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Gleichstellung von Lesben und Schwulen
Ihr wollt die Ehe für alle? Politisiert euch!

Große Koalition für die Ehe-Öffnung: Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) und Justizstaatssekretär Christian Lange (SPD) (Bild: BMH / Sabine Hauf)
- 12. Februar 2016, 10:34h 3 Min.
Auf Einladung der Hirschfeld-Stiftung wurde in Berlin über 15 Jahre Lebenspartnerschaft diskutiert. Es überwog der Frust, doch Rita Süssmuth gab sich kämpferisch.
Von Steffen Hafenmayer
Der Sozialdemokrat Christian Lange, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, hat an diesem Abend keinen leichten Stand. Zu viel hat die SPD in Sachen Gleichstellung von Lesben und Schwulen vor der Wahl versprochen, zu wenig hat sie gehalten.
Nach 15 Jahren Lebenspartnerschaftsgesetz hat die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld am Donnerstagabend in Kooperation mit dem Berliner "Tagesspiegel" zu einer Podiumsdiskussion geladen, um ein "Resümee zu ziehen und einen Ausblick zu wagen", wie Vorstand Jörg Litwinschuh zur Begrüßung erklärt. Das ist seine freundlich-diplomatische Umschreibung für die Frage: Warum, verdammt noch mal, wurde in Deutschland die Ehe noch immer nicht für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet?
Staatssekretär Lange verweist in der Diskussion natürlich auf den Koalitionspartner CDU/CSU. Es sei schier unmöglich gewesen, weitere Punkte in Sachen Gleichberechtigung durchzubringen. Zu groß sei der Widerstand. Immerhin sei mit der Sukzessivadoption eine weitere wesentliche Verbesserung erreicht worden. Dass aber auch diese nur durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erzwungen wurde, behält der SPD-Politiker für sich. Das Publikum wird unruhig.
Ein Wiedersehen mit alten Bekannten

Enttäuscht von der Bundesregierung: LSVD-Vorstand Manfred Bruns und die ehemalige Bundestagsabgeordnete Barbara Höll (Die Linke) (Bild: BMH / Sabine Hauf)
Oben auf dem Podium sitzen neben dem Staatssekretär weitgehend alte Bekannte, die bereits vor 15 Jahren über die Bürgerrechte von Lesben und Schwulen diskutierten: LSVD-Vorstand Manfred Bruns und der Grünen-Abgeordnete Volker Beck natürlich, Barbara Höll von der Linkspartei, "taz"-Redakteur Jan Feddersen und die Gender-Forscherin Sabine Hark. Die CDU ist, nicht unbedingt repräsentativ, mit der ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth vertreten.
So sind sich alle Anwesenden schnell einig: Das Lebenspartnerschaftsgesetz war im Jahr 2001 durchaus ein erster wichtiger Schritt hin zu einem gesellschaftlichen Wandel. Die Akzeptanz in Deutschland ist größer geworden, die Umfragen sprechen mittlerweile eine eindeutige Sprache. "Wir haben viel erreicht", sagt auch Manfred Bruns, aber um das zu schützen, müsse die Ehe für alle kommen.
Dass die Gleichstellung im Eherecht noch in der laufenden Legislaturperiode beschlossen wird, glaubt indes niemand im Berliner "Tagesspiegel"-Haus. LSU-Chef Alexander Vogt vertröstet in einem Redebeitrag auf die Bundestagswahl 2017 – und löst selbst damit große Skepsis aus. Mit der Union werde es niemals eine Ehe-Öffnung geben, meint Staatssekretär Lange und wirbt für Rot-Grün. Rita Süssmuth warnt vor einem gesellschaftlichen Rollback.
Auch hier herrscht weitgehend Einigkeit: Das Land ist in der Flüchtlingskrise nach Rechts gerückt, AfD und Pegida lassen grüßen. In Stuttgart mobilisieren Beverfoerde und Co. regelmäßig tausende Menschen, um gegen den Bildungsplan der grün-roten Landesregierung zu demonstrieren. Als Reaktion auf die steigenden Umfragewerte der AfD grenzen sich auch Unions-Politiker von LGBT-Rechten ab.
Sabine Hark: Queeren Gegendruck erzeugen

Zwei kämpferische Frauen: Sabine Hark und Rita Süssmuth (Bild: BMH / Sabine Hauf)
Die Soziologin und Ehe-Kritikerin Sabine Hark gibt sich dennoch kämpferisch. Die queere Community müsse neue Wege gehen, kreative Strategien austesten und gesellschaftsübergreifende Allianzen schmieden, fordert die Leiterin des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der Technischen Universität Berlin. Es müsse darum gehen, die Community miteinzubeziehen, die politische Offensive zu suchen, Widersprüche aufzuzeigen und einen queeren Gegendruck zu erzeugen. Auf Deutsch übersetzt: Wir müssen uns politisieren.
Unterstützung erhält Hark von der 78-jährigen CDU-Politikerin Rita Süssmuth, die zum Ende der Diskussion erfrischend radikal wird: "Es hängt davon ab, ob wir uns mobilisieren, zur Vernunft gelangen und die Dinge ändern!"
Manfred Bruns droht außerdem mit dem Gang nach Karlsruhe, um das Eheverbot für Lesben und Schwule zu beenden. Wenn bis 2017 nicht passiere, "dann müssen wir klagen", sagt der LSVD-Vorstand. Eine echte Alternative ist das jedoch nicht: Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, räumt Bruns selbst ein, könne sich über Jahre hinziehen.

Rita Süssmuth gehört neben Heiner Geißler zu den wenigen Unions-Politikern, die noch Anstand und Rückgrat haben und die sich morgens noch im Spiegel sehen können wollen.
Die kann man in der Union aber echt an einer Hand abzählen.