".
Update 2.8., 15.40h: Genauer Wortlaut von Huonder
Am Sonntag wurde endlich ein Video-Mitschnitt der Rede Huonders veröffentlicht. Demnach nutzte er eine leicht anders formulierte – und längere – Version des zweiten Levitikus-Zitats, als oben nach den eigenen Notizen angeben:
"Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen. Beide werden mit dem Tod bestraft. Ihr Blut soll auf sie kommen."
Danach sagte der Bischof im eigenen Wortlaut weiter:
"Die beiden Texte legen mit vielen anderen Stellen der Heiligen Schrift, insbesondere im Buch Levitikus, die göttliche Ordnung vor, welche für den Umgang mit der Sexualität gilt. In unserem Fall geht es um die gleichgeschlechtliche Praxis. Die beiden Stellen allein würden genügen, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben. (… Applaus …) Die Aussage hat daher auch Bedeutung für die Definition der Ehe und der Familie, da gibt es keine Vielfalt der Ehen- und Familienmodelle."

Scheiß Theo-Faschisten!