Nach dem neuen Modus hätte Helene Fischer nicht sieben, sondern zunächst null deutsche Punkte an Conchita Wurst vergeben. Die zwölf Punkte wären auch nicht an die Niederlande, sondern an Dänemark gegangen.
Durch eine Änderung der Punktevergabe soll das Finale des Contests spannend bis zur letzten Sekunde bleiben.
Revolution beim Grand Prix: Die EBU hat am Samstag die größte Änderung am ESC-Abstimmunsprozedere seit 1975 bekannt gegeben. Die im Finale des Song Contests bekannt gegebenen Punkte aus den einzelnen Teilnehmerländern bleiben nicht mehr das letzte Wort.
Die spannenden und teils witzigen Schaltungen zu Punkteverlesern in den einzelnen Ländern, ein insgesamt rund einstündiges Spektakel, bleiben zwar erhalten, machen aber nur noch die Hälfte der Punkte aus. Erst danach verlesen die Moderatoren der Shows die andere Hälfte der Punkte.
Aus den einzelnen Ländern wird es nicht mehr ein gemeinsames Ergebnis von Televoting und Jury geben, sondern die Punkteverleser präsentieren nur noch das Ergebnis der Jurys. Die zehn Punkte der einzelnen Televotings, ebenfalls in der Wertung 1 bis 8, 10 und 12 Punkte, werden hingegen gesammelt, zusammengezählt und am Ende der Show verkündet: vom schwächsten Land bis zum stärksten.
Damit kann verhindert werden, dass der Gewinner teilweise wie bisher recht früh feststeht – zumal sich die Ergebnisse von Jurys und Publikum teilweise deutlich unterscheiden.
Youtube | Die EBU erläutert das neue Verfahren
Änderung an Dramatik und Mathematik
Die Showmoderatoren Måns Zelmerlöw und Petra Mede werden in diesem Jahr erstmals selbst die Punkte des Televotings bekannt geben (Bild: svt)
Im letzten Jahr hatte mit dem Schweden Måns Zelmerlöw etwa erstmals seit der Wiedereinführung der Jurys 2009 ein Teilnehmer gewonnen, der das reine Televoting nicht für sich entschieden hatte: Bei den Zuschauern hatten Italien und Russland vor ihm gelegen. Die Jury setzte Russland hingegen auf Platz drei, Lettland auf Platz zwei und Schweden auf Platz eins.
Der Sieg von Conchita Wurst ein Jahr zuvor wäre ebenfalls ein spannendes Spektaktel geworden: Bei den Jurys lag die Drag Queen mit 224 zu 203 Punkten nur knapp vor den Niederländern, das Televoting (311 bzw. 222 Punkte) verstärkte den Sieg. Auch hätte Helene Fischer zunächst keine Punkte aus Deutschland an sie vergeben: Bei den Jurys lag Conchita nur auf Platz elf. In der gemeinsamen Wertung bekam sie damals sieben Punkte, was einen Shitstorm gegen die Jury allerdings auch nicht verhinderte.
Insgesamt verändert sich die Mathematik leicht: Bislang vergaben Jurys und Publikum an alle teilnehmenden Länder Punkte, in die Wertung der Show flossen die Top Ten des gemeinsamen Ergebnisses ein. Mit der neuen Zählweise sind also Punkte aus einem Land an mehr als zehn Länder möglich. Deutschland hätte 2015 nicht null Punkte erhalten, sondern fast 30, und wäre auch nicht auf dem letzten Platz gelandet.
Wie bisher werden alle Einzelergebnisse zu allen drei Shows detailliert im Internet veröffentlicht. Keine Änderung gibt es auch bei den Halbfinals: die Gewinner werden zum Ende der jeweiligen Show schlicht bekannt gegeben.
Es darf wieder gebuht werden
So soll die ESC-Bühne in diesem Jahr in Stockholm aussehen (Bild: svt)
Die Änderung der Punktevergabe hatte der schwedischen Sender SVT gewünscht (wie einige andere Änderungen, die nicht genehmigt wurden, etwa ein Beginn des Finales um 20 Uhr deutscher Zeit). Der Sender übertragt in diesem Jahr die Shows aus dem Stockholmer Globen und inszeniert beim Finale seines Vorentscheids bereits seit Jahren mehrere Punkterunden nacheinander (internationale Jurys und Televoting).
In eigener Verantwortung entschied der schwedische Sender übrigens eine Rückänderung: Die vom ORF eingeführte Technik, Buhrufe aus dem Publikum bei der Tonabmischung auszufiltern, wird wieder abgeschafft. Wer etwa Russland oder demnächst eindeutig Jurys zuzuordnende Punkte ausbuht, soll auch Gehör finden.
Kritik bei Fans dürfte hingegen finden, dass die Punkteverlesung im Finale leicht verkürzt wird: Die Punkteverleser geben nur noch die jeweiligen zwölf Punkte bekannt, der zweite und dritte Platz wandert wie die übrigen Punkte direkt auf die Ergebnistafel. Auch die Präsentation der diesjährigen Bühne vor wenigen Tagen fand nicht einhelliges Lob: Manche Fans fühlten sich an einen Kirchentag oder ein Evangelisierungsevent erinnert.
Die Shows am 10., 12. und 14. Mai werden von Zelmerlöw zusammen mit Petra Mede moderiert, die für ihre Leitung des ESC aus Malmö 2013 viel Lob erhalten hatte. Insgesamt nehmen 43 Länder am Wettbewerb teil, darunter wieder Australien. Der "Gast" muss aber diesmal zuvor im zweiten Halbfinale antreten, in dem Deutschland abstimmt und auch seinen Teilnehmer präsentiert. Dieser wird am 25. Februar in einer Show aus Köln bestimmt (queer.de berichtete). (cw)
Youtube | So soll die ESC-Bühne in diesem Jahr aussehen
Da bin ich mir noch nicht sicher, was ich davon halten soll. Das muss ich mir erst mal in der Praxis ansehen. Aber so spontan sehe ich da nichts, was generell dagegen sprechen würde. Obwohl es mir auch egal war, wenn der Sieger schon vor dem letzten Voting bekannt sein konnte (was ja auch jetzt noch passieren kann). Denn es kommt ja nicht auf maximale Spannung an, sondern darauf, dass der "Beste" in einem fairen Wettbewerb gewinnt.
Zur alleinigen Bekanntgabe der 12 Punkte:
das finde ich allerdings sehr schade. Aufgrund der stark gewachsenen Teilnehmerzahl verstehe ich, dass man nicht mehr wie früher alle Punkte von 1 bis 12 komplett vorlesen kann. Und da muss man eh schon schnell gucken, um zu sehen, wer alles wieviel Punkte aus einem Land bekommen hat. Aber zumindest die ersten 3 Plätze (8, 10 und 12 Punkte) sollte man verlesen. Die ersten 3 sind ja schon ziemlich gut und sonst wird es ja auch noch schwerer, so schnell alles mitzukriegen.
Zur Praxis, Buhrufe nicht mehr auszufiltern:
Das finde ich sehr gut. Zensur hat auf einem ESC nichts zu suchen. Wenn Saal-Zuschauer (aus welchem Grund auch immer) irgendwo buhen, hat der Fernsehzuschauer auch ein Recht darauf, das zu erfahren. Alles andere ist eine Manipulation der Realität und hat in seriösen Medien nichts zu suchen.