Papst Franziskus hatte einst die Obsession der Kirche mit Abtreibung und Homosexualität beklagt - bei seinem Amerika-Besuch ging er selbst vergleichsweise wenig auf die Themen ein
In seiner Rede vor dem Kongress erwähnte Franziskus Abtreibung und Homo-Ehe nur kurz und indirekt. Vor Bischöfen wurde er allerdings deutlicher.
Papst Franziskus hat am Donnerstag als erster Papst überhaupt eine Rede vor dem US-Kongress gehalten – und dabei nur wenige Worte zu den vermeintlichen Streitthemen verloren, die die römisch-katholische Kirche und auch die amerikanische Gesellschaft derzeit beschäftigen.
So ging Franziskus in einer langen Rede nur kurz auf das Thema Ehe und Familie ein: "Doch kann ich meine Sorge um die Familie nicht verbergen, die – vielleicht wie nie zuvor – von innen und von außen bedroht ist", sagte der Papst. "Grundlegende Beziehungen wie die eigentliche Basis von Ehe und Familie werden in Frage gestellt."
Das lässt sich als Kritik an der Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare lesen, auch angesichts früherer Äußerungen zum Thema und angesichts des großen Widerstandes der amerikanischen Bischöfe gegen die Homo-Ehe. Ausdrücklich von gleichgeschlechtlichen Paaren sprach der Papst aber nicht, sondern ging vor allem auf junge Menschen ein, die keine Familie gründen könnten, weil ihnen "Chancen für die Zukunft" fehlten. Andere hätten hingegen so viele "Wahlmöglichkeiten", dass auch sie von der Gründung einer Familie abgehalten würden.
Gegen Todesstrafe und Abtreibung
Großer Applaus im Kongress kam auf, als Franziskus an die "Verantwortung" erinnerte, "menschliches Leben in jedem Stadium seiner Entwicklung zu schützen und zu verteidigen". Doch anstatt die Frage der Abtreibung wörtlich zu erwähnen und dazu nähere Ausführungen zu machen, kritisierte er in Folge vor allem die auch in Teilen der USA noch praktizierte Todesstrafe.
Franziskus wandte sich gar allgemein gegen einen vereinfachenden "Reduktionismus, der die Wirklichkeit in Gute und Böse oder in Gerechte und Sünder unterteilt". Er lobte Martin Luther King für "Freiheit in der Vielfalt und Nicht-Ausschließung" und forderte eine "menschliche, gerechte und brüderliche" Reaktion auf die Flüchtlingskrise.
Bereits bei seiner Rede im Garten des Weißen Hauses war der Papst nicht auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder Abtreibung eingegangen, sondern hatte den Wert von Klimaschutz und Religionsfreiheit betont. Im Vorfeld hatte es Kritik daran gegeben, dass Obama auch LGBT-Aktivisten und einen schwulen Ex-Bischof der Anglikaner zu dem Empfang eingeladen hatte (queer.de berichtete).
Einsatz der Bischöfe gelobt
In weniger öffentlichen Reden war der Papst aber deutlicher geworden. So hatte er in einer Predigt vor der Bischofskonferenz den Bischöfen den Rücken gestärkt: "Ich freue mich über den ungebrochenen Einsatz eurer Kirche für die Sache des Lebens und der Familie, die der vorrangige Grund meines gegenwärtigen Besuches ist." Es sei bedeutend, "das Evangelium von der Familie zu verkünden", wozu sie und er beim bevorstehenden Weltfamilientreffen "nachdrücklich Gelegenheit" hätten.
Auch erwähnte er mit einem Halbsatz die "unschuldigen Opfer der Abtreibung" – nach der Predigt hatte er ausdrücklich Ordensschwestern besucht, die sich geweigert hatten, als kirchlicher Arbeitgeber ihren Angestellten eine Krankenversicherung anzubieten, die Kosten für Verhütungsmittel, für die Pille danach und für Abtreibungsmedikamente übernehmen. Eine entsprechende Klage hatte der Orden im Sommer vor einem Berufungsgericht verloren.
Noch hat der Papst Gelegenheit, zu den umstrittenen Fragen deutlich Stellung zu beziehen: Am Freitag wird er eine Rede vor den Vereinten Nationen halten, dann Ground Zero besuchen und eine Messe im Madison Square Garden abhalten. Am Samstag bis zu seiner Abreise am Sonntag hat er mehrere Termine beim "Welttreffen der Familien" in Philadelphia.
Und jetzt komme keiner damit an, dass Bergoglio als Staatsoberhaupt gesprochen hätte, denn eine Trennung von Staat und Religion kennt der Vatikan nicht.