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Zunehmende Repression
EU mahnt LGBT-Rechte in Aserbaidschan an

Jugendliche bei der Beerdigung des aserbaidschanischen LGBT-Aktivisten Isa Shahmarli im Januar 2014
- 14. September 2015, 12:53h 3 Min.
Das Europäische Parlament verurteilt eine "beispiellose Unterdrückung der Zivilgesellschaft" des Landes.
Von Norbert Blech
Das Europäische Parlament hat mit einer am Donnerstag beschlossenen Resolution ausgesprochen deutlich kritisiert, "dass sich die allgemeine Menschenrechtslage in Aserbaidschan in den vergangenen Jahren immer weiter verschlechtert hat und führende Persönlichkeiten nichtstaatlicher Organisationen, Menschenrechtsverfechter, Journalisten und sonstige Vertreter der Zivilgesellschaft immer stärker eingeschüchtert und unterdrückt und strafrechtlich immer häufiger verfolgt wurden".
In dem lesenswerten Dokument wird unter anderem die Freilassung von etlichen Oppositionellen, Menschenrechtlern und Journalisten gefordert und das Verbot von Demonstrationen und die Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit beklagt.
In einem Unterpunkt zeigt sich die EU "zutiefst besorgt über die Lage von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Personen (LGBTI-Personen) in Aserbaidschan" und "verurteilt aufs Schärfste politische Hassreden aus den höchsten Kreisen gegen LGBTI-Personen". Sie fordert die Regierung Aserbaidschans auf, "Menschenrechtsverfechter, die sich für die Rechte von LGBTI-Personen einsetzen, nicht länger zu behindern und einzuschüchtern".
Fast 100 politische Gefangene

Aserbaidschans Hauptstadt Baku: Hinter der polierten Fassade wartet die Unterdrückung
Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin der interfraktionellen Arbeitsgruppe zu LGBT-Rechten, ergänzte am Montag in einer Pressemitteilung, dass im Laufe des letzten Jahres drei Personen aufgrund homo- oder transphober Motive getötet worden seien. "Das ist leider keine Überraschung in einem Zusammenhang, in dem hasserfüllte Sprache gegen LGBTI aus den höchsten Kreisen kommt, Politiker eingeschlossen."
Die Abgeordneten Tanja Fajon und Kati Piri stellten das Vorgehen gegen LGBT in einen Zusammenhang mit der allgemeinen Repression gegen die zivile Gesellschaft, die "außerhalb der Vorstellungskraft" sei: In Aserbaidschan gebe es "fast 100 politische Gefangene", die "Einschüchterung und Belästigung von Menschenrechtlern" gehe ungehindert weiter. Alle europäischen Kräfte seien aufgefordert, dem entgegenzuwirken und notfalls Gespräche über eine nähere Zusammenarbeit zu stoppen.
Unterdrückter Aufbruch

Der LGBT-Aktivist Isa Shahmarli sprach in Interviews offen über seine Homosexualität und galt als Zeichen der Hoffnung und des Aufbruchs
Aserbaidschan war mit dem Eurovision Song Contest 2012 in der Hauptstadt Baku erstmals auf eine größere Aufmerksamkeit der europäischen Bevölkerung gestoßen, durch viele kritische Medienberichte und eine Show, der man eine fehlende Leichtigkeit anmerkte, misslang der erwünschte Werbeeffekt.
Allerdings konnte das Land, das auf der Rangliste der Pressefreiheit derzeit auf Platz 160 und damit hinter Ländern wie Irak oder Afghanistan steht, danach mehrere Großevents akquirieren, darunter mehrere Spiele der Fußball-EM 2020 und die erste Europa-Olympiade in diesem Sommer.
Wie beim Song Contest, nach dem sich die Lage für Menschenrechtler noch deutlich verschlimmerte, hatten Aktivisten die Aufmerksamkeit für sich nutzen wollen. So planten LGBT-Aktivisten die Kampagne "Compete for Equality" (queer.de berichtete), von der man dann aber nichts mehr hörte. Von einigen LGBT-Organisationen kamen in letzter Zeit stattdessen Berichte über Selbstauflösungen, die teilweise wieder zurückgenommen wurden. Ein Anzeichen für eine sich verschlechternde Situation.
Anfang 2014 hatte sich der Vorsitzende einer neuen LGBT-Organisation, der erst 20-jährige Isa Shahmarli, mit einer Regenbogenflagge erhängt (queer.de berichtete). Wenige Monate zuvor hatte er in Interviews offen über seine Homosexualität gesprochen, was als Zeichen der Hoffnung galt.

Links zum Thema:
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