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Lokale LGBT-Geschichte
Stadtmuseum ehrt das queere Ludwigshafen

Ein Blick in die neue Ausstellung im Stadtmuseum Ludwigshafen
- 10. November 2015, 11:37h 3 Min.
Die wunderbare neue Ausstellung "Vom anderen Ufer?" läuft noch bis 22. Mai 2016. Wir zeigen exklusiv einige der gefundenen Schätze.
Das Schwule* Museum hat seinen Sitz natürlich in Berlin, doch auch in kleineren Städten gab und gibt es queeres Leben. Regina Heilmann, die Leiterin des Stadtmuseums Ludwigshafen, kam auf die prima Idee, homo- und transsexuelle Historie, Politik und Kultur einmal aus lokaler Perspektive zu erforschen. Die Ausstellung "Vom anderen Ufer? Lesbisch & Schwul, BTTIQ in Ludwigshafen" wurde am vergangenen Wochenende von Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) eröffnet.
"Wir haben bei der Vorarbeit viele Überraschungen erlebt. Wir sind uns fast vorgekommen wie Archäologen", erklärte der Kulturwissenschaftler Wolfgang Knapp gegenüber dem "Mannheimer Morgen". Da über die lokale und regionale LGBT-Geschichte bislang kaum geforscht worden sei, habe es viele Zufallsfunde gegeben. Präsentiert werden bislang unveröffentlichte Dokumente, Exponate und Biografien.
Die Besucher der Ausstellung, die bis 22. Mai 2016 zu sehen sein wird, bekommen zunächst einen Überblick über die deutsche Gesetzgebung zu Homosexualität vom Kaiserreich bis in die Gegenwart. Im Anschluss liegt der Fokus auf der Chemiestadt. "In den 1960er und 70er Jahren gab es zahlreiche Schwulen-Kneipen im Hemshof", berichtete etwa Knapp. "Diese Szene war auch uns nicht bekannt. Aber sie hat damals Leute aus dem Rheinland, Saarland und weiter weg angezogen." Die Bars existieren jedoch seit langem nicht mehr, von den Gebäuden gibt es im Stadtmuseum nur noch Fotos.
Im Folgenden zeigen wir einige Beispiele aus der Ausstellung.
Homobar mit Popoboy

In der Gräfenaustraße 51 war einst die Ludwigshafener Homobar mit dem sehr typischen Namen "Pick Up". Um Kundschaft warb sie mit einer ganzseitigem Anzeige im längst vergilbten Gay-Guide "Spartacus" – wie damals üblich mit einem nackten jungen Mann.
Heinricht Habitz alias Liddy Bacroff

Zu den bekanntesten queeren Töchtern der Stadt gehört Liddy Bacroff, die als Heinrich Habitz geboren wurde. Weil sie ihren Lebensunterhalt als Sexarbeiterin verdiente, saß sie viele Jahre im Gefängnis. In Haft schrieb sie Texte wie "Freiheit! (Die Tragödie einer homosexuellen Liebe)" oder "Ein Erlebnis als Transvestit. Das Abenteuer einer Nacht in der Transvestitenbar Adlon". Liddy Bacroff wurde 1943 im KZ Mauthausen von den Nationalsozialisten ermordet.
Rosa-Winkel-Häftling Leo Hoffmann

Die Verfolgung im Dritten Reich spielt eine größere Rolle in der Ausstellung. Aus Ludwigshafen stammte auch der Rosa-Winkel-Häftling Leo Hoffmann, der 1942 im KZ Neuengamme ums Leben kam. An ihn erinnert heute ein Stolperstein.
Aphorismen von Elisabeth Schmidt

Mit Elisabeth Schmidt (1928-2006) erinnert die Ausstellung an eine lesbische berufstätige Frau, die zahlreiche gelungene Aphorismen und Tagebuchnotationen über die Frauenliebe hinterlassen hat. Das Foto zeigt sie im Jahr 1962.
Nachdenkliche Runde im Lesbentreff

Genau zwanzig Jahre ist dieses Foto alt, das den damaligen Lesbentreff im Frauencafé Ludwigshafen zeigt. Mit dabei waren Frauen jeden Alters.
Der unvergessene Napoleon Seyfarth

Bekanntester schwuler Sohn der Stadt ist der Autor und Aids-Aktivist Napoleon Seyfarth, der 1991 mit seiner Autobiografie "Schweine müssen nackt sein" für Schlagzeilen sorgte. Er starb im Jahr 2000 in Berlin an den Folgen seiner HIV-Infektion.
Ein Blick in private Fotoalben


Das von der rot-grünen Bundesregierung vor 15 Jahren beschlossene Lebenspartnerschaftsgesetz kommt selbstverständlich ebenfalls in der Ausstellung vor. Zu sehen sind etwa die glücklichen Hochzeitsfotos der verpartnerten Paare Buchholz und Kremer.
Ganz neu: Regenbogengottesdienst

Aus diesem Jahr stammt das Foto eines Regenbogengottesdienstes in der protestantischen Jugendkirche Ludwigshafen, zu dem die Evangelische Jugend am Internationalen Tag gegen Homophobie eingeladen hatte – selbst Integrationsministerin Irene Alt (Grüne) schaute vorbei. (cw)
Links zum Thema:
» Mehr Infos zur Ausstellung auf der Homepage des Stadtmuseums
» Flyer zu Ausstellung und Begleitprogramm als PDF
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de















