Zwei Jahre vor dem anvisierten Ruhestandstermin wird es für Vitus Huonder eng (Bild: Michael Beat / by 2.0)
Ein Bischof unter Druck: Nach seiner Äußerung über die Todesstrafe für Homosexualität will der Churer Bischof erneut auf Kritik "eingehen".
Von Norbert Blech
Acht Tage nachdem der Schweizer Bischof Vitus Huonder auf einer Konferenz in Fulda über eine Todesstrafe für Homosexualität geredet hatte, hält die Empörung in seiner Heimat weiter an.
"Aufgrund des anhaltenden Medienechos" werde es "im Laufe der kommenden Woche" eine "ausführliche Stellungnahme" des Bischofs geben, ließ das Bistum Chur nun am Samstag verbreiten. Darin werde man "auf die inzwischen geäußerten wesentlichen Kritikpunkte genauer eingehen".
Huonder hatte am Freitag vor einer Woche bei einer Konferenz des Forums Deutscher Katholiken Bibelstellen zur Homosexualität zitiert, die eine Todesstrafe vorsehen, und diese Stellen zum Maßstab für die Behandlung des Themas durch die Kirche erklärt. Queer.de hatte darüber am Samstag als erstes Medium berichtet.
Nachdem am letzten Sonntag die ersten Schweizer Zeitungen in die Berichterstattung einstiegen und zugleich ein Video der Rede auftauchte, hatte Huonder am Montag eine erste Stellungnahme veröffentlicht. Darin bedauerte er, wenn der Vortrag "in den Medien vereinzelt als Herabsetzung homosexueller Menschen verstanden wurde", und verwies auf den Katechismus der Katholischen Kirche, wonach diesen "mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen" sei.
Kritik von allen Seiten
Die Stellungnahme, die weder eine klare Entschuldigung noch eine Distanzierung von den Äußerungen beim Vortrag enthielt (vgl. auch den queer.de-Kommentar dazu), ließ die Kritik an Huonder allerdings nicht verstummen. Während das Thema in Deutschland trotz Sommerlochs kaum Interesse bei den Medien weckte, schlug es in der Schweiz tagelang weiter hohe Wellen.
So erzielte blick.ch einen viralen Hit, als der Rapper Gimma Huonder zum Rücktritt aufforderte. Im "Tagesanzeiger" kommentierte ein Kapuziner, Huonder stelle sich "in eine Ecke mit afrikanischen Diktatoren". Die Schweizer Organisation "Pink Cross" bietet eine inzwischen wieder unvollständige Übersicht der Reaktionen.
Vor allem die innerkirchliche Kritik stellt für Huonder ein Problem dar, und sie reißt ebenfalls nicht ab. Während die Bischofskonferenz am Montag offiziell mitteilen ließ, dass man einzelne Äußerungen von Bischöfen nicht kommentierte, beteiligte sich das zur Kirche gehörende Portal kath.ch an der kritischen Berichterstattung und verwies auf jede neue kleine oder große Kritik am Bischof, kommentierte auch selbst, der Bischof habe "einmal mehr in ein Wespennest gestochen" und schade der Kirche (nebenbei: das zur Deutschen Bischofskonferenz gehörende Portal katholisch.de kritisierte ebenfalls Huonder, ging aber nicht näher darauf ein, dass die Konferenz im Bistum Fulda stattgefunden hatte).
Erster Bischof widerspricht
Bischof Markus Büchel betonte, nicht Homo- oder Heterosexualität sei entscheidend, sondern der "verantwortungsvolle Umgang mit Sexualität" und Werte wie Respekt und Treue (Bild: Bistum St. Gallen)
Bis zum Freitag war die wichtigste Stimme gegen Huonder die Allianz "Es reicht", der unter anderem der Katholische Frauenbund (SKF) und die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung angehören und die bereits im letzten Jahr eine Absetzung des Bischofs gefordert hatte. Das Zitieren der Todesstrafen-Stellen der Bibel sei "unverantwortlich und grausam", ließ die Allianz verbreiten. "Wir wollen alle lesbischen und schwulen Menschen in und ausserhalb der Kirche wissen lassen, dass wir, gerade als Christinnen und Christen, anders denken!"
Am Freitag meldete sich dann der Bischof von Sankt Gallen, Markus Büchel zu Wort, er ist zugleich Vorsitzender der Bischofskonferenz der Schweiz. In einem Schreiben an die Seelsorge-Mitarbeiter seines Bistums (PDF) meinte er, man dürfe eine Person nicht auf ihre Sexualität reduzieren. Prinzipien wie die Liebe zum Nächsten seien "Schlüssel zur Interpretation von Bibelstellen in die jeweilige Zeit hinein": "Unser heutiges Wissen um die Homosexualität als Anlage und nicht frei gewählte sexuelle Orientierung war zur Zeit der Bibel gar nicht bekannt."
Es sei "Aufgabe der Kirche heute", mit den Menschen einen Weg zu gehen, "auf dem sie ihre Sexualität als Geschenk Gottes in ihr Leben und die Gestaltung ihrer Beziehungen integrieren können". Die Kirche müsse sich der historischen Lasten im Umgang mit Homosexualität bewusst stellen "und eine neue menschen- und sachgerechte Sprache finden".
Selbst Radio Vatikan verbreitete diese Bischofsworte. Am Samstag vermeldete kath.ch, Büchel habe für sie "viel Lob" erhalten.
Update 10.06h: Pink Cross stellt Strafantrag
Die Schweizer LGBT-Organisation Pink Cross hat nach einer langen Prüfung entschieden, am Montag bei der Staatsanwaltschaft Graubünden eine Strafanzeige gegen Huonder zu stellen. Diese wird auch von der Lesbenorganisation Schweiz unterstützt. Die Anzeige bezieht sich auf Artikel 259 des Strafgesetzbuches; auf öffentliche Aufforderung zu Gewalt stehen bis zu drei Jahre Haft.
Der Bischof habe die Zitate zur Todesstrafe "nicht einfach wiedergegeben, sondern einleitend deren Authentizität und Wahrheit bestätigt und vor und unmittelbar nach dem Zitieren mehrmals ein entsprechendes Handeln propagiert", so die Organisation. Auch habe er die Worte in seiner Entschuldigung nicht zurückgenommen. Die gesamte Argumentation findet sich auf der Pink-Cross-Webseite.