Im Juni feierten LGBT-Aktivisten in den USA die Ehe-Öffnung (Bild: flickr / Elvert Barnes / by 2.0)
Im abgelaufenen Jahr war nicht alles schlecht: queer.de stellt zehn der Highlights aus den vergangenen zwölf Monaten aus LGBT-Sicht vor.
Von Dennis Klein
Länder des Jahres: Irland und die USA
Wenn jemand vor 20 Jahren erzählt hätte, dass deutsche Schwule und Lesben neidisch auf die rechtliche Situation in Irland schauen, hätte man ihn wohl ausgelacht. Im Jahr 2015 ist das aber so: Bei einem Volksentscheid im Mai haben 62,1 Prozent der Iren für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht gestimmt. Kurze Zeit später reformierte die Regierung auch das Transsexuellenrecht und schützte Schwule und Lesben vor Diskriminierung durch die katholische Kirche. Auf diese drei Entscheidungen müssen LGBT in Deutschland noch warten.
Auch die USA haben einen weiten Weg in sehr kurzer Zeit zurückgelegt: Erst 2003 wurde das Verbot von homosexuellen Handlungen in 14 Bundesstaaten vom Supreme Court für verfassungswidrig erklärt. Im Juni diesem Jahres erklärten die Höchstrichter im Fall "Obergefell v. Hodges" das Ehe-Verbot für Schwule und Lesben als verfassungswidrig. Dabei beriefen sie sich wie 2003 auf den 14. Verfassungszusatz aus dem Jahr 1868, der ein abstraktes Diskriminierungsverbot enthält.
Reform des Jahres: Lockerung des Blutspendeverbots für Schwule
Die Niederlande, Frankreich und die USA erlauben seit diesem Jahr erstmals seit Jahrzehnten homosexuellen Männern wieder, Blut zu spenden – allerdings erst nach einer sexfreien Karenzzeit. Argentinien will Schwule künftig sogar gleich behandeln wie Heteros – es wird nur das Risikoverhalten bewertet, nicht die sexuelle Orientierung des Spenders. Eine solche Regelung wird auch hierzulande von der Deutschen Aids-Hilfe gefordert, da viele heterosexuellen Männer zumindest zeitweise höhere Infektionsrisiken aufweisen würden als Schwule. Innerhalb der EU behandeln aber nur sechs von 28 Ländern homo- und heterosexuelle Männer gleich. Leider hat aber der Europäische Gerichtshof entschieden, dass ein Blutspendeverbot aufgrund der sexuellen Orientierung gerechtfertigt sein kann.
Mini-Reform des Jahres: Mehr Rechte für Lebenspartner
Es ist ja nicht so, dass in Deutschland gar nichts vorangeht. Zwar scheitert die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht noch immer am Widerstand der Kanzlerin, während sämtliche westliche Nachbarn der Bundesrepublik inzwischen die Ehe für alle eingeführt haben. Dennoch haben mit der Verabschiedung des "Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner" Homo-Paare mehr Rechte erhalten als je zuvor. Praktisch sind eingetragene Lebenspartner jetzt mit Ausnahme des Adoptionsrechts im Inland gleichgestellt. Dass die Bundesregierung aber immer noch an der Restdiskriminierung festhält und dass die SPD wie zuvor die FDP diesem Thema keinerlei Priorität einräumt, ist schade und macht Deutschland in Westeuropa zu einem der rückständigsten Länder.
Kirche des Jahres: Norwegische Volkskirche
Nach langen Debatten – und sechs Jahre nach der Ehe-Öffnung in Norwegen – haben sich die Bischöfe der evangelisch-lutherischen Volkskirche einstimmig für die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben bei Eheschließungen ausgesprochen. Die kirchliche Trauung wird dort auch vom Staat anerkannt. In Deutschland müssen evangelische Christen wohl noch viele Jahre auf eine Gleichstellung von schwulen und lesbischen Paaren mit heterosexuellen warten; immerhin bieten inzwischen 15 der 20 Landeskirchen die Segnung von Homo-Paaren an – außerdem hat die Rheinische Kirche im Dezember angekündigt, Trauungen für gleichgeschlechtliche Paare zu planen.
Homo-Propaganda des Jahres: Schweden
Ein besonders preisgünstiges und friedliches Verteidigungssystem hat sich die Schwedische Gesellschaft für Frieden und Schlichtung im Frühjahr einfallen lassen: Nachdem russische U-Boote in schwedischen Gewässern gesichtet worden waren, stellte die Gesellschaft ein Unterwasserschild mit der Aufschrift auf: "Willkommen in Schweden. Gay seit 1944". Dazu wird im Morse-Code ständig gesendet: "Hier lang, wenn ihr schwul seid". Solange Russland am Homo-"Propaganda"-Gesetz festhält, ist Schweden damit sicher.

Stadt des Jahres: Boizenburg
Kleine Gemeinden, insbesondere im durch Nazi-Attacken bekannt gewordenen Mecklenburg-Vorpommern, gelten ja gemeinhin nicht als erste Verteidiger von LGBT-Rechten. Die 10.000 Einwohner zählende Stadt Boizenburg hat uns aber eines besseren belehrt: Als dort die städtische Regenbogenfahne von homophoben Rabauken entfernt wurde, setzte Bürgermeister Harald Jäschke ein Zeichen und hisste persönlich eine neue Fahne. Seine Bürger rief er auf, ein Zeichen zu setzen und selbst Regenbogenflaggen zu hissen.
Out: Christian Schild
Coming-out des Jahres: Volksmusiker Christian Schild
Das Coming-out des Sängers der Band Voxxxclub sorgte im November für Aufsehen in der Yellowpress. In der Volksmusik, in der sich arrogante Homo-Hasser wie Andreas Gabalier tummeln, sind Sänger, die offen mit ihrer Homosexualität umgehen, sehr wichtig. Und in der konservativen Bastion können sie noch Meinungen verändern. Wahrscheinlich hat Patrick Lindner bereits mehr für die Akzeptanz der Ehe für alle getan als alle Sonntagsrede von Politikern.
Hochzeit des Jahres: Xavier Bettel
Der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel hat im Mai seinen langjährigen Partner Gauthier Destenay geheiratet – nachdem er im Jahr zuvor selbst die Ehe für alle eingeführt hatte. Das kleine Großherzogtum hat übrigens die schwulste Führung der Welt: Neben dem liberalen Premierminister hat auch sein Stellvertreter, der Sozialdemokrat Etienne Schneider, aus seiner Homosexualität kein Geheimnis gemacht.
Studie des Jahres: Die Jugend in Deutschland wird toleranter
Angesichts der Erfolge von Pegida, "Demo für alle" und der AfD könnte man meinen, dass sich Deutschland gerade auf eine neue Eiszeit zubewegt. Die Shell-Jugendstudie kommt aber zu dem Ergebnis, dass junge Menschen in Deutschland inzwischen Minderheiten weit mehr akzeptieren als noch vor fünf Jahren – seien es Ausländer oder auch Schwule und Lesben.
Zombie-Kämpfer des Jahres: Aaron
In "The Walking Dead", der der heißesten Fernsehserie seit Jahren, spielt seit Februar erstmals auch ein Schwuler mit: Im Februar tauchte Aaron auf, ein herzensguter Abenteurer, der – Spoiler-Alarm – auch nach einem Jahr in der Serie noch am Leben ist, während rechts und links die übriggebliebenen Menschen von Zombies angeknabbert wurden. Vor Aarons Auftauchen hatten Blogger beklagt, dass in der Fernsehserie keine Handlungsstränge über LGBT enthalten sind, obgleich es mehrere in den Comics gibt.
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Hier aber meine Liste der LGBT-Höhepunkte des Jahres 2015, die teilweise doch anders ausfällt.
Platz 1) Sieg vor dem Supreme Court in Washington, D.C.: homosexuelle Paare können landesweit in den USA heiraten
Platz 2) Erfolgreiches Referendum in Irland: zwei Drittel der abstimmenden Iren befürworteten die Eheöffnung in Irland
Platz 3) Am 1. Januar 2015 trat die Eheöffnung in Luxemburg in Kraft.
Platz 4) Das Verfassungsgericht in Mexiko erklärte die Eheöffnungen in einzelnen Bundesstaaten für zulässig. Damit ist auch in Mexiko der Weg frei (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Kolumbien haben bereits in Lateinamerika die Eheöffnung umgesetzt)
Platz 5) In Grönland wurde im Oktober 2015 die Eheöffnung durchgesetzt.
Platz 6) In Chile trat das Partnerschaftsgesetz in Kraft.
Platz 7) In der Republik Zypern trat im Dezember 2015 das Partnerschaftsgesetz in Kraft.
Platz 8) Die lutherische Norwegische Kirche ermöglichte kirchenrechtlich die Trauung homosexueller Paare (die lutherische Schwedische Kirche, die lutherische Isländische Kirche und die lutherische Dänische Kirche haben die Trauung für verheiratete gleichgeschlechtliche Paare bereits erlaubt).
Platz 9) Im Zuge der Eheöffnung in den USA ermöglichten kirchenrechtlich die Presbyterian Church (USA) und die anglikanische Episkopalkirche die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare.
Platz 10) Der Film "Stonewall" von Roland Emmerich erschien in den Kinos