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Pressekonferenz nach Halbfinale

Sergei Lasarew: Schwulen geht es gut in Russland


Sergei Lasarew und Filipp Kirkorow heuchelten sich bei der Pressekonferenz nach dem ersten Halbfinale des ESC in Stockholm die Lage in Russland schön

  • 11. Mai 2016, 00:50h 34 6 Min.

Berichte über die prekäre Lage von LGBT in seiner Heimat seien "Gerüchte und Gerede", findet der ESC-Favorit.

Von Norbert Blech

Der russische Vertreter beim diesjährigen Eurovision Song Contest in Stockholm, Sergei Lasarew, hat am Dienstagabend bei der Pressekonferenz der Sieger des ersten Halbfinales Stellung zur Lage von LGBT in seiner Heimat bezogen und diese erheblich schöngeredet. Ein Journalist aus der Ukraine hatte ihn – unter Buhrufen einiger russischer Journalisten und Fans – dazu befragt und berichtet, dass sich viele schwule Song-Contest-Fans Sorgen um ihre Sicherheit machten, sollten sie bei einem Gewinn Sergeis im nächsten Jahr nach Russland müssen.

Der Sänger betonte, das sei eine wichtige Frage, die ihm in den letzten Wochen oft gestellt worden sei. Es gebe "viele Gerüchte, viel Gerede über LGBT-Probleme in Russland". Aber das seien halt "Gerüchte und Gerede", so der 33-Jährige: Russland sei ein "modernes Land" mit einem existierenden "Gay Life" und vielen Homo-Clubs. "Wenn Eurovision nach Russland kommt, denke ich, werden wir sehr unterstützend gegenüber der Gay Community sein. Ihr müsst kommen und euch das ansehen!"

Lasarew meinte weiter, Russland habe Erfahrung mit Großevents, etwa mit den "tollen Olympischen Spielen", zu denen die unterschiedlichsten Leute aller Nationalitäten und sexueller Orientierungen gereist seien: "Da gab es keine Probleme." Man habe auch den ESC 2009 in Moskau abgehalten: "Das war auch gut, jeder hatte da Spaß". Da Russen gute Gastgeber seien und den ESC liebten, könnten sich Fans sicher fühlen.

Youtube | Die Pressekonferenz, um das LGBT-Thema geht es ab 2:10

So sicher sind LGBT in Russland wirklich


St. Petersburg neun Tage vor der Pressekonferenz von Lasarew

Obwohl unbestritten ist, dass Russland über eine größere kommerzielle Homo-Szene verfügt, sind die meisten LGBT in Russland weiter ungeoutet und werden politische und emanzipatorische Bemühungen durchaus bekämpft. Erst in der letzten Woche wurden LGBT in St. Petersburg und Moskau aus Demonstrationen zum 1. Mai von Polizisten gezielt aus der Menge geholt und für mehrere Stunden festgenommen, nur weil sie friedlich Regenbogen­flaggen mitführten.

Während der Olympischen Winterspiele vor zwei Jahren hatte es in Moskau und St. Petersburg Festnahmen bei mehreren LGBT-Demonstrationen gegeben, vor Ort in Sotschi wurde eine italienische LGBT-Aktivistin zwei Mal am Stadion festgenommen und trotz Tickets weggeführt (queer.de berichtete). Am gleichen Tag wie der ESC in Moskau 2009 waren Aktivisten beim Versuch des Abhaltens einer CSD-Demonstration in der russischen Hauptstadt von der Polizei festgenommen und teilweise über Nacht, also während des Grand-Prix-Finales, in einer Zelle gehalten worden (queer.de berichtete).

Das war noch vor der Einführung des Gesetzes gegen Homo-"Propaganda", das vor allem genutzt wird, um Proteste vorab zu verbieten. So hatte es in den letzten Jahren immer wieder Festnahmen rund um verbotene LGBT-Demonstrationen in Moskau und St. Petersburg gegeben. Gegen Neonazis, die auf CSD-Protestler einschlugen oder schwule Teenager online in Fallen lockten, um sie in Videos öffentlich zu demütigen, gingen die Beamten zögerlicher vor.

Vereinen wird durch das Gesetz gegen "internationale Agenten" sowie durch die Medienaufsicht das Leben schwer gemacht, während Putins Partei extremst homophob hetzende und teils offen Gewalt schürende Politiker wie Witali Milonow ohne Gegenrede in ihren Reihen duldet. Die Homo-Organisation ILGA Europe setzte Russland in ihrer am Dienstag veröffentlichten Rangliste von LGBT-freundlichen europäischen Ländern wie in den Vorjahren nach Aserbaidschan auf den vorletzten Platz. Das russische Staatsfernsehen, das den ESC im nächsten Jahr ausrichten könnte, hat die staatliche Homophobie mit Horror-Berichten über das angeblich zügellose "Gayropa" in den letzten Jahren kräftig mitbefeuert.

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Zwischen schönem Schein und bitterem Ernst


Die in Köln lebende russische LGBT-Aktivistin Christina Vantaa am Dienstag während der Show in Stockholm mit einem Regenbogenflaggen-"Sergay"-Plakat.

Das Vorgehen gegen LGBT in Russland wurde so auch in heimischen Medien immer wieder thematisiert; dass Lasarew von "Gerüchten und Gerede" spricht, verwundert da sehr. Die selbe Formulierung hatte er bereits Anfang Mai in einem Interview mit dem schwedischen Magazin "QX" genutzt und betont, dass nicht immer stimme, was geschrieben werde. Die wenigsten Leute würden überhaupt die homophoben Gesetze kennen, mit denen er auch selbst nicht im Detail vertraut sei. Auch das verwundert: Noch vor Jahren hatte er die Gesetze in Interviews im In- und Ausland deutlich kritisiert.

Lasarew, der in ganz Osteuropa bekannt ist, hatte zugleich in den letzten Wochen in Interviews immerhin immer wieder betont, dass er glücklich sei über die Unterstützung durch seine schwulen Fans. Im "QX"-Interview bezeichnete er sich als "gayfriendly".

Der Sänger ist in der Heimat mehrfach in Gay Clubs aufgetreten, auch von einem frühen Auftritt beim Birmingham Pride ist die Rede. In russischen Medien und sozialen Netzwerken halten sich trotz der Heirat zu einer Frau Gerüchte, er sei selbst schwul. Bei der Pressekonferenz neben Lasarew saß am Dienstag sein Komponist, ESC-Urgestein Filipp Kirkorow, über den sich ebenfalls entsprechende Gerüchte halten.

2009 hatte der damalige Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow schwule ESC-Fans auf einer Pressekonferenz gewarnt: "Sie können Spaß haben, kein Problem, aber nicht auf den Straßen und Plätzen marschieren oder demonstrieren. Wir erlauben keine Schwulenparaden." Der Journalist Elmar Kraushaar notierte dazu in der "taz": "Mit schlechtem Beispiel voran ging bei der Luschkow-PK die prominenteste Tunte Osteuropas, Popstar Filipp Kirkorow. Interessiert hörte er dem Bürgermeister zu und widersprach an keiner Stelle."

Als Lasarew bei der Pressekonferenz in Stockholm versprach, dass sich schwule ESC-Fans im nächsten Jahr in Russland sicher fühlen könnten, ergänzte Kirkorow: "Wir versprechen euch das aus der Tiefe unseres Herzens." Am Wochenende hatte bereits der russische Botschafter in Schweden schwule ESC-Fans eingeladen, das friedliche Russland persönlich kennenzulernen. "Man sollte sich aber in der Öffentlichkeit eher nicht küssen", sagte Viktor Tatarintsew (queer.de berichtete).

Bei den Buchmachern gilt Lasarew weiter als Favorit, er zog bei der Pressekonferenz einen Startplatz in der zweiten Hälfte des Finales, in das auch Aserbaidschan, Armenien Kroatien, Malta, die Niederlande, Österreich, Ungarn, Zypern und erstmals Tschechien einzogen. Für Tumulte in der Pressekonferenz sorgte noch, dass die armenische Delegation während der Show im Green Room eine Flagge Bergkarabachs in die Kamera gehalten hatte. Am Mittwoch entschied die EBU, Armenien deswegen zu verwarnen und mit einer Disqualifizierung zu drohen, sollte sich das Land einen weiteren Regelverstoß leisten. Weitere Sanktionen sollen im Sommer beschlossen werden.

Deutschland ist als einer der großen Geldgeber bereits für das Finale gesetzt. Im zweiten Halbfinale am Donnerstag muss sich unter anderem noch Israels schwuler Sänger Hovi Star qualifizieren, der erst kürzlich bei der Einreise nach Russland von Grenzbeamten gedemütigt worden war (queer.de berichtete).

Updates: Um 12.20h ergänzt um Zitate aus einem Interview mit dem Magazin "QX", um 16.50h ergänzt um die EBU-Drohung Richtung Armenien. Am Nachmittag hat Lasarew seine Argumentationslinie auch in einem Interview mit dem "Stern" wiederholt. Die Organisation Quarteera, eine Vereinigung russischsprachiger LGBT in Deutschland, nannte die Äußerungen "enttäuschend und peinlich".

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#1 AndyAnonym
  • 11.05.2016, 06:22h
  • Das hat er nicht ernsthaft gesagt? Schon vor dem Kommentar fand ich, dass Länder, die Menschenrechte mit Füßen treten auch von solchen Veranstaltungen ausgeschlossen werden sollten. Gerade Russland würde das hart treffen, denn sie setzen ja jedes Jahr alles in Bewegung, um zu gewinnen. UNFASSBAR dieser Kommentar!
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#2 JuliAnonym
  • 11.05.2016, 07:29h

  • Ich werde niemals verstehen, dass Russland an einer LGBT freundlichen Veranstaltung überhaupt teilnehmen darf. Anstatt diese Offenheit zu tolerieren, werden auch noch Lügen verbreitet ("Schwulen geht es gut.") und noch Verhaltenskodexe nach einem eventuellen Sieg ("Kein Küssen in der Öffentlichkeit.") auferlegt.
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#3 UrsaMajorEhemaliges Profil
  • 11.05.2016, 08:08h
  • Lieber Herr Lasarew,

    eine solche Aussage ist geradezu eine Verhöhnung des Leidens abertausender Menschen.

    Ich war vor ein paar Monaten bei einem Infoabend, an dem drei russische, schwule Geflüchtete von den Schikanen in ihrem Land berichteten, und von der Unmöglichkeit, auch nur annähernd frei zu leben. Russland tritt diesbezüglich die Menschenrechte mit Füßen.

    Andererseits - was hätte er wohl sagen sollen. Bei jeder anders lautenden Aussage hätte er wohl erhebliche Schwierigkeiten mit seinem Regime der Unfreiheit und Unterdrückung bekommen.

    Was die Aussage natürlich dennoch in keiner Weise rechtfertigt.
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