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Rechtspopulismus
AfD zieht mit Warnung vor Homo-"Propaganda" in den Wahlkampf

AfD-Plakat auf einer "Demo für alle" (2014) (Bild: gk)
- 4. November 2015, 17:09h 4 Min.
Der Wahlkampf in Baden-Württemberg wird besonders schmutzig: In ihren Wahlprogramm macht die AfD ihre Abneigung gegen LGBT-Rechte zu einem ihrer Hauptthemen.
Von Dennis Klein
Gender Mainstreaming ist ein auf einer UN-Frauenkonferenz in den Achtzigerjahren erstmals diskutierte Strategie, um die Gleichstellung von Mann und Frau gesellschaftlich durchzusetzen. Die zwei Worte sind praktisch eine Bezeichnung für das unter anderem von Bundesregierung und EU festgelegte Ziel, darauf zu achten, dass kein Gesetz ein bestimmtes Geschlecht bevorzugt oder benachteiligt. Daher müssen beispielsweise Frauen und Männer gleich viel für Kranken- oder Kfz-Versicherung zahlen.
Die baden-württembergische AfD versteht unter Gender Mainstreaming allerdings etwas anderes: Im am vorletzten Wochenende beim Parteitag in Horb beschlossenen Landtagswahlprogramm (PDF) warnt die rechtspopulistische Partei vor "Folgeerscheinungen" des Gender Mainstreaming "wie Frauenquoten, Gleichstellungsbeauftragten und staatlicher Propaganda für sexuelle Minderheiten". Jedes positive Wort über Schwule und Lesben sei demnach eine Folge dieser "Gender-Ideologie", die angeblich die Jugend und die heterosexuelle Familie kaputt mache. Im Wahlprogramm heißt es ausdrücklich, das Ziel der LGBT-freundlichen Politik sei die "Auflösung der Ehe von Mann und Frau" und die "Zerstörung der traditionellen Familie".
Die homophoben Passagen im Programm sind freilich keine Überraschung: Bereits vor wenigen Monaten hatte die Partei einstimmig einen Beschluss zum Gender Mainstreaming angenommen, in dem ebenfalls von Homo-"Propaganda" die Rede ist (queer.de berichtete). Zudem ist die Partei aktiv an den "Demos für alle" in Stuttgart beteiligt, die nicht nur nur gegen die Erwähnung von Homosexualität im zukünftigen Bildungsplan Front macht, sondern auch gegen die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Eherecht. Bei der letzten Demo wurde sogar für ein enthaltsames Leben Homosexueller geworben (queer.de berichtete).
AfD: Es gibt keine Diskriminierung Homosexueller
Überraschend ist jedoch, wie viel homophobes Gedankengut es in das Programm geschafft hat; das Thema taucht bei mehreren Punkten auf mehreren Seiten auf. So wird von einer "volkserzieherische[n] Überhöhung von nicht heterosexuellen Menschen" gewarnt und über "gesellschaftlich kaum relevante Konstellationen (LSBTTIQ)" geklagt, mit denen Schüler in Baden-Württemberg nicht belästigt werden dürften.
Entsprechende Schulbücher sollten nicht zugelassen werden, fordert das Wahlprogramm, auch düften "Lobbygruppen" keinen Schulunterricht abhalten. Auch Aufklärung über Transsexualität und Transgender scheint der AfD ein Dorn im Auge: "Wir setzen uns dafür ein, dass jedes Kind darin gestärkt wird, sein biologisches Geschlecht anzunehmen."
Gelder für "Gender-Forschung" und entsprechende Projekte und Lehrstühle an Hochschulen sollten gestrichen werden, so die AfD, die stattdessen eine Aufklärung über "den Wert von Ehe und Familie" fordert. Den Bildungsplan und den Aktionsplan zur LGBT-Emanzipation lehnt die Partei ab – sie warnt vor einer "Frühsexualisierung" und "Ideologisierung" und einem "Eingriff in die Intimsphäre" der Kinder.
Dabei werden Studien (beispielsweise über die Verbreitung homophober Schimpfwörter an Grundschulen) einfach geleugnet. Stattdessen gibt man sich pseudotolerant: "Jeder soll nach seiner Façon selig werden, aber niemandem darf vorgeschrieben werden, welche Lebensform er gut zu finden hat. Nirgendwo gibt es heute noch nennenswerte Diskriminierung Homosexueller und anderer sexueller Minderheiten." Zugleich spricht sich die AfD im Ländle gegen eine Gleichstellung der Ehe mit der Lebenspartnerschaft aus und – mit Verweis auf das Kindeswohl – gegen ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare.
In anderen Bundesländern zeigt die AfD weit weniger offen ihre Abneigung gegenüber LGBT-Rechten. So wird im Wahlprogramm in Sachsen-Anhalt, wo im März 2016 ebenfalls Landtagswahlen anstehen, zwar auch die Gleichbehandlung von Homosexuellen im Eherecht abgelehnt, aber zumindest gibt es keinen Ruf nach einer Eindämmung einer Homo-"Propaganda" (PDF). Dass das Thema in Baden-Württemberg erheblich mehr Raum erhält, könnte auch daran liegen, dass die CDU dort in die selbe homophobe Kerbe schlägt: So rechtfertigte CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf die Diskriminierung von Schwulen und Lesben mit dem Schöpfungsplan, traf sich heimlich mit den Organisatoren "Demo für alle" oder trat auf einer Parteiveranstaltung mit der homophoben Autorin Birgit Kelle auf.
Laut einer vom Meinungsforschungsinstitut INSA kürzlich erstellten Wahlumfrage erreicht die CDU mit 40 Prozent derzeit in Baden-Württemberg genauso viele Prozente wie Grün-Rot (Grüne: 24 Prozent, SPD: 16 Prozent). Zudem würde die AfD mit acht Prozent erstmals den Einzug ins Stuttgarter Parlament schaffen.
