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"Homo-Odyssee – Abenteuer eines Weltreisenden"
In 80 Orgasmen um die Welt

Brent Meersman hat aus seinen "unzensierten" Urlaubserlebnissen ein Buch gemacht. Der südafrikanische Journalist und Autor lebt in Kapstadt (Bild: privat)
- 21. November 2015, 11:57h 3 Min.
Mit Brent Meersmans "Homo-Odyssee" hat der Albino Verlag die unreflektierten Reisetagebücher eines schwulen Sextouristen veröffentlicht.
Von Markus Kowalski
Was verbindet eine Urlaubsreise nach Damaskus, Delhi und San Francisco? Überall findet man schnellen Sex, wenn man will. Ja, rund um den Globus findet der schwule Tourist heute das schnelle Abenteuer, wenn nur sein Gaydar gut funktioniert.
Das zumindest hat jetzt Brent Meersman literarisch bewiesen. Der Journalist aus Südafrika war auf sechs Kontinenten in 18 Metropolen im Urlaub. Seine Erfahrungen hat er zu einer "Homo-Odyssee" verarbeitet.
Wie abgestumpfter Sextourismus funktioniert

"Homo-Odyssee" ist die dritte Veröffentlichung des wiedergegründeten Albino-Verlags – einem Imprint des Bruno Gmünder Verlags
"Die Geschichten in diesem Buch sind unzensiert meinen Reisetagebüchern entnommen", heißt es in der Einleitung. Denn den Autor habe es immer geärgert, dass in den meisten Reiseberichten der spannendste Teil diskret verschwiegen werde, "sodass auch aufregendste Abenteuer schlichtweg keusch klingen".
Doch dieser Versuch, mit mehr Sex-Appeal einen interessanteren schwulen Reisebericht zu verfassen, ist gescheitert. In 20 Kapiteln werden die Sex-Eskapaden in loser Folge aneinandergereiht: In Singapur ist es mit Muhammad im Bett enttäuschend. In Havanna macht er es mit Giovanni, José und Santos auf Drogen. Und in Berlin passiert nachts auf der U-Bahn-Station ein anonymes Abenteuer in drei Minuten. Ist das jetzt aufregender? Im Gegenteil, ein solches Buch beschreibt nur, wie sich abgestumpfter Sextourismus anfühlt.
Zwar ist ein Reisebericht immer durch seine ganz individuellen Erlebnisse geprägt, die dann subjektiv gefärbt erzählt werden. Das kann unglaublich spannend sein. Doch wird der Sex "unzensiert" beschrieben, wird er literarisch entzaubert und gleichsam banalisiert. Deswegen ist es in der Literatur gerade am spannendsten, wenn die entscheidenden Sequenzen im Dunkeln bleiben. Das haben auch schon die schwulen Reisenden E.M. Forster, W.H. Auden und Christopher Isherwood gewusst, als sie ihre Bücher schrieben.
Leider nur ein schwuler Schmöker
Die "Homo-Odyssee" ist die dritte Veröffentlichung des noch jungen Albino-Verlags. Der Schwerpunkt des Verlagsprogramms solle auch auf "anspruchsvoller Unterhaltung" liegen, hieß es bei der Neugründung im Juli 2015 (queer.de berichtete). Anspruchsvoll unterhält dieses Buch nun allerdings nicht. Vielmehr ist es nur ein Stück Trivialliteratur geworden: ein leicht verdaulicher, schwuler Schmöker.
Berührend ist die "Homo-Odyssee" nur, wenn plötzlich Melancholie aufkommt: Wenn der Reisende wieder in den Flieger steigt, obwohl er doch gerade dabei war, sich zu verlieben. Der kurze Moment, wenn die Ungerechtigkeit von "westlich privilegiert" und "benachteiligt in der Dritten Welt" sichtbar wird. Doch da der Autor stets den Kontakt zu den Jungs verliert, erfährt der Leser auch nie, wie sich die Geschichte hätte weiterentwickeln können. Schade.
Schließlich ist auch das Resümee fragwürdig. Meersman plädiert für eine Vielfalt der homosexuellen Identitäten: "Sex mit Männern sollte nicht jenen vorbehalten sein, die sich selbst als schwul betrachten." Damit gibt er sich mit der Tatsache zufrieden, dass Homosexuelle in so vielen Ländern nach wie vor unterdrückt werden, sodass die einzige Begegnung zweier Männer der schnelle, anonyme Sex bleibt.
Meersman hinterfragt das nicht, sondern nutzt es aus. Er hinterfragt nicht, wieso die Männer, die er trifft, sich so oft in ihrem Begehren verstecken müssen. Oder wie staatliche Repression und eine traditionelle Gesellschaft das Individuum verändern. Stattdessen reist er als reicher, weißer Tourist durch die Welt und bezahlt seine Jungs für den Sex. Das alles schreibt er dann als Abenteuergeschichten auf.
Wie stumpfsinnig. Als würde homosexuelles Leben nur aus dem schnellen Sex bestehen, den man in jeder Stadt auf der Welt haben kann.
Brent Meersman: Homo-Odyssee. Abenteuer eines Weltreisenden. Reisetagebuch. 363 Seiten. Aus dem Englischen von Dirk Schiller. Albino-Verlag. Berlin 2015. 16,99 €. ISBN 9783959850391
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