Die Senatorin Monica Cirinnà zeigte sich am Donnerstag glücklich, dass ihr Entwurf verabschiedet wurde. In der letzten Woche hatte sie noch mit Rücktritt gedroht, sollte er zu "Mist" verwässert werden.
Ein als historisch geplanter Tag endet in Zwietracht: Da das Parlament die versprochene Stiefkindadoption bei der Lebenspartnerschaft außen vor lässt, rufen LGBT-Organisationen zu Demonstrationen auf.
Von Norbert Blech
Der italienische Senat hat am Donnerstag mit 173 zu 71 Stimmen für die Einführung von Lebenspartnerschaften für schwule und lesbische Paare gestimmt. Das Gesetz gibt den Paaren größtenteils die gleichen Rechte und Pflichten wie Eheleute, mit der großen Ausnahme des Adoptionsrechts.
Was ein historischer Tag werden sollte – Italien erkennt nach rund 30 Jahren Debatte und etlichen gescheiterten Versuchen damit in Kürze als letzter westeuropäischer Staat Homo-Paare rechtlich an – sorgte aber für Unmut bei LGBT-Aktivisten. Grund: Der Gesetzentwurf der Abgeordneten Monica Cirinnà, der rund zwei Jahre in Ausschüssen debattiert wurde, hatte bis zur letzten Woche noch das Recht auf Stiefkindadoption vorgesehen.
Der demokratische Premierminister Matteo Renzi hatte dafür in seiner Regierungskoalition mit einem kleinen konservativen Parteienbündnis allerdings keine eigene Mehrheit, zumal auch einige katholische Abgeordnete seiner Partei einem Adoptionsrecht nicht zustimmen wollten. So war er auf die Stimmen der oppositionellen Fünf-Sterne-Bewegung angewiesen. Als diese die Regierung in der letzten Woche bei einer taktischen Frage nicht unterstützte, zog Renzi die Reißlinie, beschränkte das Gesetz, so dass auch seine Koalitionspartner für es stimmen konnten, und verband die Abstimmung mit der Vertrauensfrage.
LGBT-Verbände planen Großprotest in Rom
Bereits am Mittwoch war es vor dem Senat zu einem Protest unter dem Titel "Adesso Basta" gekommen
LGBT-Aktivisten hatten diesen Schritt befürchtet und kritisiert: Sie hatten in der letzten Woche Renzi dazu aufgerufen, weiter mit der Fünf-Sterne-Bewegung zu verhandeln, die angeblich das komplette Gesetzespaket weiter unterstützt hätte. Die Partei hatte im Senat lediglich einen Antrag der Regierung abgelehnt, mit der tausende die Debatte aufhaltende Zusatzanträge der rechtspopulistischen Lega Nord hätten verhindert werden sollen. Aber Renzis Demokraten trauten dem Braten nicht, zudem hätte bei einer unendlichen Debatte mit einigen geheimen Abstimmungen das ganze Paket scheitern können.
In Folge haben sich Renzis konservative Koalitionspartner durchgesetzt, die von Anfang an gesagt hatten, sie würden eine Lebenspartnerschaft ohne Adoption unterstützen. Innenminister Angelino Alfano von der "Neuen rechte Mitte" (NCD) goss am Donnerstag noch Öl ins Feuer, als er meinte: "Wir haben eine Revolution gegen die Natur verhindert." Letztlich habe sich der "gesunde Menschenverstand" durchgesetzt, da Homosexuellen mehr Rechte gewährt worden sei, ohne die Ehe anzutasten. Ein anderer Senator seiner Partei, der das Parlament seit Wochen mit homophoben Äußerungen unterhielt, verglich am Donnerstag noch einmal Homosexuelle mit Tieren.
LGBT-Verbände sind entsprechend erzürnt und haben inzwischen vereint dazu aufgerufen, an einem geplanten Großprotest am 5. März in Rom festzuhalten, der sich nun gegen die Regierung richten soll. "Auf dem Platz, in den Gerichten und in den Umfragen" gelte es, "unsere Empörung über dieses Gesetz zu zeigen".
Der Senat habe am Donnerstag keine Geschichte geschrieben, sondern sich von seiner schlechten Seite gezeigt, heißt es in dem Aufruf. Die Unfähigkeit, ein Gesetz zu erlassen, das der Verfassung gerecht werde, dieses "unglaubliche Debakel" müsse Folgen für die verantwortlichen Parteien haben. Am Mittwoch hatte sich eine LGBT-Mahnwache vor dem Senat bereits zu einem kleinen Protest entwickelt, als die Demonstrierenden für einige Minuten die Zufahrt zum Parlament blockierten. Am Donnerstag wurden keinerlei Freudenfeiern der Szene zur Abstimmung im Senat bekannt; Bilder in nationalen und internationalen Medien stammen größtenteils von den Demonstrationen pro Lebenspartnerschaft von vor einigen Wochen, als das Gesetz noch die Stiefkindadoption beinhaltete.
Gesetzentwurf geht nun in zweite Kammer
Das neue Lebenspartnerschaftsgesetz, das vor allem von der katholischen Kirche bekämpft worden war, gibt den schwulen und lesbischen Paaren größtenteils die gleichen Rechte wie Eheleute, mit Ausnahme der Adoption. Der Gesetzestext verbietet ihnen diese allerdings nicht direkt, sondern verweist auf die jeweils aktuell gültigen Adoptionsregeln – das lässt Spielraum für spätere Entscheidungen durch das Parlament oder die Gerichte.
Zudem bietet der Gesetzentwurf die Möglichkeit zu einer unbürokratischen und zeitlich beschleunigten Scheidung, die Heteropaare erst mit einer anstehenden Reform des Eherechts erhalten sollen. Ein weiterer Unterschied zur Ehe: Lebenspartnern ist die Pflicht zur Treue nicht im Gesetz festgeschrieben. Das hatte die NCD noch durchgesetzt in dem Wunsch, Ehe und Lebenspartnerschaft nicht gleich erscheinen zu lassen.
Die Partei hatte in die endgültige Fassung des Gesetzes in den letzten 24 Stunden noch weitere Unterschiede zwischen den Rechtsinstituten einfügen wollen. Der demokratische Abgeordnete Alessandro Zan hatte den kleinen Koalitionspartner allerdings zurechtgewiesen: Eine Kleinstpartei könne "nicht das gesamte Parlament erpressen". Außerdem würden diese Unterschiede bei einer Klage vor dem Verfassungsgericht wegen klarer Diskriminierung nicht Bestand haben.
Das Gesetz muss nun noch durch die Abgeordnetenkammer, in der die Regierung eine deutlichere Mehrheit hat, und vom Präsidenten verkündet werden – das könnte innerhalb weniger Wochen geschehen. Es tritt sofort danach in Kraft; laut Rechtsexperten haben die einzelnen Städte nicht mehr als 30 Tage Zeit, die Regelungen umzusetzen. In einigen Städten haben die Bürgermeister angekündigt, die ersten gleichgeschlechtlichen Paare selbst verpartnern zu wollen.
Der Fraktionsführer der Demokraten im Senat, Luigi Zanda, gab bekannt, dass die Regierung die Frage der Stiefkindadoption im Rahmen einer Überarbeitung des allgemeinen Adoptionsrechts lösen wolle – "auf der Schnellspur" und noch bis zum Ende der Legislaturperiode in beiden Kammern des Parlaments. Wie er das bei den vorliegenden Parlamentsmehrheiten schaffen will, verriet er nicht.