Weil Kölns schwules Bermudadreieck zu den 13 "besonders kriminellen Orten" der Stadt gehört, wünschen sich manche Szenegänger mehr Polizeipräsenz (Bild: flickr / Luis Calçada / by 2.0)
Beim Kölner "talkingPOTT" wurde über die Frage "Können wir heute noch sicher ausgehen?" diskutiert – leider auch mit fremdenfeindlichen Tönen.
Von Marvin Mendyka
Wer zu einer Diskussionsveranstaltung in der Kölner Szenekneipe "Ruhrpott" zum Thema "Können wir heute noch sicher ausgehen?" geht, könnte erwarten, dass es dabei hauptsächlich um Homo- und Transphobie geht. Doch das war gar nicht der Fall, als Moderator Hugo Winkels diese Frage am Donnerstag mit Nils Schmidt (KluST), dem Medienanwalt Ralf Höcker, dem Journalisten Bertram Dubberke und dem Fraktionsvorsitzenden der Kölner FDP, Ralph Sterck, diskutierte. Mit rund 60 Zuschauern war der vierte "talkingPOTT" gut besucht.
Winkels eröffnete die Runde mit der Frage, ob sich die Podiumsteilnehmer noch sicher fühlten. Bertram Dubberke verneinte diese Frage. Zumindest an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten. Vor 20 Jahren sei dies noch anders gewesen. Doch mittlerweile sei die Polizei nur noch bei Blitzmarathons präsent. Er selbst habe einen Kleinen Waffenschein beantragt, sich eine Schreckschusspistole zugelegt und sei bereit, von dieser Gebrauch zu machen, wenn er sich bedroht fühle.
Taschendiebstähle ein Problem in Szenebars
Auch Ralph Sterck beklagte, dass es zu wenig Polizei gebe. Doch die verstärkte Polizeipräsenz in Köln nach den Vorfällen in der Silvesternacht am Hauptbahnhof zeigten, dass Straftaten wie Taschendiebstahl stark gesunken seien. Allerdings stellte er auch fest, dass sich die Schaafenstraße unter den 13 "besonders kriminellen Orten in Köln" befände. Und bei den Bars mit den meisten Taschendiebstählen in Köln seien zwei in der beliebten schwulen Ausgehmeile.
Kriminalität habe es schon immer gegeben, stellte Medienanwalt Ralf Höcker fest. Doch müsse man zur Kenntnis nehmen, dass 80 Prozent der Täter oft bewaffnete "Nafris" (gemeint sind Nordafrikaner) und Roma seien. Dies müsse man ganz klar benennen. Ein Zuschauer klatschte. Außerdem halte er es für bevormundend, dass die Nationalität von Straftätern in den Medien nicht genannt werde, wenn kein Sachzusammenhang bestünde.
Nils Schmidt vom Kölner Lesben- und Schwulentag betrachtete die Frage aus einer anderen Perspektive. Als Organisator des Kölner Christopher Street Days müsse er sich um zusätzliches Sicherheitspersonal kümmern und sich Gedanken um Sicherheitskonzepte machen. Zwar verlaufe der CSD traditionell friedlich, doch in diesem Jahr werde es erstmals ein Krisenzentrum geben, in dem sich alle verantwortlichen Partner koordinieren.
Doch das Problem ist für Schmidt ein anderes: In den kommunalen Haushalten müsse in Zukunft Geld für die Sicherheit bei Großveranstaltungen eingeplant werden. Und in seiner Rolle als Gewerkschafter, der er auch ist, bemängelte er Sparmaßnahmen bei der Polizei und die daraus resultierenden Engpässe. Dass es zu wenig Polizei gäbe und diese viel präsenter sein müsse, darüber herrschte weitgehend Einigkeit unter den Podiumsteilnehmern im "Ruhrpott".
Dubberke lobt Sarrazin und warnt vor "Nafris"
Diskutierten am Donnerstagabend in Köln (v.l.n.r.): Bertram Dubberke, Ralph Sterck, Moderator Hugo Winkels, Nils Schmidt und Ralf Höcker
Insgesamt vermittelte die Veranstaltung den Anschein, als könne man keinen Fuß mehr vor die Tür setzen – und schon gar nicht in die Schaafenstraße, ohne Opfer von Kriminalität zu werden. Einen unangenehmen Beigeschmack erhielt die Talkrunde, da die Diskussion immer wieder um die sogenannten Nafris kreiste. Provokant fragte Moderator Hugo Winkels an einer Stelle, ob Sarrazin mit seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" doch Recht gehabt habe.
Die Antwort von Journalist Bertram Dubberke dürfte selbst Winkels überrascht haben. Abgesehen von seinen "Gen-Thesen" habe Sarrazin vieles richtig prognostiziert, so Dubberke. Niemand widersprach, auch das Publikum nicht. Nur einem Zuschauer entfuhr ein nervöses Lachen. Es schien, als sei dies weitgehend Konsens.
Begriffe wie "Tätergruppe" und "Nafri" vermischten sich zunehmend, beinahe schienen sie zu Synonymen zu werden. Lediglich Nils Schmidt forderte die Zuschauer auf, auf Flüchtlinge zuzugehen. Wer denn schon einmal bei einem Begegnungscafé gewesen sei, fragte er in den Raum, und ermunterte die Zuschauer anschließend, sich in die Lage von "denen" zu versetzen. Damit war er der einzige, der einen größeren Applaus vom Publikum erhielt.
Jeder fünfte fühlt sich nicht mehr sicher
Bevor es in die Pause ging, wurden Zettel verteilt, auf denen nach dem Sicherheitsempfinden der Zuschauer gefragt wurde. Hatte sich der Verlauf der Diskussion wohl auf die Menge übertragen? Moderator Hugo Winkels verkündete das Ergebnis der Umfrage nach der Pause: 20 Prozent der Zuschauer fühlten sich tatsächlich nicht mehr sicher, die überwältigende Mehrheit dagegen schon. "Bitte beim nächsten Mal auch fremdenfreundliche Teilnehmer", habe eine Person auf ihrem Zettel angemerkt, so Winkels.
Als die Diskussion zum Abschluss für das Publikum geöffnet wurde, ging es noch einmal hoch her. Dass man bereits mit "Bauchschmerzen" zu dieser Veranstaltung gekommen sei, betonte ein Zuschauer. Ein anderer merkte an, dass die Forderung "Kriminelle Ausländer abschieben!" vor einigen Jahren noch Plakaten der NPD vorbehalten gewesen sei, an diesem Abend sei es unter den Podiumsteilnehmern aber eine verbreitete Meinung gewesen.
Die nächste Veranstaltung der Reihe "TalkingPOTT" findet am 24. Mai zum Thema "Rutschen wir nach rechts?" statt. Wie passend.
Infos zur VeranstaltungsreiheDer
"talkingPOTT" ist ein monatlicher Szene-, Gesellschafts- und Polittalk in der Kölner Szenebar
"Ruhrpott" im sogenannten Bermudadreieck (Balduinstr. 20, Ecke Schaafenstraße). Die von Hugo Winkels moderierte und von queer.de präsentierte Veranstaltung findet in der Regel an jedem vierten Donnerstag im Monat um 20 Uhr statt. Wegen des Feiertags gibt es den nächsten "talkingPOTT" ausnahmsweise am Dienstag, den 24. Mai. Das Thema lautet:
"Freie Meinung! Rutschen wir nach rechts?". Die Talkgäste werden demnächst bekannt gegeben.