Eine erste Liebe, die von Abschiebung bedroht ist: Ibra und Rafas müssen sich in einer homophoben und rassistischen Gesellschaft behaupten (Bild: Edition Salzgeber)
Neu auf DVD: Mikel Ruedas bewegender Film "Der heimliche Freund" erzählt von der Liebe zwischen einem Jugendlichen aus Bilbao und einem gleichaltrigen Flüchtling aus Marokko.
Von Carsten Moll
Auf der Suche nach einer besseren Zukunft hat sich Ibra von Marokko aus auf den Weg nach Europa gemacht. In seiner nordafrikanischen Heimat gibt es nichts mehr, was den Teenager halten könnte: keine Familie, keine Arbeit und keine Hoffnung auf Veränderung.
So hat sich der 14-jährige Junge alleine bis in den Norden Spaniens durchgeschlagen und findet in der Hafenstadt Bilbao tatsächlich eine Art Paradies vor – ein Paradies allerdings nur der ursprünglichen persischen Bedeutung des Wortes nach, die kein Stück vom Himmel verspricht, sondern eingezäuntes Land.
Ein Außenseiter in der Festung Europa
Die Edition Salzgeber hat das Coming-of-Age-Drama mit deutschen Untertiteln auf DVD veröffentlicht.
Die äußeren Zäune, Mauern und Grenzen der Festung Europa konnte Ibra zwar überwinden, doch in ihrem Innern bleibt er aufgrund seines Flüchtlingsstatus ein Außenseiter und von Wohlstand und Sicherheit ausgeschlossen. Während Ibras Magen knurrt, liegen wie zum Spott überall um ihn herum die Reste derer herum, die keinen Mangel kennen: Wie die Stillleben großer Meister inszeniert Regisseur Mikel Rueda immer wieder Arrangements aus Abfall und karger Natur und findet damit berückende Bilder für eine Konsumwelt, deren verführerische Versprechen für die meisten eine Fata Morgana bleiben.
Doch "Der heimliche Freund" erweist sich diesen desillusionierenden Beobachtungen zum Trotz nicht als düsteres Sozialdrama, sondern wandelt munter und bisweilen sehr leichtfüßig auf den Spuren des Coming-of-Age-Films. Denn sobald sich Ibras Wege mit denen Rafas, einem Gleichaltrigen aus bürgerlichen Verhältnissen, kreuzen, rücken die Probleme des Flüchtlings in den Hintergrund und machen Platz für bekannte Motive des Jugendfilms: Rueda erzählt nicht nur von typischen Konflikten wie dem Bruch mit alten Freunden, dem Aufbegehren gegen die Eltern sowie dem sexuellen Erwachen, sondern hält sich auch bei Figuren und Schauplätzen ganz an bewährte Konventionen.
Konventionell, aber besonders

Dem Lieblingsgenre des schwulen Kinos fügt Rueda so zwar nichts sonderlich Originelles hinzu, doch die Art, wie der Filmemacher seine Geschichte erzählt, macht "Der heimliche Freund" so besonders und sehenswert. Die spielerische Montage, der verträumte Indiesoundtrack sowie die warm leuchtenden Aufnahmen von Bildgestalter Kenneth Oribe schaffen einen filmischen Raum, der den anfangs noch zögerlichen, aber immer unbefangeneren Umgang der beiden jugendlichen Hauptfiguren rahmt.
Die verliebten Jungs schaffen sich zumindest für einige Augenblicke ihr eigenes Paradies. In gleich zwei Szenen bewerfen sie sich mit Süßigkeiten, Waffeln und Fritten und übergießen sich mit Milch und Cola. Die Körper selbst werden auf diese Weise zum Schlaraffenland und erscheinen ebenso tröstlich und verführerisch wie die in allen Farben leuchtende Kirmes, die Ibra und Rafa einmal besuchen.
Die eigene Haut schützt dieses gemeinsame Paradies, doch wie verletzlich und zart diese Grenze ist, müssen die Teenager auf schmerzhafte Weise am eigenen Leib erfahren. Am Ende tragen sie beide ihre Wunden und Schrammen davon – auch als Zuschauer bleibt man davon nicht unberührt.
Youtube | Deutscher Trailer zum Film
Infos zur DVD
Der heimliche Freund (Originaltitel: A escondidas). Drama. Spanien 2014. Regie: Mikel Rueda. Darsteller: Adil Koukouh, German Alcarazu, Joseba Ugalde. Laufzeit: 88 Minuten. Sprache: spanische Originalfassung. Untertitel: Deutsch (optional). FSK 12. Edition Salzgeber