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Repression
Russland: Duma berät über Coming-out-Verbot

Vorübergehende Festnahme eines LGBT-Aktivisten bei einem Protest in St. Petersburg im Frühjahr.
- 12. Januar 2016, 17:28h 2 Min.
Die Vorlage der Kommunisten sieht Geld- und sogar Haftstrafen vor, sollte jemand öffentlich über sein Schwulsein reden.
Das russische Parlament wird sich am Dienstag (19. Januar) in erster Lesung mit einer Gesetzesvorlage befassen, die das öffentliche Bekenntnis zur männlichen Homosexualität unter Strafe stellen soll.
Wer gegen das Anti-Coming-out-Gesetz verstößt, soll eine Geldstrafe von bis zu 5.000 Rubel (75 Euro) zahlen müssen – oder bis zu 15 Tage Arrest erhalten, wenn die "Zurschaustellung der sexuellen Orientierung" in einer Erziehungseinrichtung, in Kulturinstitutionen oder in Behörden geschehe. Eingebracht hatten den Entwurf im letzten Oktober die beiden kommunistischen Abgeordneten Iwan Nikitschuk und Nikolaj Arjefyjew (queer.de berichtete). Die Oppositionspartei hält 92 der 450 Duma-Sitze.
Nikitchuk sagte, er rechne dennoch mit einer Verabschiedung: "Ich glaube nicht, dass sich Parlamentarier trauen würden, eine deutliche Unterstützung für Homosexuelle zu zeigen." Das Gesetz gegen Homo-"Propaganda" habe ja auch eine breite Mehrheit erhalten.
Weitere Einschränkung der Versammlungsfreiheit
Das 2013 verabschiedete "Homo-Propaganda"-Gesetz sieht Geldstrafen für die Werbung für "nicht-traditionelle Familien" gegenüber Minderjährigen vor, wurde in der Praxis aber kaum vor Gericht angewandt. Neben einer "Präventiv"-Wirkung hatte es allerdings zahlreiche Vorab-Verbote von LGBT-Demonstrationen zur Folge. Das Gesetz wäre dabei nicht nötig gewesen: In den Jahren zuvor waren entsprechende Demonstrationen mit anderen Begründungen verboten worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte einzelne Verbote danach bemängelt.
Auch Nikitschuk schwebt wohl vor allem eine Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit vor; so gab er an, dass LGBT-Proteste und CSD-"Paraden" in den Definitionsbereich seines Gesetzes gehören würden. Ihm gehe es um den Schutz "orthodoxer Werte". Bereits zuvor hatte er Homosexualität als eine "schwerwiegende Gefahr für jede normale Person und für die Gesellschaft als Ganzes" bezeichnet – sowie Schwule als aus dem Westen kommender "Abschaum", "krank"" und "ekelhaft". Frauen seien allerdings "vernünftiger", weswegen sich das Gesetz nicht auf sie beziehe.
Russische LGBT-Aktivisten können noch nicht beurteilen, wie sie die Erfolgsaussichten und mögliche Wirkungen des Gesetzes einschätzen sollen. Sie hatten in den letzten Jahren vor allem mit dem Gesetz gegen "internationale Agenten", mit ihnen feindlich gestimmten Massenmedien sowie einzelnen extremst homophoben Politikern wie dem St. Petersburger Abgeordneten Witali Milonow zu kämpfen.
Milonow machte erst in den letzten Tagen wieder Schlagzeilen, weil er in St. Petersburg ein LGBT-Wintersportfest verhindern will. Der Gesetzentwurf der Kommunisten aus Moskau geht aber auch ihm zu weit: Der Staat könne Menschen nicht ins Gefängnis stecken, nur wenn sie ihre sexuelle Orientierung "zugeben", sagte er im letzten Herbst gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. (nb)
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