Christine Lüders leitet seit 2010 die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) (Bild: ADS)
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes setzt sich konsequent für LGBT-Rechte ein – jetzt hat sie sogar den Justizminister aufgeweckt.
Von Micha Schulze
Endlich ist wieder Bewegung gekommen in die Debatte um die überfällige Rehabilitierung der Nachkriegsopfer des Paragrafen 175. Das heute vorgestellte Rechtsgutachten von Prof. Dr. Martin Burgi weist der Politik den Weg und gibt betroffenen Schwulen neuen Mut, doch nicht als verurteilter Straftäter sterben zu müssen (queer.de berichtete).
Erwartet hätten wir diese wegweisende Initiative eigentlich von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der die Aufhebung der Urteile seit nunmehr zwei Jahren ergebnislos "prüft" (queer.de berichtete). Obwohl in den letzen Monaten auch der Bundesrat und die Justizministerkonferenz Druck machten, schien Maas die Rehabilitierung der "175er" bislang aussitzen zu wollen.
Seine Arbeit übernahm mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) nun ausgerechnet eine Behörde, die formal dem Familienministerium unterstellt ist. Peinlicher kann es für einen Justizminister nicht sein. Wie sehr Maas von ADS-Leiterin Christine Lüders mit dem Burgi-Gutachten überrumpelt wurde, zeigt auch seine heutige erste, aber noch immer sehr schwammige Ankündigung, nun doch endlich einen "Gesetzentwurf zur Aufhebung von Verurteilungen wegen § 175 StGB sowie einen daraus entstehenden Entschädigungsanspruch" zu erarbeiten (queer.de berichtete).
Ohne den freundlichen Stupser der ADS hätte der SPD-Minister wohl nie den Mut gefunden, sich mit seinem konservativen Beamtenapparat und dem Koalitionspartner anzulegen.
Immer wieder offene Kritik an der Bundesregierung
Es ist nicht das erste Mal, dass Christine Lüders die Politik bei LGBT-Rechten vor sich hertreibt und dabei die Bundesregierung offen kritisiert. So warf sie ihr 2015 zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie vor, seit Jahren eine EU-weite Antidiskriminierungsrichtlinie zu blockieren (queer.de berichtete). Nach dem irischen Referendum zur Ehe für alle warb sie dafür, im Bundestag ohne Fraktionszwang über die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare im Eherecht abzustimmen (queer.de berichtete). Und bereits vor zwei Jahren erkannte die ADS-Leiterin anlässlich der Demonstrationen von Bildungsplan-Gegnern eine "neue Homophobie" in Deutschland (queer.de berichtete).
Viele Gründe, Christine Lüders heute den Homo-Orden von queer.de zu verleihen. Weil sie ihren Job wirklich ernst nimmt und bei LGBT-Rechten keine faulen Kompromisse macht. Weil sie darauf pocht, weisungsunabhängig zu sein und sich von keinem Minister etwas sagen lässt. Weil sie genau weiß, wann und wie sie die richtigen Themen setzt und dabei mit guten Argumenten auch Skeptikern eine Brücke baut. Und vor allem weil sie von ihrem Gestaltungsspielraum so großen Gebrauch macht. Es ist Lüders hoch anzurechnen, dass sich die ADS auch mit Unrecht in der Vergangenheit beschäftigt
Christine Lüders hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit nur rund 20 Mitarbeitern in eine effektive und schlagkräftige Institution verwandelt, die diesen Namen verdient. Das war bekanntlich nicht immer so: Martina Köppen, Lüders unsägliche Vorgängerin von 2007 bis 2009, hatte sich als ehemalige Mitarbeiterin der Deutschen Bischofskonferenz in selber Funktion sogar mehrfach gegen einen Diskriminierungsschutz für Lesben und Schwule ausgesprochen (queer.de berichtete).
Ehrlich gesagt glaube ich auch nicht daran, dass Heiko Maas mehr tun wird als reden.
Denn wie immer bei der SPD labert auch er viel, handelt aber ganz anders.
Aber jetzt kann wenigstens nie mehr jemand behaupten, das sei rechtlich problematisch. Denn jetzt ist ganz offiiell von der zuständigen Bundesstelle in einem hochoffiziellen Gutachten bestätigt, dass die volle Rehabilitierung nicht nur rechtlich möglich ist, sondern dass die auch geboten ist.
Ob die SPD wenigstens diesmal auf die Fakten und die Vernunft reagiert oder lieber der Union noch tiefer als eh schon in den Arsch kriecht, werden wir sehr genau beobachten... Und notfalls Konsequenzen ziehen...