Antonin Scalia ist am Freitag im Alter von 79 Jahren gestorben
Antonin Scalia galt seit Jahren als konservativster Supreme-Court-Richter, der sogar eine Gefängnisstrafe für Homosexualität bejahte. Nach seinem Tod könnte die konservative Richter-Mehrheit kippen.
Von Dennis Klein
Der Tod von Richter Antonin Scalia sorgt für politische Schockwellen in den USA. Der 79-jährige Scalia war der dienstälteste der neun Richter am Supreme Court, dem höchsten Gericht des Landes. Er starb am Samstag nach Angaben einer texanischen Richterin eines natürlichen Todes.
Nun muss Präsident Barack Obama mitten im Wahljahr einen Nachfolger für Scalia finden, der 1986 von Ronald Reagan auf Lebenszeit ins Amt gehievt worden war. Die Republikaner sind in heller Aufruhr, weil sie fürchten, die Kontrolle über das Gericht zu verlieren.
Anders als in Deutschland wird der Supreme Court in den USA als politisches Gericht wahrgenommen, in dem bei großen Fragen meist nach parteipolitischer Nähe entschieden wird. Inklusive Scalia wurden fünf der aktuellen Richter von republikanischen Präsidenten ernannt und vier von Demokraten.
Die Juristen stimmen oft so ab, wie die Präsidenten es sich erhofften: Bei Themen wie der Wahlkampffinanzierung erfolgten die Entscheidungen strikt nach Parteibuch, bei anderen Themen schlossen sich hin und wieder die Republikaner John Roberts oder Anthony Kennedy den linksliberalen Richtern an. So fand beispielsweise im Fall Obergefell v. Hodges vergangenes Jahr trotz der konservativen Mehrheit die Öffnung der Ehe die Öffnung der Ehe (Obergefell v. Hodges) für schwule und lesbische Paare eine Mehrheit der Richter.
Scalia verglich Homosexuelle mit Mördern und Kinderschändern
Der Verlust von Scalia ist für viele Homo-Gegner eine Katastrophe, da er gerade beim Thema LGBT-Rechte immer zu den Bremsern gehörte. Zuletzt stimmte er im vergangenen Jahr gegen die Öffnung der Ehe, die dank Anthony Kennedy trotzdem knapp mit fünf zu vier Richterstimmen beschlossen wurde.
2003 hatte Scalia auch in Lawrence v. Texas das Verbot homosexueller Handlungen in 14 Bundesstaaten aufrecht erhalten wollen – am Ende unterlag er aber hier mit drei zu sechs Stimmen. Seine schriftliche Begründung erzürnte damals viele LGBT-Aktivisten. So argumentierte Scalia, dass die Angst vieler heterosexueller Amerikaner vor unmoralischen Homosexuellen ernst zu nehmen sei. Sie dürften sich "gegen einen Lebensstil schützen, von dem sie glauben, dass er unmoralisch und zerstörerisch ist".
1996 hatte er in der Entscheidung Romer v. Evans, in der es um Antidiskriminierungsgesetze ging, in einer Minderheitenmeinung sogar Homosexuelle mit Mördern gleichgesetzt. Er argumentierte, dass das Volk ein Recht habe, "Feindseligkeit" gegenüber Dingen wir Mord, Polygamie und Tierquälerei zu haben – aber auch die Feindseligkeit der "moralischen Missbilligung von homosexuellem Verhalten" sei erlaubt und dürfe in Gesetze gegossen werden. Gleichzeitig warnte er damals schon vor einer Art Homo-Lobby: Homosexuelle hätten ein hohes verfügbares Einkommen und verfügten daher über mehr politische Macht, als es der Anteil der Bevölkerung vermuten lasse.
Erst vor drei Monaten sorgte Scalia erneut für Aufregung, als er Homosexuelle mit Kinderschändern gleichsetzte (queer.de berichtete). Aus diesen Gründen äußerten viele Schwule und Lesben und linksliberale Aktivisten auf sozialen Netzwerken Erleichterung über den Tod von Scalia, was wiederum Konservative erzürnte.
Republikaner wollen Ernennung durch Obama verhindern
Präsident Barack Obama, hier auf dem Titelbild des LGBT-Magazins "Out", will schnell einen neuen Richter ernennen
Da der amtierende Präsident neue Richter ernennen darf, fürchten nun viele konservative Republikaner, dass sie mit einem linken Richter auf Jahrzehnte in der Minderheit sein könnten. Daher fordern sie von Obama, dass er dem nächsten Präsidenten die Ernennung überlassen soll. Dieser tritt aber erst in rund elf Monaten sein Amt an. Obama hat hingegen bereits kurz nach dem Tod Scalias über seinen Sprecher ankündigen lassen, dass er möglichst bald einen Kandidaten ernennen wird.
Der Kandidat muss allerdings vom Senat mit einer Supermehrheit von 60 Prozent bestätigt werden – und dort haben derzeit die Republikaner die Mehrheit und setzen auf eine Verzögerungstaktik. Senator Ted Cruz, der augenblicklich homophobste Präsidentschaftskandidat, hat etwa am Sonntag gegenüber praktisch allen großen Fernsehsendern erklärt, er wolle eine Abstimmung über die Ernennung notfalls mit der "Filibuster"-Taktik verhindern, also durch Redebeiträge ohne Ende.
Andere republikanische Kandidaten haben bekräftigt, dass sie nur Richter ernennen wollen, die gegen die Gleichbehandlung von Homosexuellen urteilen würden. Bereits vor zwei Wochen hatte der nach Umfragen führende Republikaner, der Mulitmilliardär Donald Trump, angedeutet, dass er als Präsident nur Richter nominieren werde, die LGBT-Fragen ablehnend gegenüber stehen (queer.de berichtete).
Der Streit könnte Obama und den Demokraten in die Hände spielen: Zum einen könnten so die Republikaner als notorische Nein-Sager dargestellt werden, zum anderen stehen in diesem Jahr viele kontroverse Entscheidungen zu umstrittenen Themen wie Einwanderung, Fördermaßnahmen für Minderheiten oder Abtreibung an. Ohne Scalia steht es nun beim Höchstgericht vier zu vier – und damit würde die Entscheidung der vorherigen Instanz aufrecht erhalten und kein Präzedenzfall geschaffen.
Für LGBT ist auch nach der Ehe-Öffnung die Mehrheitsverteilung im Supreme Court wichtig. Zwar gilt es als eher unwahrscheinlich, dass ein konservativeres Höchstgericht die Ehe für alle wieder rückgängig machen würde, aber es könnten in den nächsten Jahren weitere Abstimmungen zu LGBT-Rechten anstehen. So wollen mehrere Bundesstaaten beispielsweise Gesetz zur "Religionsfreiheit" zulassen, die insbesondere konservativen Christen dabei helfen sollen, Homosexuelle zu diskriminieren. Derzeit gibt es auch in der Hälfte der Bundesstaaten keine Antidiskriminierungsgesetze im Arbeits- und Zivilrecht für LGBT. Wahrscheinlich werden einige dadurch aufgeworfene Fälle in den nächsten Jahren vor den Höchstrichtern landen.