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Landtagswahlen in drei Ländern
Wen wählen am Super-Sonntag?

Am Sonntag wählen die Bürger von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt bis 18 Uhr neue Landesparlamente
- 11. März 2016, 13:02h 5 Min.
Bei den Landtagswahlen in drei Bindestrichländern steht auch für LGBT-Rechte so einiges auf dem Spiel.
Von Dennis Klein
Spannung vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Rund 13 Millionen Menschen können am Sonntag die Politik in Deutschland ganz schön durcheinanderwirbeln. Im Südwesten könnten – wenn man den Umfragen Glauben schenkt – erstmals die Grünen stärkste Partei auf Länderebene werden. In Rheinland-Pfalz liefern sich die SPD von Malu Dreyer und die CDU von Julia Klöckner ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Und in Sachsen-Anhalt könnte die Große Koalition ihre Mehrheit verlieren. Dazu kommt, dass in allen drei Ländern die rechtspopulistische AfD an die Parlamentstüren klopft, mit zweistelligen Umfrageergebnissen. In Baden-Württemberg und insbesondere Sachsen-Anhalt könnte sie sogar die schwächelnde SPD überholen.
Die Rechtspopulisten bereiten auch LGBT-Aktivisten besondere Sorgenfalten. Zwar werden sie vorerst nicht in Regierungsverantwortung kommen, allerdings vergiftet die offen vorgetragene Homophobie das Klima. Besonders schlimm ist es in Baden-Württemberg: Dort wurden aus dem Haus der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch die ersten "Demos für alle" organisiert, die sich gegen Schulaufklärung über Homo- und Transsexualität, zuletzt aber auch gegen die "Ehe für alle" und andere Fragen von LGBT-Gleichstellung und Antidiskriminierung richteten (queer.de berichtete). Vertreter der Partei waren bei den Protesten immer mit dabei; die AfD warnt auch in ihrem Wahlprogramm im Putin-Stil offen vor Homo-"Propaganda" (queer.de berichtete).
In den anderen beiden Ländern sind die Rechtspopulisten keineswegs LGBT-freundlicher. Im Wahlprogramm der rheinland-pfälzischen AfD heißt es etwa, dass "andere Formen menschlichen Zusammenlebens, die keinen reproduktiven Beitrag zum Erhalt unseres Landes leisten", keine "staatliche Förderung" verdienten. In Sachsen-Anhalt wird die Gleichstellung im Ehe-Recht "strikt" abgelehnt und gegen "gesellschaftspolitische Experiment der Gender-Ideologie" gewettert.
Zudem werden bis hin zu Konservativen alle, die nicht hundertprozentig auf Parteilinie sind, in sozialen Netzwerken gerne mal mit Vokabeln wie "linksgrüne Faschisten" diffamiert; beispielsweise von der obskuren Gruppe der "Homosexuellen in der AfD", die sich erst am Freitag auf Facebook damit gebrüstet hat, "im Gegensatz zu Schwusos, Grünen & LSVD keinen Krieg gegen die Traditionelle Familie" zu führen – und den Kurs ihrer Partei ohne Wenn und Aber unterstützt.
Guido Wolf sucht Nähe zu Homo-Hassern
Aber auch die Volkspartei CDU hat immer wieder die Nähe zu Homo-Hassern gesucht, insbesondere in Baden-Württemberg: Spitzenkandidat Guido Wolf hatte etwa ein Geheimtreffen mit Demo-für-Alle-Organisatorin Hedwig von Beverfoerde. Im Landtag setzten sich einige Abgeordnete mehrfach für die homophobe Bewegung ein (queer.de berichtete). Wolf polterte bei einer Wahlkampfveranstaltung mit der homophoben Autorin Birgit Kelle gegen LGBT-Rechte, während mehrere Kreisverbände Anträge gegen "Gender Mainstreaming" im AfD-Stil beschlossen haben.

Baden-Württembergs CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf
Auch die rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin Julia Klöckner biedert sich Homo-Hassern an. So schrieb sie in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief stolz an den Demo-für-alle-Redner Mathias von Gersdorff, dass ihre Partei "in den Landtagsausschüssen und in Anfragen mit großer Sorgfalt hinterfragt [haben], inwieweit eine Frühsexualisierung in Rheinland-Pfalz stattfindet". Damit spielt sie den Homo-Hassern in die Hände, die nur die Erwähnung der Existenz von Schwulen und Lesben an deutschen Schulen als angebliche Frühsexualiserung brandmarken.
Immerhin gibt sich Klöckner ab und zu liberaler. So sprach sie sich etwa für die Segnung homosexueller Paare in der katholischen Kirche aus (queer.de berichtete). Auch in Sachsen-Anhalt trug die CDU, die dort in einer Großen Koalition mit der SPD regiert, positive Entwicklungen mit: So hat die Landesregierung den Aktionsplan gegen Homophobie eingeführt, allerdings nur gegen massiven innerparteilichen Widerstand (queer.de berichtete).
Auch die FDP versucht ihre Wiederauferstehung nicht gerade mit LGBT-Freundlichkeit. In Baden-Württemberg trat die Partei sogar offen homophob auf: So verfasste Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke etwa ein Grußwort an die Demo für alle und sagte zu Beginn der Antibildungsplanbewegung: "Wir betrachten andere Lebensformen als tolerabel, aber nicht als gleichwertig" (queer.de berichtete). Die Liberalen könnten in allen drei Ländern ins Parlament einziehen, allerdings ist es rechnerisch unwahrscheinlich, dass sie dort in einer Zweierkoalition mitregieren können. Im Ländle hat die Partei eine Ampelkoalition unter Führung der Grünen abgelehnt, Wolf ist der Wunschpartner.
Grün-Rot: Keine gute Figur beim Bildungsplan
Die rot-grünen bzw. grün-roten Landesregierungen versuchen dagegen, in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ihre Verdienste für LGBT-Rechte hervorzuheben, die insbesondere Aktionspläne gegen Homophobie einschließen. Freilich machte die Kretschmann-Regierung in Stuttgart keine gute Figur beim Bildungsplan. Insbesondere die Verschiebung des Plans auf die Zeit nach der Landtagswahl wurde als Einknicken vor den homophoben Marktschreiern der Demo für alle gewertet (queer.de berichtete).

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann
Dennoch zeigen die LGBT-Wahlprüfsteine in allen drei Ländern, dass SPD und Grüne – sowie auch Die Linke – viel mehr für die Gleichstellung tun wollen als die anderen etablierten Parteien. In Baden-Württemberg versprechen die Regierungsparteien etwa, den eingeschlagenen LGBT-freundlichen Kurs fortzusetzen (queer.de berichtete).
Ein Regierungswechsel in Baden-Württemberg hätte wohl auch Auswirkungen auf die bundesweite Debatte um die Ehe für alle: Falls Grün-Rot im Südwesten die Mehrheit verliert und die CDU – vielleicht als Juniorpartner der Grünen – in Regierungsverantwortung kommt, hätte die Union mit den sechs Stimmen aus dem großen Bundesland eine Blockademehrheit in der Länderkammer. Und damit könnte der Bundesrat, falls die Union bei ihrer Blockade bleibt, keinen Druck mehr für die Ehe-Öffnung ausüben. Zuletzt stimmte der Bundesrat im September für die Gleichstellung im Ehe-Recht (queer.de berichtete).















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(Liberale: Ungleichstellungspolitik)