Bundeskanzler Helmut Schmidt bei einer Bundestagsrede im Jahr 1986 (Bild: Deutscher Bundestag / Presseservice Steponaitis)
Einer der wichtigsten Politiker der deutschen Nachkriegsgeschichte ist gestorben. Helmut Schmidt musste sich wiederholt gegen Vorwürfe der Homophobie wehren.
Der frühere SPD-Politiker und Bundeszanzler Helmut Schmidt ist am Dienstagnachmittag im Alter von 96 Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg gestorben. Das teilte sein behandelnder Arzt mit. Schmidt war von 1974 bis 1982 der fünfte deutsche Regierungschef und führte eine sozial-liberale Koalition an. Zuvor war er unter Willy Brandt Verteidigungs- und Finanzminister gewesen, zwischen 1967 bis 1969 führte er die SPD-Fraktion in der Großen Koalition – zu der Zeit, als die Bundesregierung den Paragraf 175 entschärfte und erstmals die gleichgeschlechtliche Liebe in Westdeutschland legalisierte.
Während Schmidts Amtszeit als Bundeskanzler wurde das Transsexuellengesetz eingeführt, das erste seiner Art in Deutschland. Zugleich waren während seiner Zeit als Hamburger Innensenator Mitte der Sechzigerjahre Einwegspiegel in Klappen installiert worden, um Schwule zu überführen. Es ist aber unklar, ob Schmidt dieses Vorgehen abgesegnet hat.
Schmidt war in den letzten Jahrzehten mehrfach vorgeworfen worden, sich stur gegen den Abbau der Diskriminierung Homosexueller ausgesprochen zu haben – eine Darstellung, die er später in mehreren Interviews zurückwies.
So hatte etwa der "Spiegel" in einer Ausgabe aus dem Jahr 1980 geschrieben: "Für die größte Verstimmung sorgte Schmidt, als er den Wunsch der Liberalen, den Paragraphen 175 abzuschaffen, als Kuriosität behandelte. Genscher zeigte sich betroffen, wie wenig Verständnis der Kanzler für Probleme von Minderheiten aufbringe." Schmidt soll dabei laut "Spiegel" auch seinen liberalen Innenminister Gerhart Baum unwirsch angefahren haben und sogar mit Koalitionsbruch gedroht haben, sollte er die Liberalisierung fortsetzen: "Jetzt reicht's, Herr Baum. Da müssen Sie sich einen anderen Koalitionspartner suchen." Besonders unter den Aktivisten der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) galt Schmidt wegen dieser angeblichen Aussagen als Feindbild.
Im Jahr 2012 erklärte der Altkanzler in der "Welt", dass die Journalisten unwahre Geschichten über seine angebliche Homophobie weiterverbreitet hätten: "Da hat wieder ein Journalist vom anderen abgeschrieben." Zum Paragraf 175 meine er: "Ich will gerne glauben, dass es eines unter vielen Themata der Koalitionsverhandlungen war. Es kamen ja alle möglichen Themata zur Sprache. Aber was ich nicht glaube, ist, dass ich mich generell zum Paragrafen 175 geäußert habe. Vielleicht habe ich mich geäußert zu dem Schutzalter von 14 Jahren. Aber für mich war der Paragraf 175 oder seine Streichung nie ein Problem." Er erklärte damals auch, dass er sich einen Homosexuellen als Kanzler vorstellen könne (queer.de berichtete). (dk)
www.2mecs.de/wp/2012/12/hamburg-spiegel-affaere-1980-polizei
-ueberwachung-homosexuelle-klappen/
www.zeit.de/1980/30/rosa-listen-in-der-hansestadt