Jaroslaw Kaczynski bestimmt acht Jahre, nachdem er als Ministerpräsident abgewählt worden ist, wieder die Politik seines Landes. Er ließ sich am Sonntagabend in Warschau feiern.
In Polen hat Jaroslaw Kaczynski wieder das Sagen, nachdem seine Partei Hochrechnungen zufolge bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit geholt hat.
Von Dennis Klein
Polen rückt nach rechts: Die rechtspopulistische Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) von Parteichef Jaroslaw Kaczynski hat bei den Parlamentswahlen am Sonntag wahrscheinlich knapp die absolute Mehrheit der Sitze erreicht. PiS wurde mit rund 38 Prozent der Stimmen mit Abstand stärkste Partei vor der liberalkonservativen Bürgerplattform (24 Prozent) und einem besonders unter jungen Wählern populären konservativen Wahlbündnis des Rockmusikers Pawel Kukuz, das sich für die Einführung des Mehrheitswahlrechts ausspricht (neun Prozent). Großer Verlierer ist die LGBT-freundliche "Vereinigte Linke", der unter anderem die Sozialisten und die Grünen angehören. Sie kam auf knapp über sieben Prozent.
Neue Ministerpräsidentin wird voraussichtlich Beata Szydl. Die 52-Jährige war im Sommer überraschend von Parteigründer und -chef Jaroslaw Kaczynski als Spitzenkandidatin ausgerufen worden, wurde aber von politischen Gegnern oft als Marionette Kaczynskis bezeichnet. Dieser hatte 2005 mit Kazimierz Marcinkiewicz bereits einen Regierungschef für ein Dreivierteljahr eingesetzt, sich aber dann selbst zum Ministerpräsidenten gekrönt. Ob Szydlo dasselbe Schicksal ereilt, ist noch unklar.
Kaczynski gegen Demonstrationsfreiheit für LGBT
Der 66-jährige Kaczynski ist nach wie vor der starke Mann seiner Partei, die er jahrelang neben seinem 2010 bei einem Flugzeugabsturz verunglückten Zwillingsbruder Lech Kaczynski geführt hatte. Die beiden versuchten über Jahre, CSD-Demonstrationen in Warschau zu verbieten – Lech insbesondere als Oberbürgermeister Warschaus und später als Präsident, Jaroslaw im Amt des Ministerpräsidenten, das er zwischen 2006 und 2007 inne hatte. In dieser Zeit setzte Kaczynski, über den immer wieder Gerüchte über ein Schwulsein verbreitet worden waren, beispielsweise durch, dass sich Polen als einziges Land neben dem europafeindlichen Großbritannien nicht an die EU-Grundrechtecharta halten muss. Grund für die mit den europäischen Partnern verhandelte Ausnahmeregelung war unter anderem der ausdrückliche Schutz für Homosexuelle (queer.de berichtete).
Vielen Polen war damals das aggressive Auftreten der Kaczynski-Brüder – nicht nur gegenüber Homosexuellen, sondern beispielsweise auch gegenüber Deutschland und der EU – zu viel; die PiS musste sich 2007 und 2011 bei den Parlamentswahlen der konservativen Bürgerplattform geschlagen geben, die fortan CSDs duldete und auch Debatten über die Einführung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften führte.
Präsidentenamt bereits in Hand von Kaczynski-Partei
Doch wegen der Unzufriedenheit vieler Polen mit der Wirtschaftspolitik und mit einem aggressiven Wahlkampf, in dem Kaczynski unter anderem vor mit "Parasiten" befallenen Flüchtlingen gewarnt hatte, konnte die PiS das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen. Bereits im Mai war es der Kaczynski-Partei gelungen, das Präsidentenamt zurückzuerobern. Damals setzte sich ihr Kandidat Andrzej Duda mit 51,6 Prozent knapp gegen Bronisław Komorowski durch.
Die Übernahme des Präsidentenamtes führte bereits zu negativen Folgen für LGBT-Rechte: So blockierte Duda ein Gesetz, mit dem erstmals Transsexuelle in Polen rechtlich anerkannt worden wären (queer.de berichtete). Da die PiS nun das Parlament kontrolliert, gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass Entwürfe zu einem Transsexuellen-, einem umfassenden Antidiskriminierungs- oder einem Lebenspartnerschaftsgesetz in den nächsten Jahren eine Mehrheit finden werden.
Außerdem befürchten Gegner Kaczynskis, dass Polen nun zu einer "illiberalen Demokratie" nach dem Vorbild Ungarns umgebaut werden könnte. In Ungarn ließ Regierungschef Viktor Orbán in den letzten Jahren nicht nur die Gewaltenteilung teilweise aufheben und die Pressefreiheit einschränken, sondern etablierte in der neuen Verfassung auch Einschränkungen für Schwule und Lesben (queer.de berichtete).
Ich war bisher noch sehr hoffnungsfroh, was die Entwicklung Polens als Mitglied der EU angeht.
Hoffentlich geht Polen nicht den ungarischen Weg.