Verhaftung des Aktivisten Nikolai Aleksejew beim Moskauer CSD 2015
Die russische Bevölkerung hat heute mehr Vorurteile gegen Schwule und Lesben als vor 25 Jahren.
Die staatliche Hetze gegen Schwule und Lesben zeigt Wirkung: 81 Prozent der Russen haben in einer am Donnerstag veröffentlichten repräsentativen Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts WZIOM erklärt, dass sie gleichgeschlechtliche Beziehungen für verwerflich halten. Vor einem Vierteljahrhundert, als gerade die Sowjetunion untergegangen ist und die Russische Föderation gegründet wurde, hatten nur 71 Prozent diese Meinung.
Landesweit geben heute nur zwölf Prozent an, sie hätten keine Probleme mit schwulen oder lesbischen Beziehungen (1991 waren es 15 Prozent). Am tolerantesten zeigen sich die Bewohner von Moskau und St. Petersburg, von denen 21 Prozent gleichgeschlechtliche Beziehungen als nicht verwerflich ansehen. Auch unter jüngeren Russen ist die Toleranz etwas größer als unter älteren: So haben immerhin 25 Prozent der 18- bis 24-Jährigen nichts gegen Homo-Paare einzuwenden.
WZIOM-Sprecher Aleksei Firsow erklärte, beim Thema Homosexualität habe sich die russische Bevölkerung von der internationalen Entwicklung abgekoppelt. Eine amerikanische Studie war 2014 bei einem Vergleich von 52 Ländern zu dem Ergebnis gekommen, dass 90 Prozent der Staaten in den vergangenen 20 Jahren homofreundlicher geworden seien (queer.de berichtete).
Mehr Toleranz bei vorehelichem Sex
Im Gegensatz zu ihrer Einstellung gegenüber Homosexuellen ist die Bevölkerung im flächenmäßig größten Staat der Erde toleranter geworden, wenn es um vorehelichen heterosexuellen Geschlechtsverkehr geht. Heute haben 74 Prozent kein Problem mit verschiedengeschlechtlichem Sex vor der Ehe. 1991 waren es noch 67 Prozent. Die Umfrage zeigt auch, dass fast drei von vier Russen Fremdgehen in der Ehe ablehnen. Hier haben sich die Zahlen im Vergleich zu 1991 kaum verändert.
Die größere werdende Ablehnung von Homosexualität ist angesichts der Homophobie aus Politik und Klerus, die von den staatlich kontrollierten Medien transportiert wird, kaum überraschend. Erst vergangenen Monat hat etwa das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche "gottlose" CSD-Paraden für die Ausbreitung von Terrorismus verantwortlich gemacht (queer.de berichtete).
Außerdem gibt es immer wieder neue Anläufe, die Gesetzgebung gegen Homosexuelle zu verschärfen: So fordern etwa Politiker derzeit zusätzlich zum Gesetz gegen Homo-"Propaganda" ein ausdrückliches Verbot von Demonstrationen, die der "Bewerbung unkonventioneller sexueller Beziehungen" dienen (queer.de berichtete). (dk)