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Justiz trifft Selbstjustiz
Russland: Neun Mitglieder von "Occupy Pedophilia" verurteilt
- 16. Oktober 2015, 14:20h 3 Min.

Die "Occupy"-Gruppe aus Kamensk-Uralski war durch besonders heftige Gewalt bekannt geworden – und durch einen Anführer, der sich so sicher fühlte, dass er die Folter in seiner Wohnung durchführen ließ
Die Neonazis, die Schwule in eine Falle lockten, folterten und öffentlich vorführten, erhielten teils mehrjährige Haftstrafen.
Von Norbert Blech
Ein Gericht in der russischen Großstadt Kamensk-Uralski hat am Mittwoch neun Männer verurteilt, die schwule Männer über soziale Netzwerke in eine Falle gelockt, sie misshandelt und Videos davon öffentlich verbreitet hatten. Sechs Männer erhielten Haftstrafen zwischen drei und sechs Jahren, drei weitere kamen mit Bewährung davon.
Die Videos der Gruppe, entstanden im Rahmen der russlandweiten Bewegung "Occupy Pedophilia", hatten weltweit Schlagzeilen gemacht. Während entsprechende Gruppen aus anderen Regionen lange unbehelligt blieben, hatten die Behörden in Kamensk-Uralski wenige Wochen nach Bekanntwerden der Videos Razzien durchgeführt und Waffen und Beweismittel sichergestellt (queer.de berichtete).
Die Gruppe war mit besonderer Gewalt gegen Schwule vorgegangen. Auf Videos wurden Schläge und Tritte dokumentiert; Opfer wurden mit Farbe übergossen und mussten mit Dildos posieren (queer.de berichtete). Berichte, dass einige der Folteropfer Selbstmord begangen hätten, stellten sich allerdings ebenso als Falschmeldung heraus wie der angebliche Tod eines Opfers.
Mindestens 19 Schwule gedemütigt
Der Prozess verzögerte sich mehrfach, weil die Polizei Schwierigkeiten hatte, Aussagen gegen die Gruppe zu erlangen. Letztlich wurden die Männer wegen Angriffen auf mindestens 19 Personen verurteilt – wegen Todesandrohungen, Folter, Körperverletzung und der Mitgliedschaft in einer extremistischen Organisation. Die Männer können innerhalb von zehn Tagen in Berufung gehen – sie hatten sich in dem Prozess allerdings nicht als "nicht schuldig" bekannt.
Das Urteil ist auch deswegen interessant, weil es sich ausdrücklich auf die Gewalttaten gegen Schwule bezogen hat. Als der Gründer und Anführer der russlandweiten Bewegung, der Moskauer Neonazi Maxim Martsinkewitsch, im letzten Jahr zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, ging es primär um Rassismus in einem der Videos, auch wenn das Opfer zugleich wegen seiner Homosexualität gedemütigt wurde (queer.de berichtete).
Zu dem Zeitpunkt hatten die Behörden immerhin den Druck auf die Selbstjustizgruppen erhöht und etwa mit einer Hausdurchsuchung gegen den Anführer der Gruppe "Occupy Gerontophilia", die vor allem Jagd auf minderjährige Schwule machte, ermittelt. Der damals erst 16-jährige Neonazi Philip Razinsky hatte sich vor strafrechtlicher Verfolgung sicher gefühlt, nachdem Ermittlungen wegen eines Videos, in dem ein Zwölfjähriger vorgeführt wurde, zuvor eingestellt worden waren (queer.de berichtete).
Zuletzt waren auch Ermittlungen eingeleitet worden gegen die von einer Frau angeführte "Occupy"-Gruppe aus St. Petersburg, die durch eine TV-Dokumentation des britschen Senders Channel 4 einige Bekanntheit erlangte (in Deutschland lief sie unter dem Titel "Nackte Angst"). Ekaterina Zigunova soll sich den Ermittlungen aber durch einen Umzug in die Ukraine entzogen haben.
Insgesamt ist es zuletzt ruhiger geworden um die "Occupy"-Gruppen; gegen Anhänger der Bewegung in Weißrussland, der Ukraine und sogar Spanien waren die Behörden zugleich schneller vorgegangen als in Russland.
