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Jahresrücklick: Flop Ten

Tiefpunkte des Jahres 2015


In Stuttgart trafen sich 2015 mehrfach tausende Menschen bei der "Demo für alle", um gegen LGBT-Rechte anzukämpfen (Bild: demo für alle / flickr / by 2.0)

  • 30. Dezember 2015, 15:00h 27 7 Min.

Dieses Jahr brachte so einige Rückschläge für die LGBT-Bewegung mit sich. queer.de stellt zehn der Tiefpunkte aus den vergangenen zwölf Monaten vor.

Von Dennis Klein

Gefahr des Jahres: Einfluss der Homo-Hasser
2015 war ein gutes Jahr für deutsche Homo-Gegner. Das zeigte sich vor allem am Wachstum der "Demo für alle". Die angebliche Bewegung gegen den Bildungsplan erweiterte ihren Themenkreis: Die Homo-Hasser kämpfen nun auch gegen die Ehe für alle sowie gegen alle Ziele des "weltweit finanzstarken Unterstützernetzwerks" der "Homo- und Genderbewegung", wie es Organisatorin Hedwig von Beverfoerde im Herbst auf einer Veranstaltung ausdrückte, auf der zuvor ein Schweizer Bischof über die Todesstrafe für Homosexuelle sinniert hatte.

Hier findet sich eine Allianz zusammen aus konservativen, rechten bis rechtsextremen sowie gläubigen bis fundamentalistischen Kreisen. Viele Medien ignorieren oder unterstützen gar die Bewegung, deren Gefährlichkeit spätestens im Herbst deutlich wurde: Als auf einer Demo in Stuttgart ein zur Enthaltsamkeit dressierter Schwuler beklatscht wurde. Liegt hier das Ziel? Oder nur eine Zwischenstation?

Die neue Homophobie hinterlässt auch so Spuren in der Politik: CDU-Spitzenpolitiker trafen sich mit Vertretern der Bewegung, die AfD zieht mit einer Warnung vor "Homo-Propaganda" in den Wahlkampf im Ländle. Und die Bewegung verroht die Sprache, in manchem Leserbrief, auf vielen neurechten Portalen und vor allem aber in sozialen Netzwerken wird der homophobe Menschenhass spürbar lauter.

Enttäuschung des Jahres: Die Bundesregierung
Jahr für Jahr öffnen mehr Länder die Ehe für Schwule und Lesben – selbst Grönland war 2015 dabei. Doch in Deutschland geht es nur langsam voran. Laut Umfragen sind zwei Drittel der Bevölkerung für die Gleichbehandlung, der Bundesrat und die Opposition preschten mit Initiativen vor – aber die Union blockiert innerhalb der Bundesregierung weiter. Nachdem sich Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage menschlich gezeigt hat – und ihr das in ihrer eigenen Partei erstmals seit Jahren einiges an Widerstand eingebracht hat – wird sie sich bei der Frage von LGBT-Rechten bis zur nächsten Wahl wohl keinen Meter mehr bewegen. Bereits im Sommer hatte sie sich in zwei Interviews gegen die Gleichstellung ausgesprochen, im Dezember definierte der CDU-Bundesparteitag die Ehe als Verbindung aus Mann und Frau.

Ärgerlich ist auch, dass die Bundesregierung weitere Reformen blockiert: Von der Rehabilitierung von Opfern des Paragrafen 175 der Nachkriegszeit über das Transsexuellengesetz bis zu einer EU-Antidiskriminierungsrichtlinie. Schwarz-Rot brachte lediglich eine Mini-Reform bei der Lebenspartnerschaft auf den Weg. Das führte dazu, dass Deutschland bei LGBT-Rechten europaweit immer mehr zurückfällt – laut der aktuellen ILGA-Liste sogar hinter Österreich. Und Koalitionspartner SPD tut derzeit wenig, daran etwas zu ändern.

Verkannter Hetzer des Jahres: Papst Franziskus
Während die großen Medien fast einhellig Papst Franziskus als Reformer und Humanisten loben, zeigt er bei Schwulen und Lesben weiterhin die alte hässliche Fratze der Homophobie. Nach außen hin gibt er sich zwar meist tolerant und offen, seit er seine "Wer bin ich"-Rede gehalten hat. Aber innerhalb der katholischen Kirche hat sich praktisch nichts geändert: Bei der Familiensynode gingen die Pfaffen keinen Zentimeter auf Schwule und Lesben zu, das Coming-out von Krzysztof Charamsa löste auch nur höchstens die üblichen Reflexe aus.

Franziskus mischte sich persönlich bei den Volksentscheiden zu Homo-Rechten in Slowenien und der Slowakei ein. Außerdem machte bei der UN Stimmung gegen LGBT-Rechte. Franziskus' Bischöfe folgten ihrem Vorbild weltweit: In den USA riefen die Bischöfe beispielsweise Gläubige auf, keine LGBT-freundlichen Politiker zu wählen. Auch in Deutschland äußerten sich viele Bischöfe abfällig über Schwule und Lesben: So sind sie für Bischof Stefan Oster etwa wie grüne Tomaten – nämlich "ungereifte" Heteros.

Unmenschlichkeit des Jahres: Morde des IS
Der "Islamische Staat" hat für Homosexuelle die Todesstrafe festgelegt. Und immer wieder prahlen die Terroristen damit, mutmaßliche Schwule von Häusern gestürzt oder gesteinigt zu haben. Die religiösen Fanatiker versuchen mit den grausigen Bildern dieser Gewalttaten neue Anhänger zu werben.

Grausige Bilder und Meldungen erreichten uns 2015 auch aus anderen Ländern: In Jerusalem stach ein ultra-orthodoxer Jude erneut auf CSD-Teilnehmer ein und verletzte ein junges Mädchen tödlich. Während in Moskau erstmals CSD-Teilnehmer für einige Tage in Haft gesteckt wurden, ging die Polizei in Istanbul mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstrierenden vor (siehe Bild). In der Ukraine gab es mehrere Anschläge und Angriffe auf LGBT-Einrichtungen, beim CSD in Kiew kam es zu Ausschreitungen zwischen Nationalisten und Polizisten.



Überflüssigster Streit des Jahres: Rexhausen-Platz
Im Mai hätte in Köln anlässlich des Tages gegen Homophobie der Felix-Rexhausen-Platz eingeweiht werden sollen. Doch daraus wurde zunächst nichts: Der Blogger David Berger warf dem 1992 verstorbenen schwulen Journalisten und Mitbegründer von Amnesty International in Deutschland vor, Kindesmissbrauch verherrlicht zu haben. An den Vorwürfen war zwar nichts dran, dem Anfang des Jahres entlassenen "Männer"-Chefredakteur war das aber egal – er fuhr eine monatelange Diffamierungskampagne in sozialen Netzwerken und etlichen Medien. Das war ein gefundenes Fressen für die rechtsextreme Lokalpartei Pro Köln, die versuchte, die nachgeholte Einweihung im Dezember zu stören. Am rechten Rand der Szene bräut sich gerade einiges zusammen.

Peinlichkeit des Jahres: Streit um Xavier Naidoo
Wie schön war es doch, als Stefan Raab den Grand Prix organisierte. Der NDR bekommt aber derzeit keinen Fuß auf den Boden, seit er 2012 wieder die Alleinherrschaft über den populären Wettbewerb übernommen hat. In diesem Jahr war die nach einem Shitstorm ohnegleichen wieder zurückgezogene Nominierung von Xavier Naidoo besonders peinlich. Neben den Zweifeln, ob der Mannheimer Soul-Sänger in den Wettbewerb passen würde, hätte seine Nähe zu Verschwörungstheoretikern und ein drei Jahre alter Song, in dem er offenbar Kindesmissbrauch mit Homosexualität gleichsetzt, ein Warnsignal für die Verantwortlichen sein sollen.

Dödel des Jahres: Andreas Gabalier
Der Volks-Rock'n'Roller fordert Schwule und Lesben auf, sich öffentlich zurückzuhalten, und schimpft über "schmusende Männlein". Gleichzeitig bedauert er sich selbst, weil sein Leben wegen seiner sexuellen Orientierung nicht so einfach sein soll ("Man hat's nicht leicht auf dieser Welt, wenn man als Manderl noch auf ein Weiberl steht"). Dass diese Art von Alltagshomophobie in den deutschen Medien kaum hinterfragt wird, ist besonders bedenklich.



Warnung des Jahres: Anti-Trans-Gewalt
271 Transpersonen sind laut einer Untersuchung in einem Jahr wegen ihrer Geschlechtsidentität getötet worden – und die Dunkelziffer dürfte noch weit höher liegen. Transphobe Gewalt ist eine weltweite Epidemie mit teils unvorstellbaren Attacken auf diese Community: In den USA verübte sogar ein Zwölfjähriger einen Mordanschlag auf eine Transfrau. In der Stadt Houston reichte eine extrem transphobe Kampagne, um den LGBT-Diskriminierungsschutz in einem Volksentscheid abzuschaffen – und das ist einer liberalen Stadt, die seit Jahren von einer offen lesbischen Bürgermeisterin regiert wird.

Homo-Hasserin des Jahres: Kim Davis
Den Aufstieg von Kim Davis kam man nur als bizarr bezeichnen: Die Standesbeamtin aus dem ländlichen Kentucky weigerte sich nach der Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben, gleichgeschlechtlichen Paaren Heiratsurkunden auszustellen. Wegen dieser offenen Diskriminierung, die sie auch ihren Mitarbeitern befahl, landete sie in Beugehaft. Von der religiösen Rechten in Amerika, die mehrere aussichtsreiche republikanische Präsidentschaftskandidaten wie Ted Cruz einschließt, wurde sie für ihre Arbeitsverweigerung gehätschelt, im November gewann sogar ein Davis-Fan die Gouverneurswahl. Die dreifach geschiedene Frau ist derzeit immer noch im Amt. Immerhin: In ihrem Bezirk dürfen Schwule und Lesben heute heiraten. Davis darf ihnen aber die Unterschrift auf den Formularen verweigern, was aber keine rechtlichen Konsequenzen hat.

Lektion des Jahres: Wir leben ungesünder
Trotz der fortschreitenden Gleichstellung in westlichen Ländern zeigen Studien, dass LGBT weiterhin mehr Gesundheitsrisiken eingehen; so rauchen und trinken sie mehr. Forscher erklären das in der Regel mit "besonderen Stressfaktoren": Wegen der anhaltenden Diskriminierung suchten diese Gruppen eher Ausflüchte aus dem realen Leben. Und dass nach wie vor viel getan werden muss, zeigt eine rheinland-pfälzische Studie, die besagt, dass Diskriminierung "häufig an der Tagesordnung" ist.

#1 RobinAnonym
  • 30.12.2015, 15:17h
  • Die Dauer-Auszeichnung für Unterdrückung, Diskriminierung und Hetze gehört wie jedes Jahr der Kirche sowie der CDU/CSU und den Parteien, die das der CDU/CSU erst ermöglichen und deren Homohass mittragen (früher FDP, jetzt SPD).
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#2 druckversionAnonym
#3 SebiAnonym
  • 30.12.2015, 17:18h
  • Mein Tiefpunkt des Jahres (neben den "Klassikern" Bundesregierung und Kirche) und gleichzeitig das, was mir die meisten Sorgen bereitet, ist die rasant um sich greifende Homophobie in Deutschland.

    Was das betrifft, hat Deutschland momentan mehr mit den osteuropäischen Staaten zu tun als mit seinen westlichen und nördlichen Nachbarn.

    Schon seit einiger Zeit ist ja in Deutschland ein konservativer Rollback zu beobachten, aber dass der jetzt auf einmal so rasant Fahrt aufnimmt, ist sehr besorgniserregend.

    Mittlerweile zeigt man wieder ganz offen Homohass und faschistisches Gedankengut ohne sich dafür zu schämen. Das ist natürlich auch "Verdienst" der Kirchen und der Politik (oder besser: von Teilen der Politik). Einige Politiker spielen für ihren persönlichen Vorteil mit dem Feuer und merken gar nicht, dass sie einen Flächenbrand lostreten, der schon bald unkontrollierbar werden könnte.

    Wenn wir nicht sehr bald dagegen aktiv werden und zeigen, dass wir uns das nicht mehr bieten lassen, werden wir uns noch wundern, was noch alles kommt und wie schnell das gehen wird.
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