https://queer.de/?24654

Für Thorsten gehörten Sex und Drogen über viele Jahre zusammen
- 23. September 2015, 07:06h 5 Min.
Schwuler Sex und Drogen: Beim Slammen, dem Spritzen von Crystal, holte sich Thorsten eine Hepatitis C. Mit den neuen Medikamenten konnte der HIV-positive Berliner erfolgreich behandelt werden.
Drogen und Sex – etwas anderes gab es für Thorsten nicht, wenn er mal völlig abschalten wollte. "Ich hatte einen sehr anstrengenden Job in Köln und belohnte mich dafür in Berlin", erzählt er. "In den drei, vier Tagen dort hab ich mir private Sexpartys gesucht und bald auch angefangen, Crystal zu rauchen. Mit Droge war der Sex enthemmter und intensiver. Danach konnte ich auf der Arbeit direkt wieder tadellos funktionieren. Ich sah blendend aus, hab Power ausgestrahlt, ganz wie die Gesellschaft das so mag."
Vor drei Jahren wechselte Thorsten beim Crystal-Konsum vom Rauchen zum Spritzen. "Damit fing die totale Abhängigkeit an. Ich wollte Crystal gar nicht mehr anders und immer häufiger nehmen." Lange ging das nicht gut. "Nach dem CSD bin ich in Köln zusammengeklappt und hab dort noch im Juli überstürzt meine Zelte abgebrochen."
"Die beschissenste Droge, die man kriegen kann"
Eine erste Drogentherapie brach Thorsten nach kurzer Zeit ab. "Ich meinte, unbedingt noch mal auf so eine Slam-Party gehen zu müssen." Dort lernte er Ralf (Name geändert) kennen. Mit seinem neuen Lover zog er schnell zusammen. "Acht Monate haben wir uns regelrecht weggesperrt und regelmäßig Crystal gespritzt. Wenn wir uns abgeschossen haben, war er entspannt und hatte seinen Spaß. Doch ich bekam allmählich eine totale Psychose. Wenn ich druff war, hab ich die Stimmen meiner Eltern und Freunde gehört. Nach Ende der Beziehung war ich höchst selbstmordgefährdet, das hätte auch schief gehen können."
Auf Empfehlung der Schwulenberatung Berlin machte Thorsten für viereinhalb Monate eine Therapie in einer Tagesklinik. Clean bleiben bleibt seither jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung. "Über Monate kriege ich es hin, nichts zu nehmen, dann gibt es Rückfälle. Mir ist klar, dass ich so ziemlich die beschissenste Droge genommen habe, die man kriegen kann."
Eine große Unterstützung findet Thorsten in einer offenen Gesprächsgruppe zu "Party, Sex und Drogen", die sich jeden Freitag in der Schwulenberatung Berlin trifft. "Ich hab hier andere Menschen um mich herum, die haargenau das Gleiche erleben. Sie haben ihr Leben im Griff und gehen wieder arbeiten, genauso wie ich", erzählt er. "Aber sie kennen alle den täglichen Druck. Sie verstehen, wenn die Sehnsucht nach der Droge überhandnimmt und man wieder abheben will. Und dann irgendwie nach Lösungen suchen muss."
Erfolgreich behandelt gegen Hepatitis C

Seit mehreren Monaten clean: Thorsten hat es geschafft, sein Leben umzukrempeln
Während seiner aktiven Drogenzeit infizierte sich Thorsten mit Hepatitis C. Angesteckt hatte er sich bei einer Slam-Party über winzige Blutreste auf einer verunreinigten Nadel.
Eine Behandlung war für den seit 1990 mit HIV lebenden Berliner erst nicht möglich. "Ich war damals, vor zwei Jahren, schon in einer funktionierenden Therapie mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze. Allerdings ist mein CD4-Wert, also die Zahl meiner Helferzellen, nicht besonders hoch", schildert Thorsten. "Eine Behandlung mit Interferon oder Ribavirin hätte noch mehr Helferzellen kaputt gemacht und damit mein Immunsystem geschädigt." Beim Sex hielt er sich zurück. "Ich vermied Kontakte, die Hepatitis C hätten übertragen können. Kein Fisten, kein S/M, darauf habe ich extrem geachtet." (Alles Wichtige zum Schutz vor Hepatitis C für schwule Männer gibt es auf einer Online-Themenkarte des BioPharma-Unternehmens AbbVie.)
Im letzten Jahr wurden neue Medikamente ohne Interferon eingeführt. Sie greifen das Virus an, schonen aber das Immunsystem. Die Behandlung ist deutlich kürzer, die Nebenwirkungen fallen deutlich geringer aus. Damit war auch für Thorsten der Weg zur Therapie frei. Im April dieses Jahres nahm er seine ersten Tabletten. "Mir ging es Tag für Tag besser. Nach zwei Wochen hatte ich keine Hepatitis-C-Viruslast mehr. Mit der neuen Therapie bin ich wahnsinnig glücklich."
Seine letzte Tablette nahm er am 24. Juni. "Wenn die Ärzte nach den Nachuntersuchungen Entwarnung geben, dann kann ich die Korken knallen lassen."
"Leb für heute, morgen ist morgen"
Inzwischen geht Thorsten wieder regelmäßig unter Leute. "Mein Sex ohne Droge ist ok, ich kann damit mal gut, mal weniger gut leben", schildert er. "Ich hab aber viel weniger Selbstwertgefühl und bin noch nicht so weit, mich wieder auf eine Beziehung einzulassen. Da habe ich im Regelfall guten Sex mit meinem Partner. Nach einer gewissen Zeit stelle ich mir aber vor, wie es wäre, mit ihm zu konsumieren. Davor will ich mich und den anderen schützen."
Derweil krempelt der heute 42-Jährige sein Leben noch einmal völlig um. Er startet demnächst eine Ausbildung zum Erzieher in einer Kindertagesstätte. "Ich bin schon eine ganze Zeit lang clean, ich arbeite und bin positiv gestimmt. Das ändert sich natürlich fatal, wenn ich einen Rückschlag hatte", bekennt Thorsten. "Da hilft es nur, mich immer wieder an die Grundregel aller Suchtgruppen zu erinnern: Leb für heute, und sei für heute clean. Heute werde ich nach Feierabend mit dem Hund rausgehen, mit Freunden ein Eis essen und mich über das schöne Wetter freuen. Das genieße ich sehr. Morgen ist morgen."
Das ausführliche Porträt von Thorsten ist in der neuen Ausgabe der LhivFE erschienen. Das Magazin für Menschen, die mit HIV und Hepatitis C leben, wird vom BioPharma-Unternehmen AbbVie herausgegeben und kann im kostenlosen Abo per Email an bestellt werden.
Mehr zum Thema:
» Wissen schützt – auch bei Hepatitis C (01.08.2015)














