Huonder bei seinem Vortrag in Fulda
In einem neuen Interview und einem Brief an Mitarbeiter betont der Bischof, er wolle Homosexuelle nicht töten, sondern ihnen als "leidenden" Menschen helfen.
Von Norbert Blech
Er wolle sich in einer "bedauerlichen Angelegenheit" äußern: "Wie Sie den Medien entnehmen konnten, wurden zwei Zitate meines Vortrags in Fulda vom 31. Juli 2015 als 'Hetze' gegen homosexuell empfindende Menschen verstanden. Meine Stellungnahme vom 3. August 2015 konnte daran leider wenig ändern."
So beginnt ein Brief, den der Churer Bischof Vitus Huonder an seine Mitarbeiter verfasst hat und der am Donnerstag publik wurde. Anders als bei der angesprochenen Stellungnahme äußerte er sich damit erstmals inhaltlich zu seinem Vortrag beim "Forum Deutscher Katholiken", in dem er eine Stelle des Alten Testaments zur Todesstrafe für Homosexuelle zitiert und kommentiert hatte, diese würde "der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende (…) geben".
"Selbstverständlich trete ich nicht für die alttestamentarische Forderung nach der Todesstrafe für homosexuell empfindende Menschen ein", erklärte Huonder nun erstmals. "Die gewählten Zitate sind nicht Ausdruck meiner Gesinnung, sondern vielmehr meiner Überzeugung, dass im Rahmen einer theologischen Reflexion keine Textstellen aus der Heiligen Schrift verschwiegen werden dürfen, nur weil sie im heutigen Kontext Schwierigkeiten bereiten." Allerdings hatte Huonder in seinem Vortrag viele Stellen des Alten Testaments zitiert, nicht um sich von ihnen zu distanzieren, sondern um ihre Gültigkeit zu betonen.
Huonder schreibt weiter, er habe in dem Absatz über Homosexualität zunächst von der "theologischen Bewertung homosexueller Handlungen" gesprochen und danach, in einer Passage über Seelsorge für homosexuelle Menschen, vom "Handeln der Kirche aus heutiger, christlicher (neutestamentlicher) Sicht". Man konnte die Passagen aber auch lesen als Unterscheidung zwischen der Bewertung homosexueller Handlungen und der Bewertung homosexueller Menschen, als Unterscheidung zwischen Sünde und Sünder (s. queer.de-Kommentar).
"Drastische Ablehnung homosexueller Handlungen" als Mahnung
Das Zitat von der "Wende" habe sich auf die anstehende Bischofssynode zu Fragen von Ehe und Familie bezogen, schreibt Huonder weiter: Mit der "unglücklichen Formulierung" habe er nicht sagen wollen, dass diese "für die Kirche eine Anweisung für ihr Handeln" sei, sondern "dass wir Christen uns von der Gesinnung her an diesen Passagen zu orientieren hätten": "Ich wollte zeigen, dass es in Levitikus eine drastische Ablehnung homosexueller Handlungen gibt, und dass wir uns als Christen dessen bewusst sein müssen." Bei einer Reflektion sei aber auch das Neue Testament zu berücksichtigen.
Im zweiten Teil seines Absatzes zur Homosexualität habe er schließlich auch gemeint, Homosexuelle seien durch "pastorale Liebe", also Seelsorge, "aus dem Zustand der gefallenen Natur zu befreien". Das sei "Hilfe zum Leben", nicht zum Tod, und bestehe in "Mitgefühl und Takt, nicht Herabsetzung". Erneut zitierte Huonder den entsprechenden Katechismus der Kirche, wonach Homosexuelle zur Enthaltsamkeit aufgerufen seien.
"Dennoch möchte ich mich bei allen Menschen entschuldigen, die sich durch meinen Vortrag verletzt gefühlt haben, besonders bei homosexuell empfindenden Menschen", so Huonder weiter. "Diesen möchte ich versichern, dass die Kirche niemanden ausgrenzen, sondern für alle im oben beschriebenen Sinn da sein will." Es sei ein Fehler gewesen, den Vortrag niemandem zum Gegenlesen gegeben zu haben und nur an die "akademisch-reflexive Ebene" und einen "innerkirchlichen Fachdiskurs" gedacht zu haben.
Medienkritik und "leidende" Homosexuelle
Anders als bei einem TV-Interview am Montag ging Huonder gegenüber "blick.ch" auf das Todesstrafen-Zitat ein
In einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der Zeitung "Blick" kritisierte Huonder zunächst die Medien und seine Kritiker: "Die Leute haben nicht meinen Vortrag interpretiert, sondern das, was ihnen von den Medien vorgesetzt wurde. Wer den ganzen Abschnitt liest, kann doch nicht sagen, ich hätte die Todesstrafe gefordert."
In beiden Texten meint er, bei diesem Missverständnis hätte auch die "gesamtgesellschaftliche Situation" eine Rolle gespielt, "die Gräueltaten des Islamischen Staates (IS) oder die Verbrechen anderer Gruppen, die sich nicht nur gegen Christen und Andersdenkende richten, sondern auch gegen Homosexuelle". Den Umgang von einigen christlichen Gruppen und Kirchen mit Schwulen und Lesben erwähnte er dabei nicht.
Auch ansonsten gab sich Huonder in dem Interview kämpferischer: "Zugleich bestehe ich darauf, dass die katholische Kirche ihren Glauben weiterhin unverkürzt vertreten kann. Heute gibt es auch in der Schweiz Leute, die für sich Toleranz fordern, aber die Meinungs- und Glaubensfreiheit von Andersdenkenden abschaffen wollen. Etwa mit neuen Gesetzen, die vor Diskriminierung schützen sollen, in Wahrheit aber nur Ausdruck einer Meinungsdiktatur sind."
Die Medien hätten ihre eigene "Agenda" und ignorierten, was der Papst "über den Teufel, die Ablehnung der Abtreibung oder der Homo-Ehe" sage, so Huonder weiter. Er selber kenne aus der "seelsorgerischen Arbeit" Homosexuelle. "Aus verschiedenen Gesprächen habe ich gespürt, wie diese Personen leiden."
Auf den Vorwurf der Zeitung, er interpretiere die "katholische Morallehre so rigide wie möglich" und isoliere sich selbst, meinte Huonder: "Wenn der Katechismus der katholischen Kirche sagt, homosexuelle Menschen seien zur Enthaltsamkeit aufgerufen, dann ist das für mich als Bischof bindend. Es gilt für alle Bischöfe. Da bin ich nicht isoliert." Man nehme die Menschen "gerade dann ernst", wenn man ihnen die Lehre der Kirche nicht vorenthalte und ihnen helfe, sich "Schritt für Schritt der christlichen Vollkommenheit anzunähern": "Dazu sind auch homosexuell empfindende Menschen berufen."
Es ist nicht bekannt, dass Huonder sich direkt bei Schwulen und Lesben entschuldigt hätte, etwa bei der LGBT-Organisation "Pink Cross". Diese hatte am Wochenende den Bischof angezeigt. Zu dem Verfahren wollte er in dem Interview nicht näher Stellung beziehen.
Update 12.20h: Reaktion von Pink Cross
Die Schweizer LGBT-Organisation Pink Cross hält an ihrer Strafanzeige gegen Huonder fest. "Erst nach massivem öffentlichen Druck fühlte sich Bischof Huonder dazu berufen, eine erneute Stellungnahme zu veröffentlichen", so Geschäftsleiter Bastian Baumann in einer Mitteilung. Die neue Stellungnahme ändere "nichts am rechtlichen Strafverhalt der Rede in Fulda". Die Organisation erachtet die neusten Aussagen als "reine Schutzbehauptung, um Druck seitens der Öffentlichkeit abzubauen".
Huonder habe sich "seit mehreren Jahren immer wieder abfällig gegenüber Schwulen und Lesben geäußert hat" und sei danach immer wieder zurückgerudert. "Die Ernsthaftigkeit seiner Aussage ist deshalb stark anzuzweifeln." Eine persönliche Gesprächseinladung seitens Pink Cross sei weiterhin unbeantwortet, bislang hätten Bischof und Bistum nur über Medien mit dem Verband kommuniziert.
Der Bischof habe die "fraglichen Bibelzitate nicht einfach wiedergegeben, sondern einleitend deren Authentizität und Wahrheit bestätigt und vor und unmittelbar nach dem Zitieren mehrmals ein entsprechendes Handeln propagiert." So habe der Bischof klar gemacht, "dass sich das Handeln der Gläubigen danach richten müsse".
1. Wir leiden nicht.
2. Wir brauchen keine Hilfe, erst recht nicht von Hasspredigern.
Und 3.: Halt's Maul...