Kim Davis führt ihr Standesamt wie eine Kirche
Zu Update springen: Richter steckt Davis in Beugehaft (19:30h)
In Teilen der USA weigern sich Standesämter immer noch, Schwule und Lesben zu trauen. Star dieser Bewegung ist eine dreifach geschiedene Frau aus Kentucky.
Von Dennis Klein
Am 26. Juni hat der Supreme Court entschieden, dass Schwule und Lesben wie Heterosexuelle in ganz Amerika das Recht auf Eheschließung haben. Über zwei Monate später ist das Urteil aber immer noch nicht ganz in die Provinz vorgedrungen. In mehreren, insbesondere südlichen Bundesstaaten weigern sich vereinzelt Standesbeamte, gleichgeschlechtlichen Paaren Ehescheine auszugeben. Keine erlangt dabei so viel Prominenz wie die störrische Beamtin Kim Davis aus dem ländlichen Bezirk Rowan in Kentucky, und keine erzielte so viel Spott.
Die 49-Jährige ist als "County Clerk" Herrscherin über die Verteilung von staatlichen Ehescheinen im Bezirk. Sie erklärte sofort nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, dass sie keine Eheschließungen mehr im Bezirk durchführen werde – weder für Homos noch für Heteros. Als Grund führt sie aus, dass sie als Christin nicht dazu gezwungen werden könne, etwas zu tun, was gegen ihren Glauben verstößt. Und so wies sie bereits mehrere Homo-Paare ab und ließ sich dafür auf Demonstrationen gegen LGBT-Rechte feiern.
Damit überschritt sie ihre Kompetenzen. Zwei Gerichte haben in den letzten Wochen bereits entschieden, dass es zu ihrem Job gehört, Ehescheine für alle auszustellen, die nach US-Recht heiraten dürfen. Am Dienstag hat der Supreme Court einen Einspruch der 49-Jährigen abgelehnt und sie aufgefordert, den Urteilen der früheren Instanzen zu folgen. Aber sie weigert sich seit Tagen beharrlich. Am Dienstag erklärte sie vor laufenden Kameras, dass Gott persönlich ihr die Autorität gebe, so zu handeln: "Ich habe keine Abneigung gegen irgendjemanden. Das ist für mich kein schwules oder lesbisches Thema. Es geht um die Ehe und um Gottes Wort."
Youtube | Kim Davis erklärte am Dienstag einem heiratswilligen Homo-Paar (und vielen Reportern), dass sie Gottes Autorität habe, Schwulen und Lesben die Ehe zu verweigern
"Mach deine Arbeit!"
Vor dem Bezirksamt im Städtchen Morehead protestieren nun – neben Unterstützern von Davis – immer öfter LGBT-Aktivisten. Einige forderten in Sprechchören "Mach deine Arbeit!" und verwiesen darauf, dass Davis vielleicht nicht so sehr auf andere herunterschauen solle als Frau, die bereits zum vierten Mal verheiratet ist und deren zwei Kinder außerehelich geboren wurden. Soziale Netzwerke sind voll von Spott über die Frau.
Auch wurde sie von Protestlern aufgefordert, nicht Fehler aus den Sechzigern zu wiederholen: Damals wurde das Verbot von heterosexuellen gemischtrassigen Ehen in großen Teilen des Südens für verfassungswidrig erklärt. Und auch damals führte das zu einem Schock unter vielen Evangelikalen, die das Rassenmischverbot mit Zitaten aus der Bibel begründeten. Gott habe schließlich die babylonische Sprachverwirrung nur eingeführt, um die Rassen voneinander zu trennen, so die Argumentation, der heute nur noch wenige Christen folgen.
Für die religiöse Rechte ist Davis mit ihrer homofeindlichen Haltung aber ein Star: So verglich Bryan Fischer von der American Family Association, einer der einflussreichsten Lobbygruppen gegen LGBT-Rechte, die Taten von Davis mit der von Widerstandskämpfern im Dritten Reich. Wenn es mehr Leute wie Davis in Auschwitz gegeben hätte, wären weniger Juden getötet worden, sagte Fischer allen Ernstes.
Paul: Davis als "Teil des American Way"
Der "libertäre" Präsidentschaftskandidat Rand Paul hat großen Respekt für Kim Davis
Selbst republikanische Präsidentschaftskandidaten, insbesondere aus dem Süden, schließen sich den Lobeshymnen an. So erklärte Rand Paul im "Boston Herald Radio" auf die Frage, was er von Davis halte: "Menschen, die ihren Standpunkt deutlich machen und das tun, was sie glauben, sind Teil des American Way." Paul ist derzeit einer von zwei US-Senatoren für Kentucky. Marco Rubio aus Florida rief dazu auf, Respekt vor den religiösen Ansichten von Davis zu haben – zu Respekt gegenüber Schwulen und Lesben sagte er nichts.
Aber selbst manchen erbitterten Gegnern von Homo-Rechten geht Davis' Position zu weit, wie der Präsidentschaftskandidat Lindsey Graham aus South Carolina erklärte: "Ich verstehe ihre Überzeugung, ich unterstütze auch die traditionelle Ehe. Aber sie hat einen Job akzeptiert, in dem sie alle Menschen vor dem Gesetz gleichbehandeln muss."
Trotz ihres Rechtsbruchs ist es allerdings schwierig, Davis zu feuern, da "City Clerks" in Kentucky vom Volk gewählt werden. Eine Amtsenthebung von Davis, die im November 2014 als Bewerberin der Demokraten erstmals mit 53 Prozent der Stimmen gewählt wurde, kann damit nur durch ein kompliziertes und langwieriges "Impeachment"-Verfahren vom Parlament des Staates durchgeführt werden – oder wenn sie sich strafbar macht. Der Justizminister von Kentucky versucht deshalb, sie wegen eines Dienstvergehens vor Gericht zu bringen. Auch die Bürgerrechtsorganisation ACLU hat sie verklagt. Ein weiterer Ausweg wäre ein freiwilliger Rücktritt von Davis. Allerdings scheint sie einen aufregenderen Showdown anzustreben.
Update 19.30h: Davis in Beugehaft
Ein Bundesrichter hat am Donnerstag Davis durch US Marshals festnehmen lassen. Bei einer Verhandlung, zu der er die störrische Standesbeamtin und ihre Mitarbeiter vorgeladen hatte, fand er sie der Missachtung des Gerichts schuldig, da sie sich seinem Urteil widersetzt hatte und weiter widersetzen wollte. Davis wurde vor Ort ohne Handschellen abgeführt; nach US-Recht kann sie in Gewahrsam bleiben, bis sie sich dem Gericht beugt.
Die Beamtin hatte zuvor gegenüber der Presse bekannt gegeben, lieber ins Gefängnis gehen zu wollen als schwulen oder lesbischen Paaren Ehebescheinigungen auszustellen. Bürgerrechtsorganisationen und einige Homo-Paare, die von Davis abgewiesen worden waren, hatten eine Geld-, aber keine Gefängnisstrafe gefordert.
Update 23.50h: Weitere Reaktionen
Der von George W. Bush ernannte Bundesrichter hätte Davis die Haft erspart, hätte sie sich bereit erklärt, dass ihre Stellvertreter Homo-Paaren die Ehescheine ausstellen – fünf von sechs waren dazu bereit, nur ihr eigener Sohn nicht. Aber auch diesem Kompromiss wollte Davis nicht zustimmen.
Ein Sprecher der Weißen Hauses verkündete am Donnerstag, dass niemand über dem Recht stehe. Republikanische Präsidentschaftsbewerber stellten sich hingegen hinter Davis. Es sei absurd, jemand wegen seiner religiösen Freiheiten hinter Gittern zu bringen, meinte Rand Paul. Mike Huckabee sprach gar von "juristischer Tyrannei": Nun gebe es keinen Zweifel mehr, dass die Christenheit in den USA kriminalisiert werde.
In sozialen Netzwerken überwiegen derweil Spott und Unverständnis über Davis. So fragte jemand, was eigentlich passieren würde, wenn auch Gefängnisaufenthalte gegen ihren Glauben verstoßen würden.
Youtube | Kim Davis als umjubelter Star einer Demonstration gegen LGBT-Rechte in der Hauptstadt Frankfort