Ein Ergebnis der Studie: Homophobe Einstellungen bündeln sich bei einer Minderheit, die sich gegen sexuelle Vielfalt positioniert (Bild: Demo für alle / flickr/ by 2.0)
Das Land NRW hat seine "Sonderauswertung zur Homophobie" aktualisiert – mit gemischten Ergebnissen.
Das nordrhein-westfälische Emanzipationsministerium hat am Mittwoch eine Aktualisierung der Studie "Abwertung gleichgeschlechtlich liebender Menschen in Nordrhein-Westfalen" (PDF) veröffentlicht. Das positive Ergebnis: Das Ausmaß von Homophobie ist in NRW – ebenso wie im übrigen Deutschland – seit 2002 in allen Altersgruppen rückläufig.
Negativ fällt jedoch auf, dass sich der Trend einer abnehmenden Homophobie nur bei Erwachsenen im mittleren Alter fortsetzt. Bei den über 60-Jährigen und den jüngeren unter 30 Jahren bleibt der Anteil der Menschen mit ablehnender Haltung gegeüber Lesben und Schwulen gleich.
Darüber hinaus zeichnet sich eine gewisse Polarisierung ab: Während die Mehrheit die gleichgeschlechtliche Liebe immer mehr akzeptiert, positioniert sich eine kleine Minderheit deutlich ablehnend gegenüber sexueller Vielfalt.
NRW-Emanzipationsministerin Barbara Steffens nannte die Ergebnisse einen "Anlass zur Besorgnis": "Wir sind also richtig beraten, wenn wir unsere Aufklärungsmaßnahmen im Jugend- und Seniorinnen- und Seniorenbereich verstetigen und ausbauen", erklärte die Grünen-Politikerin im Vorwort der Studie. Die Ministerin versprach weiter: "Akzeptanz und eine wirksame rechtliche Gleichstellung homo-, bi- und transsexueller Menschen bleiben unser vordringliches Ziel. Die Vielfalt der gelebten Lebensentwürfe ist unser gemeinsamer gesellschaftlicher Reichtum."
Die "Sonderauswertung zur Homophobie" ist im Auftrag der Landesregierung von der Hochschule Bielefeld erstellt worden und wird im Rahmen des "NRW-Aktionsplans für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller Vielfalt" jeweils aktuell fortgeschrieben. (cw)
Die Ergebnisse der Studie in der Zusammenfassung
• Das Ausmaß an Homophobie in Nordrhein-Westfalen ist rückläufig. Allerdings schwächt sich dieser positive Trend deutlich ab.
• Die große Mehrheit ist gegenüber der gleichgeschlechtlichen Liebe akzeptierend eingestellt, doch eine Minderheit lehnt weiterhin sexuelle Vielfalt klar ab.
• Rund 13 Prozent der Befragten in Nordrhein-Westfalen neigen nach wie vor zu deutlichen sexuellen Vorurteilen. Die gleichgeschlechtliche Ehe lehnt weiterhin rund ein Viertel der Befragten ab. Im Ergebnis hat immer noch ein Fünftel der Befragten in NRW homophobe Einstellungen.
• Homophobie ist bei den Älteren weiter verbreitet. Allerdings stimmen auch die Jüngeren unter 30 Jahren homophoben Einstellungen eher zu als jene im mittleren Erwachsenenalter. Bei den Jüngeren und den Älteren nimmt das Ausmaß an Homophobie nicht mehr ab, sondern stagniert.
• In der Tendenz neigen Menschen mit geringerem Bildungsstatus, Männer, Befragte mit Zuwanderungsgeschichte und Befragte, die auf dem Land wohnen, eher zu Homophobie.
• Mit zunehmender Religiosität, einer ablehnenden Haltung gegenüber kultureller und religiöser Vielfalt und einer autoritären Grundhaltung nehmen homophobe Einstellungen zu.
• Mit der politischen Selbstpositionierung von Links über die Mitte nach rechts nehmen homophobe Einstellungen zu. Wer sich politisch machtlos fühlt, neigt eher zu Homophobie. Darüber hinaus sind politische Einstellungen etwa zur Demokratie für Homophobie unbedeutend.
• Wer gegenüber Europa und der EU kritisch eingestellt ist und eine Rückbesinnung auf nationalstaatliche Autonomie fordert, neigt in der Tendenz etwas eher zur Homophobie.
• Wer seine sozialen Beziehungen nach Kosten-Nutzen bewertet und wer über mangelnde soziale Unterstützung klagt, tendiert eher zu Homophobie.
• Mit zunehmendem Einkommen sinken homophobe Einstellungen. Allerdings spielt die eigene finanzielle Lage verglichen mit anderen Einflussfaktoren insgesamt kaum eine Rolle für das individuelle Ausmaß von Homophobie. So ist beispielsweise die Angst vor der eigenen Arbeitslosigkeit unerheblich.
• Homophobie ist mit anderen Vorurteilen signifikant verknüpft. Wer homosexuelle, also gleichgeschlechtlich liebende Menschen abwertet, wertet mit größerer Wahrscheinlichkeit insbesondere Frauen, Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, Juden und Muslim_innen und in der Tendenz auch asylsuchende, langzeitarbeitslose und obdachlose Menschen und Menschen mit Behinderung stärker ab.