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Pläne der Regierung
Zwangssterilisierung: Schweden will Transsexuelle entschädigen

Schweden will vergangenes Unrecht wiedergutmachen (Bild: flickr / Fredrik Rubensson / by 2.0)
- 28. April 2016, 11:15h 2 Min.
Bis 2012 mussten sich Transsexuelle zwangsweise sterilisieren lassen, um vom Staat anerkannt zu werden. Die Regierung will den Betroffenen nun eine Entschädigung zahlen.
Die rot-grüne Minderheitsregierung in Schweden hat am Mittwoch angekündigt, ein Gesetz zur Entschädigung von Transsexuellen ins Parlament einzubringen, die zu einer Sterilisierung gezwungen worden waren. "In einer modernen Gesellschaft muss eine Entschädigung möglich sein und wir müssen eingestehen, dass die Praxis absolut verwerflich war", sagte der sozialdemokratische Gesundheitsminister Gabriel Wikström gegenüber der Tageszeitung "Svenska Dagbladet". Das Gesetz soll bis 2018 in Kraft treten.
Das schwedische Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1972 hatte verlangt, dass Transpersonen nur staatlich anerkannt werden, wenn sie fortpflanzungsunfähig sind. Im Dezember 2012 erklärte schließlich ein Gericht in Stockholm, dass diese Sterilisierungspflicht sowohl gegen garantierte Grundrechte in der schwedischen Verfassung als auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.
33.000 Euro pro Sterilisierungsopfer gefordert

Gesundheitsminister Gabriel Wikström kündigte den Gesetzentwurf an (Bild: Wiki Commons / Frankie Fouganthin / by 4.0)
Die konservative schwedische Vorgängerregierung von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt hatte eine Entschuldigung und Entschädigung bis zur ihrer Abwahl im Jahr 2014 stets abgelehnt. Deswegen hatten Transsexuelle den schwedischen Staat auf Entschädigung verklagt (queer.de berichtete). Sie forderten pro Person 300.000 Kronen (rund 33.000 Euro). Noch ist unklar, wie hoch die von der Regierung geplante Entschädigung sein soll. Trans-Aktivisten fordern jedoch, dass sie sich in dem Bereich bewegen müsse, der von den Klägern verlangt wird.
Laut Statistiken haben zwischen 1972 und 2012 rund 900 Menschen eine Geschlechtsanpassung beantragt. Zirka 500 sollen sich nach Angaben der LGBT-Organisation RFSL dann tatsächlich einer Zwangssterilisierung unterzogen haben.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Schweden Opfer von Zwangssterilisierungen entschädigt: 1999 hat die Regierung bereits jeweils 175.000 Kronen an Opfer eines Gesetzes zur eugenischen Zwangssterilisation bezahlt, das von 1934 bis 1976 in Kraft war. Demnach durften vom Staat etwa Menschen mit Erbfehlern oder Kriminelle zwangsweise sterilisiert werden, aber auch jugendliche Mädchen, die sich nach Meinung der Behörden antisozial verhalten haben, weil sie beispielsweise zu oft Diskotheken besucht hatten. Insgesamt soll es im Rahmen dieses Programms zu 63.000 Sterilisierungen gekommen sein.
Zwangssterilisierungen waren in vielen europäischen Ländern üblich. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht erst 2011 entschieden, dass die im deutschen Gesetz geforderte zwangsweise Geschlechtsanpassung sowie teilweise Fortpflanzungsunfähigkeit gegen das Grundgesetz verstößt (queer.de berichtete). Eine Entschädigung gab es hierzulande nicht. (dk)














Natürlich kann kein Geldbetrag die körperlichen und psychischen Schäden einer Zwangssterilisation wiedergutmachen.
Aber Schweden übernimmt wenigstens Verantwortung, gibt seinen Fehler zu und rehabilitiert die Opfer der eigenen, unmenschlichen Gesetzgebung.
Während in Deutschland Union und SPD weiterhin eine Rehabilitierung oder gar Entschädigung der Opfer des §175 kategorisch ablehnen.